Patient fasst Sanitäterin an Brust – Verfahren „mangels öffentlichen Interesses“ eingestellt

16.05.2025 7 Von Axel Schuller

Liebe Leserinnen und Leser. Wir müssen reden. Retter wie Sanitäter, Feuerwehrleute und sogar Polizisten sind nicht mehr vor Bedrohungen und tätlichen Angriffen sicher. Am schlimmsten: Die Staatsanwaltschaft Bremen stellt Verfahren gegen Beschuldigte immer wieder mit zwei – wie ich finde – abseitigen Begründungen ein: Es bestehe „kein öffentliches Interesse“ an der Verfolgung. Und: Der Vorfall liege lange zurück. Die Folge: Helfer stellen keine Anzeigen mehr. „Hat ja eh keinen Zweck.“ Liebe Leserschaft, dies gefährdet letzten Endes den Respekt vor dem Staat – auf beiden Seiten.

Eine Rettungssanitäterin berichtet: „Ein Patient hat mir 2024 während der Untersuchung gezielt mehrfach in den Schritt und an den Hintern gefasst. Ich habe dies nicht angezeigt, weil mir 2021 ein anderer Patient an die Brust gegriffen hatte, und dieses Verfahren wegen ‚mangelnden öffentlichen Interesses‘ eingestellt worden war.“

Ein Polizist zeigte mir den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft: „Nach dem Ermittlungsergebnis ist die Schuld als gering anzusehen. Auch das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung gebietet es nicht, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen“. Zum Hintergrund: Ein Mann hatte sich „extrem stark“ (also körperlich) gegen seine Festnahme gewehrt. Dazu später Details, die Ihren Adrenalinspiegel vermutlich noch mehr in die Höhe schnellen lässt. (*Siehe weiter unten)

Ein Rettungssanitäter berichtet, wie er mit zwei Kollegen auf dringlicher Rettungsfahrt (Verdacht: tödliches Kohlenmonoxid strömt in einem Wohnhaus im Viertel aus) von einem – ich würde sagen – „Hirni“ – aufgehalten wurde.

Als die Rettungssanitäter angefordert wurden, fuhren sie gerade auf dem Ostertorsteinweg stadteinwärts. Falsche Richtung. Also Wendemanöver bei der Hofeinfahrt zu Flamme-Möbel. Beim Zurücksetzen – ein Rettungswagen ist auf dem O-Weg nicht in einem Zug zu wenden – fuhr ein Porsche Panamera so dicht vor den Sani-Wagen, dass dieser weder vor noch zurück konnte. Obwohl die Retter Blaulicht und Martinshorn eingeschaltet hatten.

Der Rettungssanitäter schrieb in seiner Anzeige:

„Ich signalisierte dem Fahrer mit einer Handbewegung, dass er zurücksetzten soll, damit wir unsere Einsatzfahrt fortsetzen können. Zu diesem Zeitpunkt war weder ein KFZ hinter dem Porsche, noch Fußgänger oder Fahrradfahrer. Das Zurücksetzen wäre somit für ihn ohne Probleme möglich gewesen.

Der Fahrer des Porsche reagierte jedoch nicht. Nach einigen Sekunden schaltete ich die Presslufthorn-Tonfolgeanlage ein, um zusätzlich zu dem eingeschalteten blauen Blinklicht zu signalisieren, dass wir uns in einem Einsatz befinden und höchste Eile geboten ist.

Auch auf das Signalhorn reagierte der Fahrer des Porsche zunächst nicht. Die Tonfolge (Dauer je Tonfolge ca. 4 Sekunden) lief drei Mal, bis der Fahrzeugführer des Porsche zurücksetzte und ich den Wendevorgang abschließen und die Einsatzfahrt fortsetzen konnte.

Beim Vorbeifahren an der Fahrerseite des Porsche, guckte der Fahrer mich an und rief aus dem geöffneten Fenster: „Fick deine Mutter, du Hurensohn.“

Eine Staatsanwältin stellte das Verfahren (Behinderung der Retter bei Ausübung ihrer Tätigkeit und Beleidigung – „Hurensohn“) vom 26.8.2023 mit Schreiben vom 3.4.2025 ein.

