Arbeitsbehörde versagt bei Zwangsabgabe – und Grüne Handwerker-Träume…

25.05.2025 5 Von Axel Schuller

Was, um Gottes Willen, ist bloß mit der Bremer Verwaltung los. Jetzt kriegen sie noch nicht mal den politisch mit der Brechstange durchgesetzten Ausbildungsfonds pünktlich aufs Gleis. Wenn’s nicht so unsäglich traurig wäre, könnte man glatt loswiehern. Fürs i-Tüpfelchen sorgten diese Woche die Grünen. Sie fordern ein „Handwerksjahr“ nach Lübecker Vorbild. Aber: Leider, leider kümmert sich die Lübecker Handwerkskammer um völlig andere Jugendliche als jene, die das Bremer Bildungssystem in die freie Wildbahn entlässt.

Aber der Reihe nach. Das Bremer Arbeitsressort der Senats-Unglücksräbin Dr. Claudia Schilling (SPD) musste diese Woche eingestehen: Die Bescheide für den (von Bremer Unternehmern schier verhassten ) Ausbildungsfonds würden angesichts erheblicher technischer Probleme erst im Juni und dann auch nur per (Schnecken-)Post verschickt.

Die Handelskammer war umgehend auf der Zinne: „Genau vor diesem Verwaltungschaos haben wir von Anfang an gewarnt. Das angeblich schlanke digitale Erhebungsverfahren ist auf ganzer Linie gescheitert.“

Der eigentlich für seine eher umgängliche Art bekannte Präses André Grobien polterte los:

„Ich bin fassungslos. Hier wird mit Steuergeld ein riesiger Aufwand betrieben und eine maximale Bürokratie aufgebaut. Abgesehen davon, dass dies für Steuerzahler und Unternehmen extrem ärgerlich und teuer ist, zeigt sich daran auch: Mit der Digitalisierung der Verwaltung ist es in Bremen in der Praxis leider immer noch nicht weit her.“

Zur Erinnerung: Bremen ist bislang das einzige (aber natürlich mega-wichtige) von 16 Bundesländern, das alle Betriebe ab einer ArbeitnehmerBruttolohnsumme von 135.000 Euro zwingt, 0,27 Prozent von dieser Summe in einen „Ausbildungsunterstützungsfonds“ einzuzahlen. Im Gegenzug erhalten Firmen, die Ausbildungsplätze besetzen, 2.250 Euro pro Lehrling aus dem Topf zurück.

Was die Firmenbosse so wütend macht: Diese Abgabe müssen alle zahlen, auch wenn sie trotz aller nachweisbaren Anstrengungen keine Auszubildenden finden – wie Bäcker, Metzger, Restaurants…

Außerdem entlässt das Bremer Bildungssystem jedes Jahr 10 Prozent seiner Absolventen ohne Schulabschluss. Damit liegt Bremen bundesweit an der (traurigen) Spitze. Übrigens genauso verlässlich, wie Bremer Schüler bei Leistungstests auf dem letzten Platz landen.

Die Grüne Bürgerschaftsfraktion hat sich nun – siehe Weser-Kurier vom 22. Mai – ein echt gut funktionierendes Ausbildungsprogramm in Lübeck angeschaut und möchte dieses ihren Koalitionären von SPD und Linken für Bremen schmackhaft machen.

Das Zauberwort heißt: „Handwerksjahr“.

Der WK berichtete: „Hintergrund des Vorstoßes ist die weiterhin hohe Zahl Bremer Jugendlicher, die die Schule ohne Anschlussperspektive verlassen, weil sie im Grunde nicht ausbildungsreif sind.“

Der Grüne Fraktionschefin Dr. Henrike Müller sagte dem Blatt:

„Gleichzeitig fehlen insbesondere dem Handwerk dringend junge Nachwuchskräfte.“ (…) Das in Lübeck angebotene „Handwerksjahr“ mit seinem niedrigschwelligen Qualifizierungsangebot verbinde Einblicke in verschiedene Berufe mit pädagogischer Begleitung, schulischer Förderung und beruflicher Orientierung.“

Der WK weiter: „Zentrale Elemente sind Einsätze in den Betrieben (viermal drei Monate in unterschiedlichen Gewerken) und eine pädagogische Begleitung der Teilnehmer, um deren individuelle Probleme zu bearbeiten. Die Jugendlichen werden im Rahmen des Projekts auf einen Übergang in eine reguläre Berufsausbildung vorbereitet. Aus Sicht der Grünen könnte das „Handwerksjahr“ mit Mitteln des Ausbildungsfonds finanziert werden.“

bremensogesehen, liebe Leserschaft, geht (wie Sie offenbar zu schätzen wissen) gern an die Wurzel der von Medien transportierten Nachrichten.

Hier die Antworten der Handwerkskammer Lübeck auf meine Anfrage:

1. Wer kommt für die 450 Euro Aufwandsentschädigung zugunsten der Jugendlichen auf? Der Betrieb oder die öffentliche Hand?

HWK Lübeck: Die Jugendlichen erhalten 450 Euro brutto Aufwandsentschädigung monatlich von den Betrieben.

2. Müssen die Jugendlichen über einen Schulabschluss verfügen?

HWK: Für die Teilnahme am Freiwilligen Handwerksjahr (FHJ) ist der Abschluss an einer Regelschule erforderlich – ESA (Erster Allgemeiner Schulabschluss), MSA (Mittlerer Schulabschluss) und Abitur.

3. Werden die Jugendlichen in der Zeit pädagogisch begleitet?

HWK: Vor dem Start erhalten die Jugendlichen eine Berufsberatung. Dabei werden die Berufswünsche besprochen und (falls nötig) eine vertiefte Berufsberatung mit Stärken- und Interessenanalyse durchgeführt. Während des FHJ werden die Jugendlichen organisatorisch begleitet.

Liebe Grüne Fraktion: Wie kommen Sie auf die sicher gut gemeinte Idee, das Freiwillige Handwerksjahr á la Lübeck tauge auch nur ansatzweise für Bremer Schulabgänger, die laut Lehrherren und -frauen (selbst wenn sie über einen Schulabschluss verfügen) nicht immer gut rechnen, schreiben und lesen können? Und, wie sollen ausgerechnet Schulabgänger ohne Abschluss in das Lübecker Raster passen?

Die Schlecht-Leistung der Bremer Arbeitsbehörde bei Einführung der unsinnigen Bremer Ausbildungs-Zwangsabgabe ist ja schon himmelschreiend grausam, aber die fröhliche Naivität der Grünen macht schon etwas sprachlos.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: In meinem Stück über die von der SPD-Fraktion gefeierten FreiKarte für alle 0- bis 18-Jährigen („Geld zum Fenster raus…, 20.5.2025) hatte ich versprochen, die Kosten einer „repräsentativen Umfrage“ der SPD zur FreiKarte nachzuliefern. Leider macht die mit Steuergeldern finanzierte SPD-Fraktion auf „toter Mann“, beantwortet mehrfache Anfragen nicht. Ich bleibe dran… Versprochen!