Weser-Kurier-Auflage fällt erstmals unter 100.000 verkaufte Exemplare
Achtung, heute falle ich mit der Tür ins Haus: Erstmals in der Verlagsgeschichte ist die verkaufte Auflage des Weser-Kurier im ersten Quartal eines Jahres unter die 100.000er Marke gerutscht. Wäre ich einer der Eigentümer der Bremer Tageszeitungen AG, Dr. Ulrich Hackmack und Christian Güssow (übrigens Schwiegersohn des genialen Bremer Grafik-Professors Fritz Haase), würde ich mir spätestens jetzt Sorgen um mein Verlags-Eigentum machen. Und immer wieder stellt sich die Frage: Ist das Blatt vielleicht auch selbst an der Misere schuld?
Damit Sie, liebe Leserschaft, nicht meinen, ich sei unter die Miesmacher gegangen, hier die konkreten Zahlen, die der Verlag der Werbewirtschaft (ivw) zur Prüfung selbst meldet. Also: knallharte Fakten.
Demnach betrug die verkaufte Auflage im ersten Quartal 2025: 96.265 Zeitungen (inklusive 22.032 ePaper). Ein Jahr zuvor (1.Qu. 2024) sahen die Zahlen noch ein klein wenig freundlicher aus: 101.739 (davon 20.166 ePaper) verkaufte Zeitungen.
Der bezahlte Verkauf sank damit um 5,38 Prozent. Die Zahl der treuesten Leser, nämlich der Abonnenten, sackte gar um 6,07 Prozent ab – von 90.230 auf 84.753.
Unter Auflagenverlust leiden die meisten Tageszeitungen. Einsam strahlender Stern am Auflagenhimmel ist hingegen die ZEIT: 636.000 verkaufte Exemplare (plus 5,2 Prozent). Dies ist die höchste Auflage seit Bestehen der Wochenzeitung.
Hat der Weser-Kurier mit seiner Art der Qualität womöglich zumindest einen Eigenanteil am rasanten Auflagenschwund? Ist wohl nicht auszuschließen.
Generell kämpfen alle lokalen Blätter gegen den Trend an, dass junge Leute nach Ausbildung oder Studium nicht mehr „automatisch“ eine Tageszeitung abonnieren. Doch manchen Zeitungen gelingt zumindest das Halten der Alt-Abonnenten besser als anderen.
Zu bedenken ist: Insbesondere ältere Leserinnen und Leser können es absolut nicht verknusen, Texte mit eingebauter Notwendigkeit zur Selbstrecherche zu lesen. Bedeutet: Du liest ein Stück und hast hintermehr bald mehr offene Fragen als zuvor.
Oder: Es mangelt vor der Veröffentlichung an einer gründlichen Korrektur. Oder: Angebliche informative Berichte transportieren in Wahrheit die Haltung/Meinung des Autoren. Und das schlimmste: Auf der Hand liegende Fragen stellt die Redaktion einfach nicht.
Von diesen No-Gos des seriösen Journalismus leistet sich der WK noch immer zu viele. Auch wenn jetzt Benjamin Piel als Co-Chefredakteur angeheuert hat.
Zwei Beispiele aus jüngster Vergangenheit: „Papst aus Afrika“, und: „Novellierung der Abgeordneten-Pensionen“.
Des weltweiten Interesses wegen fange ich mit dem Papst an.
Da stellt sich unser Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte hin und erklärt so ein bisschen onkelmäßig, es wäre doch eigentlich ganz schön, wenn der nächste Papst aus Afrika käme. Bremer Medien posaunen diese Meinungsäußerung des Bürgermeister und „Kirchensenators“ umgehend – Palast-Herolden ähnelnd – in die Welt hinaus. Erläutern, Hinterfragen, Einordnung – alles Fehlanzeige.
Dabei wirkt Herrn „Bovis“ Vorschlag irritierend, wenn man sich ein klein wenig mit dem Thema beschäftigt.
Ausgerechnet der per Eigendefinition linke und damit natürlich sehr „progressive“ Sozialdemokrat Bovenschulte wünscht den Katholiken (er ist keiner) einen afrikanischen Papst. Laut überregionalen Medien – von der Neuen Zürcher bis zum NDR – gelten gerade die afrikanischen Kardinäle als besonders konservativ; als Gegner der Schwulenehe; als Verteidiger des Zölibats usw.
Dies erfahren Nutzer von Weser-Kurier und Radio Bremen aber nicht. Dabei leistet sich der WK sogar einen Kirchen-Schreiber. Und jede öffentlich-rechtliche Anstalt verfügt – wie wir nach dem Tod von „Franziskus“ lernen durften – über „Kirchenredaktionen“.
Nächstes Thema: Novellierung der Abgeordneten-Pensionen“. Meine Kollegen berichteten zwar darüber, dass der Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss (VGO) des Parlaments über die Gesetzes-Novellierung beraten hat. Als strittig werden zwei Punkte genannt: 1. Ab wann die neue Versorgung wirksam werde – in der nächsten Legislaturperiode (Mitte 2027) oder doch schon in der laufenden? Und 2.: Wird es eine Höchstgrenze für Abgeordneten-Pensionen geben? Details? Fehlanzeige.
Infos, wie und wo ein Limit gelten könnte, wurden nicht mitgeliefert. Dafür am Sonnabend ein deftiger WK-Kommentar, der offenbar eher das Ziel verfolgte, Volkes Seele zum Kochen zu bringen.
Zwei, drei Nachfragen unter Mitgliedern des VGO-Ausschusses hätten rasch für Erkenntnisgewinn sorgen können. Während der erste Entwurf des Gesetzentwurfes eine Pensionsgrenze von 60 Prozent eines Monatsgehaltes (Diät von 6,176,55 Euro) enthielt, plädieren CDU und SPD jetzt für eine Obergrenze von 42 Prozent.
Wow, das wäre ja immerhin eine ordentliche Reaktion auf Kritik an den ursprünglich angepeilten 60 Prozent nach 36 Jahren, also 3.705,93 Euro. Die neue Überlegung, die jetzt noch in den Fraktionen abgesegnet werden muss: Nach 24 Jahren der Abgeordnetentätigkeit gibt’s max. 42 %. Wer noch länger in der Bürgerschaft sitzt, erwirbt keine zusätzlichen Pensions-Prozente. Aktuell wäre (ab dem 63. Lebensjahr) bei 2.594,15 Euro Schluss.
Diese Zahlen findet man in der Berichterstattung leider nicht.
Übrigens: Wie wäre es mal mit einem Gegenmodell? Alle Berufstätigen – Arbeiter, Angestellte, Politiker und Beamte – zahlen in eine gemeinsame Rentenkasse ein. Unternehmer gerne auch. Beim Erreichen der Altersgrenze erhalten dann alle eine Rente entsprechend der Einzahlungen. Wär doch mal was: Mehr für normale Rentner, weniger für Beamte und Politiker.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Liebe Leserschaft, herzlichen Dank für die vielen privaten Beileidsbekundungen zum Tod „meines“ Technikers Willi Karg. Danke auch für Angebote, mich künftig technisch zu unterstützen. Ich werde darauf zurückkommen.
Moin,
es gibt ja mehrere Möglichkeiten einer Kundenbindung. Neben dem Auslösen inhaltlicher Begeisterung könnte man ja wenigstens den Abonnementen zum 50 Jahr Zeitungsabo ein Dankschreiben senden. Einfach nur so, ein bisschen lieb, muss ja kein Tablett-Gerät sein. Das bekommen nur Neukunden.
Ich habe jetzt trotzdem nach 50 Jahren auf E-Paper umgestellt. Und den Zuwachs der ZEIT nehme ich auch wahr. Daran werde ich zumindest bei „Drei nach Neun“ monatlich erinnert. Gucken wir mal . . .
Immer dann, wenn wieder eine Änderung in der Gesetzgebung ansteht, wie z. B. die nächste Novelle der Bremer Bauordnung, recherchiere ich ganz gerne, was die einzelnen Parteien so von sich geben. Der WK ist hier leider ein Totalausfall. Denn der berichtet nur, was Linke, Grüne oder Bovi so von sich geben. Eine CDU oder FDP findet im WK keinen Platz. Höchstens dann, wenn Bovi die CDU mal wieder an einen Pranger stellen will, der eigentlich eher ihn gelten würde. Leider bin ich immer noch gezwungen, das Blatt zumindest als E-Paper weiter zu abonieren.
Ps.: Die Abozahlen sind künstlich gesteigert worden – Sie erinnern sich an die Geschenksabos für die Studenten in Bremen? Wie viele waren das noch mal?