Die Begründung: „Nach dem Ermittlungsergebnis ist die Schuld als gering anzusehen. Auch das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung gebietet es nicht, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Der Beschuldigte ist strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten. Weitere Verfahren sind gegen diesen bei der Staatsanwaltschaft Bremen nicht anhängig.“

Und dann folgt in dem Schreiben der Staatsanwältin ein Satz, der bei Betroffenen nur Kopfschütteln bis blanke Verachtung auslösen kann. Er lautet: „Zudem liegt die Tat bereits geraume Zeit zurück.“

Gerade so, als sei der Anzeigenerstatter selbst Schuld daran, dass die Staatsanwalt zwischen Anzeige und Einstellung des Verfahren ein Jahr und 8 Monate benötigte.

Ähnliches „durfte“ jener Polizist erleben, der bei der Festnahme eines Straftäters (*siehe oben) mit einer heftigen Gegenwehr fertigwerden musste. Seine Anzeige vom 20.5.2022 „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ beschied eine Staatsanwältin am 6.3.2025 mit folgenden Sätzen:

„(…) Die vorgenommenen Widerstandshandlungen sind von geringer Intensität. Der Beschuldigte schlug nicht gezielt in Ihre Richtung, und niemand wurde durch die Handlungen des Beschuldigten verletzt.

Es ist zweifelhaft, ob der Beschuldigte die an ihn gerichtete Belehrung verstanden hat, und die Situation richtig erfassen konnte. Er war zur Tatzeit alkoholisiert und verhielt sich physisch auffällig.

Überdies liegt die Tat bereits lange zurück.

Der Beschuldigte ist nicht einschlägig vorbestraft und es sind keine weiteren Verfahren gegen ihn anhängig.

Ich habe deshalb von der weiteren Verfolgung der Straftat (…) abgesehen.“

Nota: Auch hier weist die Staatsanwaltschaft wieder auf den zeitlichen Abstand von Anzeige und Verfahrensende (fast zwei Jahre!) hin – als ob der Polizist daran schuld sei.

Zur besseren Einordnung dieses konkreten Falles: Bei dem jungen Beschuldigten handelte es sich – nach Auskunft des Polizisten – „um einen der Polizei mehrfach bekannten (Raub, Diebstahl, Körperverletzung) unbegleiteten Flüchtling“.

Der Polizist berichtete ferner, dass mehrere Kollegen keine Anzeigen mehr erstatteten, weil „eh nix dabei rauskommt“. In Polizeikreisen erzählt man sich sogar, es sei kein einziger Fall in Erinnerung, in dem Polizisten angegriffen und Täter dafür bestraft worden seien. KEINER.

Diese mir eindringlich geschilderten Fälle stehen im krassen Widerspruch zu offiziellen Äußerungen von Politikern (Bundestag) und Vorgesetzten, wie dem Bremer Polizeipräsidenten. Im Februar 2020 bat der damalige Polizeichef Lutz Müller Vertreter von Rettungsdiensten, Feuerwehr und Polizei sowie den leitenden Oberstaatsanwalt zum Gespräch. Thema: Gewalt gegen Einsatzkräfte. Fazit laut eines internen Protokolls: Die Chefs von Polizei und Staatsanwaltschaft erklärten: „Keine Toleranz bei Gewalt gegen Einsatzkräfte. Alles, was angezeigt wird, wird auch strafrechtlich verfolgt.“

Liebe Leserinnen und Leserinnen, ich wollte Ihnen mit diesem Bericht aus der Wirklichkeit nicht das nahende Wochenende versauen.

Ich hoffe sehr, dass Politiker, aber auch verantwortungsvolle Mitarbeiter in den zuständigen Bremer Behörden den Boden dafür bereiten, dass Sanitäter, Feuerwehrleute, Polizisten (alle m/w) Mut fassen, die steigende Zahl an Übergriffen auf Einsatzkräfte allesamt anzuzeigen. Dies funktioniert aber nur, indem  die Justiz die Fälle tatsächlich verfolgt und ahndet.

Täter UND Opfer müssen wissen: Unser Staat duldet keinerlei Angriffe gegen Retter! Weder verbal, noch tätlich.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller