Koalition sollte auf eigenen Senator hören statt die Polit-Messer zu wetzen
Diese, unsere schöne Stadt bringt zuweilen Peinlichkeiten hervor, über die man – je nach eigener Einstellung – nur staunen oder sich peinlich berührt abwenden kann. Beispiel: Wie die Koalitionäre von SPD, Grünen und Linke im Hintergrund – zu Unrecht – die „Messer“ gegen Innensenator Ulrich Mäurer gewetzt haben – pfui Teufel! Ebenfalls hochnot-peinlich, wie sich Radio Bremen blamiert hat.
Innensenator Mäurer ist, wie man so sagt, ein erfahrener „alter Haudegen“. „Seine“ Koalitionsparteien waren seit der Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ in ihrem Eifer nicht zu bremsen. Sie wollten zusammen mit der CDU-Mehrheit und einigen Liberalen den Senat zwingen, im Bundesrat umgehend ein Verbotsverfahren gegen die AfD in Gang zu setzen. Mäurers Warnung, niemand kenne das 1.100seitige „Gutachten“ des Verfassungsschutzes, die scheidende Bundesinnenminister habe das Teil ohne Rücksprache im eigenen Haus einfach rausgehauen, verklangen in der Bremischen Bürgerschaft ungehört.
Schlimmer noch: Sie zogen sogar den Groll der Fraktionschefs von SPD (Mustafa Güngör), Grünen (Dr. Henrike Müller) und Linke (Sofia Leonidakis) auf sich. Nach außen erklärten diese noch halbwegs zivilisiert: „Kein gelungener Auftritt des Innensenators“, „Missachtung des Parlaments“ und „Der Bürgermeister muss sich jetzt den Auftrag des Parlaments umsetzen“.
Hinter den Kulissen aber regierte der blanke Zorn: „Mäurer sagt, er habe 300 Seiten des Gutachtens gelesen, aber verstanden hat er sie anscheinend nicht“. Oder ganz schlicht. „Der muss endlich weg“.
Und dann kam der gestrige Donnerstag. Das Bundesamt für Verfassungsschutz zog seine Presseerklärung zur AfD zurück, unterschrieb beim Verwaltungsgericht eine Stillhaltezusage und widerrief vorerst die Höherstufung der AfD zur „gesichert rechtsextremen“ Partei. Der Grund für den zeitweisen Rückzieher: Das Gericht will zunächst das Gutachten der „Schlapphüte“ gegenchecken. Vorher dürfe nichts unternommen werden.
Übrigens, genau dies hatte Mäurer den Bürgerschaftsabgeordneten geraten. Herr Güngör sowie die Damen Müller und Leonidakis schwiegen dazu gestern bezeichnenderweise. Auch der zwei Tage zuvor willfährige Teil der CDU-Fraktion, beispielsweise die Fraktionsspitzen Frank Imhoff, Dr. Wiebke Winter, Landeschef Heiko Strohmann, Wirtschaftssprecherin Susanne Grobien oder Finanzexperte Jens Eckhoff.
Bündnis Deutschland (BD) und ihr Fraktionschef Jan Timke mussten sich fast schon gezwungenerweise freuen: „Der blinde Aktionismus der Koalitionsparteien war eines Landesparlaments unwürdig.“
Zurück zu Mäurer. Er hat sich, so kann man sagen, zum roten Tuch der rot-grün-roten Parlamentarier entwickelt. Wobei nicht jeder seiner Kontrahenten selbstlos agiert. Insbesondere Mustafa Güngör sagt man bereits länger nach, er sei scharf auf Mäurers Job.
Doch so leicht wird das nichts. Ulrich Mäurer wird vermutlich nicht von sich aus das Amt in der Contrescarpe räumen. Die Koalition müsste „ihren“ mittlerweile fast schon verhassten Senator aus dem Amt abwählen. Welch ein Fanal nach langjähriger Tätigkeit als Innensenator – die bundesweite Beachtung wäre Bremen gewiss.
Peinliches trug sich im Zusammenhang mit dem AfD-Thema auch bei Radio Bremen zu. Thorsten Reinhold, Chef der ButenunBinnen-Online-Redaktion, hatte zur AfD-Verbots-Debatte kommentiert. „Ein AfD-Verbot wäre kein Befreiungsschlag für die Demokratie – es wäre ein Zeichen politischer Hilflosigkeit.“ Wow. So etwas auf der Website von Radio Bremen.
