Patient fasst Sanitäterin an Brust – Verfahren „mangels öffentlichen Interesses“ eingestellt
Liebe Leserinnen und Leser. Wir müssen reden. Retter wie Sanitäter, Feuerwehrleute und sogar Polizisten sind nicht mehr vor Bedrohungen und tätlichen Angriffen sicher. Am schlimmsten: Die Staatsanwaltschaft Bremen stellt Verfahren gegen Beschuldigte immer wieder mit zwei – wie ich finde – abseitigen Begründungen ein: Es bestehe „kein öffentliches Interesse“ an der Verfolgung. Und: Der Vorfall liege lange zurück. Die Folge: Helfer stellen keine Anzeigen mehr. „Hat ja eh keinen Zweck.“ Liebe Leserschaft, dies gefährdet letzten Endes den Respekt vor dem Staat – auf beiden Seiten.
Eine Rettungssanitäterin berichtet: „Ein Patient hat mir 2024 während der Untersuchung gezielt mehrfach in den Schritt und an den Hintern gefasst. Ich habe dies nicht angezeigt, weil mir 2021 ein anderer Patient an die Brust gegriffen hatte, und dieses Verfahren wegen ‚mangelnden öffentlichen Interesses‘ eingestellt worden war.“
Ein Polizist zeigte mir den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft: „Nach dem Ermittlungsergebnis ist die Schuld als gering anzusehen. Auch das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung gebietet es nicht, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen“. Zum Hintergrund: Ein Mann hatte sich „extrem stark“ (also körperlich) gegen seine Festnahme gewehrt. Dazu später Details, die Ihren Adrenalinspiegel vermutlich noch mehr in die Höhe schnellen lässt. (*Siehe weiter unten)
Ein Rettungssanitäter berichtet, wie er mit zwei Kollegen auf dringlicher Rettungsfahrt (Verdacht: tödliches Kohlenmonoxid strömt in einem Wohnhaus im Viertel aus) von einem – ich würde sagen – „Hirni“ – aufgehalten wurde.
Als die Rettungssanitäter angefordert wurden, fuhren sie gerade auf dem Ostertorsteinweg stadteinwärts. Falsche Richtung. Also Wendemanöver bei der Hofeinfahrt zu Flamme-Möbel. Beim Zurücksetzen – ein Rettungswagen ist auf dem O-Weg nicht in einem Zug zu wenden – fuhr ein Porsche Panamera so dicht vor den Sani-Wagen, dass dieser weder vor noch zurück konnte. Obwohl die Retter Blaulicht und Martinshorn eingeschaltet hatten.
Der Rettungssanitäter schrieb in seiner Anzeige:
„Ich signalisierte dem Fahrer mit einer Handbewegung, dass er zurücksetzten soll, damit wir unsere Einsatzfahrt fortsetzen können. Zu diesem Zeitpunkt war weder ein KFZ hinter dem Porsche, noch Fußgänger oder Fahrradfahrer. Das Zurücksetzen wäre somit für ihn ohne Probleme möglich gewesen.
Der Fahrer des Porsche reagierte jedoch nicht. Nach einigen Sekunden schaltete ich die Presslufthorn-Tonfolgeanlage ein, um zusätzlich zu dem eingeschalteten blauen Blinklicht zu signalisieren, dass wir uns in einem Einsatz befinden und höchste Eile geboten ist.
Auch auf das Signalhorn reagierte der Fahrer des Porsche zunächst nicht. Die Tonfolge (Dauer je Tonfolge ca. 4 Sekunden) lief drei Mal, bis der Fahrzeugführer des Porsche zurücksetzte und ich den Wendevorgang abschließen und die Einsatzfahrt fortsetzen konnte.
Beim Vorbeifahren an der Fahrerseite des Porsche, guckte der Fahrer mich an und rief aus dem geöffneten Fenster: „Fick deine Mutter, du Hurensohn.“
Eine Staatsanwältin stellte das Verfahren (Behinderung der Retter bei Ausübung ihrer Tätigkeit und Beleidigung – „Hurensohn“) vom 26.8.2023 mit Schreiben vom 3.4.2025 ein.
Die Begründung: „Nach dem Ermittlungsergebnis ist die Schuld als gering anzusehen. Auch das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung gebietet es nicht, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Der Beschuldigte ist strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten. Weitere Verfahren sind gegen diesen bei der Staatsanwaltschaft Bremen nicht anhängig.“
Und dann folgt in dem Schreiben der Staatsanwältin ein Satz, der bei Betroffenen nur Kopfschütteln bis blanke Verachtung auslösen kann. Er lautet: „Zudem liegt die Tat bereits geraume Zeit zurück.“
Gerade so, als sei der Anzeigenerstatter selbst Schuld daran, dass die Staatsanwalt zwischen Anzeige und Einstellung des Verfahren ein Jahr und 8 Monate benötigte.
Ähnliches „durfte“ jener Polizist erleben, der bei der Festnahme eines Straftäters (*siehe oben) mit einer heftigen Gegenwehr fertigwerden musste. Seine Anzeige vom 20.5.2022 „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ beschied eine Staatsanwältin am 6.3.2025 mit folgenden Sätzen:
„(…) Die vorgenommenen Widerstandshandlungen sind von geringer Intensität. Der Beschuldigte schlug nicht gezielt in Ihre Richtung, und niemand wurde durch die Handlungen des Beschuldigten verletzt.
Es ist zweifelhaft, ob der Beschuldigte die an ihn gerichtete Belehrung verstanden hat, und die Situation richtig erfassen konnte. Er war zur Tatzeit alkoholisiert und verhielt sich physisch auffällig.
Überdies liegt die Tat bereits lange zurück.
Der Beschuldigte ist nicht einschlägig vorbestraft und es sind keine weiteren Verfahren gegen ihn anhängig.
Ich habe deshalb von der weiteren Verfolgung der Straftat (…) abgesehen.“
Nota: Auch hier weist die Staatsanwaltschaft wieder auf den zeitlichen Abstand von Anzeige und Verfahrensende (fast zwei Jahre!) hin – als ob der Polizist daran schuld sei.
Zur besseren Einordnung dieses konkreten Falles: Bei dem jungen Beschuldigten handelte es sich – nach Auskunft des Polizisten – „um einen der Polizei mehrfach bekannten (Raub, Diebstahl, Körperverletzung) unbegleiteten Flüchtling“.
Der Polizist berichtete ferner, dass mehrere Kollegen keine Anzeigen mehr erstatteten, weil „eh nix dabei rauskommt“. In Polizeikreisen erzählt man sich sogar, es sei kein einziger Fall in Erinnerung, in dem Polizisten angegriffen und Täter dafür bestraft worden seien. KEINER.
Diese mir eindringlich geschilderten Fälle stehen im krassen Widerspruch zu offiziellen Äußerungen von Politikern (Bundestag) und Vorgesetzten, wie dem Bremer Polizeipräsidenten. Im Februar 2020 bat der damalige Polizeichef Lutz Müller Vertreter von Rettungsdiensten, Feuerwehr und Polizei sowie den leitenden Oberstaatsanwalt zum Gespräch. Thema: Gewalt gegen Einsatzkräfte. Fazit laut eines internen Protokolls: Die Chefs von Polizei und Staatsanwaltschaft erklärten: „Keine Toleranz bei Gewalt gegen Einsatzkräfte. Alles, was angezeigt wird, wird auch strafrechtlich verfolgt.“
Liebe Leserinnen und Leserinnen, ich wollte Ihnen mit diesem Bericht aus der Wirklichkeit nicht das nahende Wochenende versauen.
Ich hoffe sehr, dass Politiker, aber auch verantwortungsvolle Mitarbeiter in den zuständigen Bremer Behörden den Boden dafür bereiten, dass Sanitäter, Feuerwehrleute, Polizisten (alle m/w) Mut fassen, die steigende Zahl an Übergriffen auf Einsatzkräfte allesamt anzuzeigen. Dies funktioniert aber nur, indem die Justiz die Fälle tatsächlich verfolgt und ahndet.
Täter UND Opfer müssen wissen: Unser Staat duldet keinerlei Angriffe gegen Retter! Weder verbal, noch tätlich.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
Moin Herr Schuller, die oben aufgeführten Fälle zeigen die aktuelle Rechtsauffassung in der Staatsanwaltschaft oder Hilflosigkeit. Spätestens vor Gericht werden die meisten Fälle keine Folgen für die Täter haben.
Die Verrohung in breiten Schichten der Bevölkerung nimmt zu und ältere, schwächere Bürger trauen sich nicht mehr am öffentlichen Leben teilzunehmen.
Vielleicht sieht man die Folgen in den Wahlergebnissen.
Eine Lösung kann ich nicht anbieten.
Hallo Axel Schuller, beim Lesen dieses Artikels habe ich mich zuerst gefragt, wie solch offensichtliche An-und Fehlgriffe und Beleidigungen nicht geahndet werden können, ruft man sich die erfolgreich gestellten 800 Strafanträge wegen Beleidigung.von Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck ins Gedächtnis, nach denen sogar in einigen Fällen Hausdurchsuchungen erfolgten.
Jetzt habe ich es verstanden: Es kommt auf die Person und die Handbewegung an, ob die Anzeige erfolgreich und das „öffentliche“ Interesse gross ist.
Im Strafgesetzbuch finden sich in den Paragrafen 113–115 Gesetzestexte, die den Schutz von Amtsträgern gewährleisten sollen. Wenn aber die Staatsanwaltschaft in Bremen gegen die Anwendung dieser Bestimmungen verstößt und mangelndes öffentliches Interesse unterstellt, fragt man sich als Bürger doch, welches Rechtsverständnis hier vorliegt und bekommt Zweifel an der Ernsthaftigkeit mit der der Rechtsstaat hier vorgeht.
Noch fragwürdiger ist das Argument, die Taten lägen lange zurück. Die betroffenen Rettungskräfte und Polizisten, die sich täglich solchen Angriffen im Dienste an der Allgemeinheit aussetzen, wird das weder trösten noch motivieren. Und ein Argument, diese Berufe zu wählen, ist das auch nicht.
Sich hinter der Überlastung der Staatsanwaltschaften zu verstecken, macht es nicht besser. Wir brauchen einen starken und funktionierenden Staat und keinen, der seine eigenen Leute nicht schützen und Recht nicht durchsetzen kann.
Das gilt auch für Bremen!
„Mangelndes öffentliches Interesse“ verstehe ich bei den Begründungen auch nicht. Ich sehe da schon ein öffentliches Interesse. Wir alle sind die Öffentlichkeit. Und ich glaube, ganz viele Menschen haben ein Interesse daran, dass im Ernstfall der Rettungsdienst, die Feuerwehr, die Polizei, … schnell zum Einsatzort kommen und bei der Arbeit nicht behindert und belästigt werden.
Das gleiche gilt beispielsweise für die Müllabfuhr, ich habe auch schon – nicht nur einmal – beobachtet, wie die Leute der Müllabfuhr in engen Straßen angepöbelt wurden, weil jemand (in der 30km-Zone…) dann nicht mit 120 km/h überholen konnte…
Allgemeine Verrohung der Sitten.
Die allgemeine Verrohung der Gesellschaft ist in allen Bereichen festzustellen, nicht nur bei Polizei, Feuerwehr,Sanitäter etc. Wer sich heute in die Öffentlichkeit (z.B. Straßenverkehr,Innenstadt ) begibt, kann auch ein Lied davon singen. Schlimm nur, dass solche Entgleisungen, gerade gegenüber „Amtsträgern“ , nicht geahndet werden. Das werden wohl die juristischen Nachkommen der 68er-Liberalen sein, denen man Überlastung unterstellen kann, aber Faulheit und Desinteresse unterstellen muß. Ältere Menschen wagen sich ja kaum noch aus dem Haus, weil sie , leider speziell in Bremen , befürchten müssen, angepöbelt oder sogar überfallen zu werden, ohne daß jemand zur Rechenschaft gezogen wird. Es hat sich inzwischen eine generelle Abwehrhaltung herausgebildet, die in jedem Menschen potentielle Aggressoren sieht und somit Schlimmes befürchten laßt.
Das Nichthandeln der Staatsanwaltschaft und die, milde ausgedrückt, eigenartigen Urteile mancher Gerichte sind lange schon mehr als ein Ärgernis. Ob es Faulheit, Dummheit, beschränkte Wahrnehmung der Realität ist, oder an der immer wieder als Entschuldigung/Erklärung vorgebrachten Überlastung liegt – Fakt ist, mit dem von Axel Schuller geschilderten Verhalten schaden Staatsanwälte dem Rechtsfrieden und beschädigen das Vertrauen in und auf die Justiz. Sie machen sich schuldig. Schuldig, weil sie durch ihr Verhalten, die Gewalt gegen Polizisten, Feuerwehrleute, ärztliches Personal etc. nicht nur zur straffreien Bagatelle machen, sondern dadurch geradezu fördern. Unwillentlich zwar, aber sicherlich nicht unwissentlich. Es sei denn, sie wüßten wirklich nicht was sie tun. Oder besser, was sie nicht tun. Allerdings gilt hier wie auch sonst so oft: Der Fisch stinkt am Kopf zuerst. Der üble Geruch führt zum Generalstaatsanwalt und letztlich zum Justizsenator. Staatsanwälte sind weisungsgebunden. Generalstaatsanwalt und Justizsenator könnten eingreifen. Wenn sie denn wollten. Sie könnten, entsprechend den öffentlichen Beteuerungen, den Staatsanwälten unmissverständlich klar machen, dass die Verfolgung derartiger Delikte sehr wohl im öffentlichen Interesse liegt und dass es nicht hinnehmbar ist, ein Delikt nicht zu verfolgen, weil man selbst (die Staatsanwaltschaft) seinen Job nicht gemacht hat. Ähnlich müssen sich auch Richter Kritik gefallen lassen, wenn ausser einem „Du, Du, Du“ mit erhobenem Zeigefinger Gewalt gegen Amtsträger nicht geahndet wird. Ja doch, die Justiz ist unabhängig, muss sie auch bleiben. Dennoch stehen Gerichte und Richter nicht ausserhalb jeglicher Kritik. Allerdings sind viele Abgeordnete offenkundig unfähig, klare Gesetze zu machen. Da werden Höchststrafen erhöht, um Gewalt einzudämmen. Was jedoch an der Praxis nicht viel ändert. Frust, Zorn, Enttäuschung und häufig innere Kündigung bei den betroffenen Polizisten, Feuerwehrleuten, Rettungssanitätern usw. werden befördert. Wenn ein verantwortungsvoller Abgeordneter, Senator, Minister hier wirksam werden und sich nicht nur durch Sabbelei einen schlanken Fuß machen will, dann gibt es innerhalb der Behörde eine glasklare Ansage, deren Umsetzung kontrolliert wird –
und Abgeordnete machen beispielsweise ein Gesetz, in dem nicht eine neue Höchststrafe eingesetzt wird, von der prinzipiell ohnehin jeder weiß, dass sie so gut wie nie angewandt wird, sondern eine Mindeststrafe wird festgesetzt , die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
Huuuh, wo bleibt die law and order Keule bzw. die Etikettierung als rechts? Denn an diesem Punkt wird die Debatte spannend. Weil sehr schnell klar wird,
was wirklich gewollt wird bzw. wer was will. Wenn ein Argument lautet, „wir haben genug Gesetze und ausreichende rechtliche Möglichkeiten. Wir müssen sie nur anwenden“, sie aber nicht angewandt werden, gehen wir dann mit einem Schulterzucken zur Tagesordnung über? Oder sorgen wir dafür, dass die Gesetze angewendet werden von denen, die dafür bezahlt werden und darauf einen Eid geleistet haben? Zum Beispiel, indem ihnen wie oben geschildert die Möglichkeit genommen wird, sich zu drücken, wegzuducken, weil der Gesetzgeber sich nicht unmissverständlich ausgedrückt und zu viel Spielraum gelassen hat. Was zur Frage führt, wieviel Spielraum soll denn eigentlich ein Gewalttäter haben, der Amtsträger angreift? Das in diesem Zusammenhang gern, oft und markig bemühte Wort „Nulltoleranz“ ist klar, eindeutig, unmissverständlich. Es lässt keine Ausnahme oder Abschwächung zu. Die Nichtbeachtung, Nichtanwendung der Nulltoleranz ist logische Folge der schwafelnden Sonntagsredner, die zulassen, dass Teile des Staatsapparates folgenlos ihre Arbeit nicht machen. Mithin, es ist von öffentlichem Interesse, dass die Staatsanwaltschaft und möglicherweise, vielleicht – wenn’s passt – sogar Justizminister und -senatoren ihren Job machen und dem Recht zum Recht verhelfen.
Es ist aufschlussreich sich das juristische Personal anzusehen. Auffallend viele junge Frauen streben in die Staatsanwaltschaft. Warum, was wollen sie dort erreichen, für sich und die Gesellschaft? Zahlreiche völlig unangemessene Verhaltensweisen, zumeist jüngerer Männer oftmals mit arabisch-muslemischem Hintergrund, werden nicht angeklagt. Die offiziellen Begründungen kennen wir, aber gibt es auch eine andere gefühlte Ebene? Die Täter verachten unser Rechtssystem und sind gelegentlich Gewalttätig. Spielt: Wir wissen wo du wohnst! eine Rolle oder sind es andere unterschwellige Befürchtungen? Man weiß es nicht, aber das Justizpersonal besteht nicht aus Automaten: oben Vergehen /Verbrechen rein und unten die passende Strafe raus. Es gibt offenkundig auch beliebige Entscheidungsmöglichkeiten, wie die o.g. Beispiele belegen. Das ist unser unbestechlicher Staatsapparat. Alles Lüge? Welche vorherrschenden parteipolitischen Mainstream-Meinungen prägen die tatsächlichen Anwendungen der Gesetze – Objektivität ist ein Fremdwort, wenn die gesellschaftlichen Folgen ausgeblendet werden.