Liebe Leserschaft, kennen Sie WK+? Dies ist eine Kategorie bei ivw, in der z.B. der WK den verkauften Content ausweisen darf. Kauft man „WK+“ – für testweise monatlich 5,90 Euro und nach 12 Monaten für monatlich 37,90 Euro – darf man die Artikel auf der WK-Internetseite und in der News-App lesen.. Derartige Online-Zugänge hat der WK im 1. Quartal 2025 an 5.545 Menschen verkauft. Darauf hat mich gestern WK-Vorstand David Koopmann hingewiesen. Er ist der Meinung, dass man diese Online-Zugänge zur verkauften Auflage hinzuzählen müsse. Dies bedeute unterm Strich eine verkaufte Verbreitung von 101.810 Exemplaren. Liebe Leserschaft, ich hatte „meine“ Zahlen aus der mir zugänglichen ivw-Auflistung gezogen:: Verkauf von Exemplaren inkl. ePaper. David Koopmann hat mir seinen Hinweis leider nur als sms und nicht als öffentlichen Kommentar geschickt. Ich veröffentliche diesen dennoch in dieser Form, da ich im juristischen Sinne keineswegs unkorrekt sein will. Offen gesagt, ist mir die Kategorie WK+ nicht geläufig. Also, ob man als solcher Abonnent beispielsweise auch Zugriff auf alle Anzeigen und Beilagen des Blattes hat. Die Verbreitung von Anzeigen und Beilagen ist jedoch für die Werbewirtschaft das wichtigste Kriterium. „ivw“ bedeutet: „Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern“. Liebe Leserschaft, ich werde das Thema demnächst im Detail recherchieren und Sie informieren. Herzlichst Ihr Axel Schuller P.S.: Leider kann ich diese Ergänzung aus technischen Gründen nicht nachträglich in den Ursprungstext einpflegen – dies hätte mein „technicus maximus“ vermocht, der – wie berichtet – leider kürzlich von uns gegangen ist.
Es ist ein langsames Sterben der Papierzeitungen. Sollten überhaupt welche überleben, dann jene, die hohe Qualität versprechen und halten und in regionale Informationslücken stoßen.
Ein Blick in den WK vom heutigen Montag: keine Zeile und kein einziges Ergebnis zum Bremer Amateurfußball. Symptomatisch.
Heute wieder zwei neue Beispiele für mangelnde WK-Recherchen:
– Zur Durchsuchung bei einem kurdischen Verein referiert der WK lediglich eine Polizeimitteilung. Darin fehlte aber jeder Hinweis auf den Durchsuchungsgrund. Warum versucht die Redaktion nicht, den Grund herauszufinden (was am Wochenende allerdings schwierig ist)?
– Der Bericht „Schiff prallt gegen Kaisen-Brücke“ ist ohne weitere Erklärungen völlig unverständlich. Eingangs heißt es, „nach dem Ablegen vom Anleger Tiefer 2“ habe die Schiffsführung eine Manövrierunfähigkeit festgestellt. Am Ende liest man plötzlich, das ehemalige Ausflugsschiff habe „seinen festen Platz gegenüber der Schlachte, daher ist ein Starten der Motoren nicht möglich“. Ja, was jetzt? Wie kam das Schiff dann vor dem Zwischenfall überhaupt zum Anleger „Tiefer 2“? Und wieso konnte es dort „ablegen“, wenn sein Motor gar nicht funktioniert? Nur online hat der WK inzwischen den Sachverhalt aufgeklärt: „Das ehemalige Ausflugsschiff wird regelmäßig etwa für Veranstaltungen von seinem angestammten Platz am Bürgermeister-Smidt-Anleger zum Tiefer-Anleger gefahren. Die Motoren sind insofern jederzeit einsatzbereit und eine Fahrerlaubnis liegt vor.“ Nur diesmal sei es eben nicht manövrierfähig gewesen. Warum nicht gleich so?
Zu David Hubers Leserkommentar: Den Eindruck, dass CDU und FDP im WK keinen Platz fänden, kann ich absolut nicht teilen. Gerade die FDP wird häufig mit Stellungnahmen zitiert.
Übrigens kennt die Redaktion auch keine Brandmauer nach rechts: Am 22. März veröffentlichte der WK ein ganzseitiges Interview mit dem Volkswirt Fritz Söllner. Erst am Ende und nur kurz erwähnte Chefredakteurin Silke Hellwig, dass er laut Wikipedia im Dunstkreis der Neuen Rechte Vorträge halte und Artikel verfasse. Seine Reaktion: Er akzeptiere halt Einladungen von denen, die sich seine Argumente anhören wollten. Kein Wort dazu, dass er im Oktober 2024 auf einer Pressekonferenz der AfD-Bundestagsfraktion aufgetreten ist, auf der ein AfD-Bundestagsantrag vorgestellt wurde. Das klingt nach aktivem Mitwirken und nicht nur nach Eingeladenwerden.