Der Widerspruch von Sozi-Hardlinern wie Klaus Möhle und Peter Nowack ließ nicht lange auf sich warten. Ich vermute, dass es im Sender auch nicht ganz leise zuging.
Kurze Zeit später stand nämlich kein Kommentar zum Thema im RB-Netz, sondern ein pro und contra. Neben Reinhold vertrat Redakteur Sven Kuhnen die entgegengesetzte Meinung.
Die Überschrift lautete nun „AfD-Verbot: Politischen Sackgasse oder notwendiger Schritt?“
Offen gestanden: Gerne wäre ich in der BuBi-Online-Redaktion Mäuschen gewesen…und hätte gehört, welche „Debatte“ zum Umfummeln eines vom Sender-Mainstream abweichenden Kommentars zu einem pro&contra geführt hat.
Ein Lob für ButenunBinnen muss ich trotzdem loswerden. Das öffentlich-rechtliche Programm hat jüngst mit einer repräsentativen Umfrage zur politischen Stimmung im Land Bremen gepunktet. Können Sie alles auf butenunbinnen.de nachlesen.
Da haben die Weser-Kurier-Kollegen garantiert neidisch zum gebührenfinanzierten Funkhaus am Weserstrom hinübergeschaut. Mal zur Halbzeit der Legislaturperiode so viel Knete übrig zu haben, um seriöse Meinungsforscher einzuspannen…boah ej.
Radio Bremen gab sich auf meine Frage, wieviel man dafür gelöhnt habe, übrigens auffallend zugeknöpft.
„Es gibt einen Vertrag zwischen infratest dimap und der ARD, der den Landesrundfunkanstalten der ARD Sonderkonditionen einräumt. Diese Konditionen sind vertraulich. (…) Die Kosten sind durch den ARD-weiten Vertrag geringer, als die eines anderen marktüblichen Markforschungsinstitutes.“
Sehr, sehr schade, hätte schon gern gewusst, wie viel vom GEZ-Zaster dahingeht. Aus meiner aktiven Zeit erinnere ich mich an Kosten um die 30.000 bis 40.000 Euro für derart umfangreiche Erkundungen mit „Sonntagsfrage“, Zufriedenheitswerten von Senatsmitgliedern und Koalitionspräferenzen der Befragten – und mein Erfahrungsschatz basiert auf dem Stand von 2014, natürlich „marktüblich“ …
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Liebe Leserschaft, ich lege Ihnen die Kommentare zum vorigen Stück „Wie gut, dass Ulrich Mäurer noch Bremens Innensenator ist“ ans Herz. Unter anderem hat Ex-Radio-Bremen-Urgestein Niels N. von Haken hat eine beachtenswerte Analyse beigesteuert. Lesen! Sorgt für zusätzlichen Erkenntnisgewinn. Echt, jetzt.
Der Verfassungsschutz hat seine Einschätzung der AfD keineswegs widerrufen (wie es fälschlich in diesem Blog-Beitrag heißt und die AfD-Sichtweise fördert), sondern will sie nur nicht weiter verbreiten, bis das Verwaltungsgericht über den Eilantrag der AfD entschieden hat – aus Respekt gegenüber der Justiz.
Sorry, Eckhard Stengel, das ist Unfug. Ers steht explizit im Blog, „zeitweise Rückzieher“, „widerrief vorerst“. Eckhard, bitte nicht bösartig argumentieren.
Sorry, lieber Axel, aber ein vorübergehendes Aussetzen ist nun mal kein Widerruf, auch wenn Du ihn nur als „vorerst“ relativiert hast. Wenn ich Wert auf korrekte Wortwahl lege, hat das nichts mit Bösartigkeit zu tun. Gerade bei einem so sensiblen Thema sollten Journalisten ihre Worte genau abwägen.
… oder anders gesagt: Aussetzen ist ein formaler Akt, während ein Widerruf eine inhaltliche Korrektur wäre.
Ich würde mir wünschen nicht in jedem Beitrag das Thema AFD zu hören. die ganze Diskussion stärkt diese Partei. Sie muß tatsächlich nichts tun und legt an Punkten zu. warum sie nicht einfach ignorieren. Haben wir denn in Bremen nichts wichtigeres zu tun und zu berichten.
Lieber Herr Schuller, auf Ihre Nachfrage an mich vor Veröffentlichung Ihres Blogs, ob es Widerstand gab, habe ich Ihnen geantwortet: „Nope. Warum?“ Mein Kommentar war jederzeit verfügbar und ist um eine andere Meinung zu einem Pro-und-Contra geworden. Munter bleiben 😉