Arbeitsbehörde versagt bei Zwangsabgabe – und Grüne Handwerker-Träume…
Was, um Gottes Willen, ist bloß mit der Bremer Verwaltung los. Jetzt kriegen sie noch nicht mal den politisch mit der Brechstange durchgesetzten Ausbildungsfonds pünktlich aufs Gleis. Wenn’s nicht so unsäglich traurig wäre, könnte man glatt loswiehern. Fürs i-Tüpfelchen sorgten diese Woche die Grünen. Sie fordern ein „Handwerksjahr“ nach Lübecker Vorbild. Aber: Leider, leider kümmert sich die Lübecker Handwerkskammer um völlig andere Jugendliche als jene, die das Bremer Bildungssystem in die freie Wildbahn entlässt.
Aber der Reihe nach. Das Bremer Arbeitsressort der Senats-Unglücksräbin Dr. Claudia Schilling (SPD) musste diese Woche eingestehen: Die Bescheide für den (von Bremer Unternehmern schier verhassten ) Ausbildungsfonds würden angesichts erheblicher technischer Probleme erst im Juni und dann auch nur per (Schnecken-)Post verschickt.
Die Handelskammer war umgehend auf der Zinne: „Genau vor diesem Verwaltungschaos haben wir von Anfang an gewarnt. Das angeblich schlanke digitale Erhebungsverfahren ist auf ganzer Linie gescheitert.“
Der eigentlich für seine eher umgängliche Art bekannte Präses André Grobien polterte los:
„Ich bin fassungslos. Hier wird mit Steuergeld ein riesiger Aufwand betrieben und eine maximale Bürokratie aufgebaut. Abgesehen davon, dass dies für Steuerzahler und Unternehmen extrem ärgerlich und teuer ist, zeigt sich daran auch: Mit der Digitalisierung der Verwaltung ist es in Bremen in der Praxis leider immer noch nicht weit her.“
Zur Erinnerung: Bremen ist bislang das einzige (aber natürlich mega-wichtige) von 16 Bundesländern, das alle Betriebe ab einer Arbeitnehmer–Bruttolohnsumme von 135.000 Euro zwingt, 0,27 Prozent von dieser Summe in einen „Ausbildungsunterstützungsfonds“ einzuzahlen. Im Gegenzug erhalten Firmen, die Ausbildungsplätze besetzen, 2.250 Euro pro Lehrling aus dem Topf zurück.
Was die Firmenbosse so wütend macht: Diese Abgabe müssen alle zahlen, auch wenn sie trotz aller nachweisbaren Anstrengungen keine Auszubildenden finden – wie Bäcker, Metzger, Restaurants…
Außerdem entlässt das Bremer Bildungssystem jedes Jahr 10 Prozent seiner Absolventen ohne Schulabschluss. Damit liegt Bremen bundesweit an der (traurigen) Spitze. Übrigens genauso verlässlich, wie Bremer Schüler bei Leistungstests auf dem letzten Platz landen.
Die Grüne Bürgerschaftsfraktion hat sich nun – siehe Weser-Kurier vom 22. Mai – ein echt gut funktionierendes Ausbildungsprogramm in Lübeck angeschaut und möchte dieses ihren Koalitionären von SPD und Linken für Bremen schmackhaft machen.
Das Zauberwort heißt: „Handwerksjahr“.
Der WK berichtete: „Hintergrund des Vorstoßes ist die weiterhin hohe Zahl Bremer Jugendlicher, die die Schule ohne Anschlussperspektive verlassen, weil sie im Grunde nicht ausbildungsreif sind.“
Der Grüne Fraktionschefin Dr. Henrike Müller sagte dem Blatt:
„Gleichzeitig fehlen insbesondere dem Handwerk dringend junge Nachwuchskräfte.“ (…) Das in Lübeck angebotene „Handwerksjahr“ mit seinem niedrigschwelligen Qualifizierungsangebot verbinde Einblicke in verschiedene Berufe mit pädagogischer Begleitung, schulischer Förderung und beruflicher Orientierung.“
Der WK weiter: „Zentrale Elemente sind Einsätze in den Betrieben (viermal drei Monate in unterschiedlichen Gewerken) und eine pädagogische Begleitung der Teilnehmer, um deren individuelle Probleme zu bearbeiten. Die Jugendlichen werden im Rahmen des Projekts auf einen Übergang in eine reguläre Berufsausbildung vorbereitet. Aus Sicht der Grünen könnte das „Handwerksjahr“ mit Mitteln des Ausbildungsfonds finanziert werden.“
bremensogesehen, liebe Leserschaft, geht (wie Sie offenbar zu schätzen wissen) gern an die Wurzel der von Medien transportierten Nachrichten.
Hier die Antworten der Handwerkskammer Lübeck auf meine Anfrage:
1. Wer kommt für die 450 Euro Aufwandsentschädigung zugunsten der Jugendlichen auf? Der Betrieb oder die öffentliche Hand?
HWK Lübeck: Die Jugendlichen erhalten 450 Euro brutto Aufwandsentschädigung monatlich von den Betrieben.
2. Müssen die Jugendlichen über einen Schulabschluss verfügen?
HWK: Für die Teilnahme am Freiwilligen Handwerksjahr (FHJ) ist der Abschluss an einer Regelschule erforderlich – ESA (Erster Allgemeiner Schulabschluss), MSA (Mittlerer Schulabschluss) und Abitur.
3. Werden die Jugendlichen in der Zeit pädagogisch begleitet?
HWK: Vor dem Start erhalten die Jugendlichen eine Berufsberatung. Dabei werden die Berufswünsche besprochen und (falls nötig) eine vertiefte Berufsberatung mit Stärken- und Interessenanalyse durchgeführt. Während des FHJ werden die Jugendlichen organisatorisch begleitet.
Liebe Grüne Fraktion: Wie kommen Sie auf die sicher gut gemeinte Idee, das Freiwillige Handwerksjahr á la Lübeck tauge auch nur ansatzweise für Bremer Schulabgänger, die laut Lehrherren und -frauen (selbst wenn sie über einen Schulabschluss verfügen) nicht immer gut rechnen, schreiben und lesen können? Und, wie sollen ausgerechnet Schulabgänger ohne Abschluss in das Lübecker Raster passen?
Die Schlecht-Leistung der Bremer Arbeitsbehörde bei Einführung der unsinnigen Bremer Ausbildungs-Zwangsabgabe ist ja schon himmelschreiend grausam, aber die fröhliche Naivität der Grünen macht schon etwas sprachlos.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: In meinem Stück über die von der SPD-Fraktion gefeierten FreiKarte für alle 0- bis 18-Jährigen („Geld zum Fenster raus…, 20.5.2025) hatte ich versprochen, die Kosten einer „repräsentativen Umfrage“ der SPD zur FreiKarte nachzuliefern. Leider macht die mit Steuergeldern finanzierte SPD-Fraktion auf „toter Mann“, beantwortet mehrfache Anfragen nicht. Ich bleibe dran… Versprochen!
Über die völlig unsinnige und vor allem ungerechte Ausbildungsabgabe ist ja schon viel geschrieben worden. Man muss wohl den Hintergrund verstehen: die Armut und auch die Bildungsarmut in Bremen ist die Basis, man könnte auch Daseinsberechtigung sagen, für eine stark ausdifferenzierte und wirkmächtige Verwaltungs- und Betreuungsbürokratie, die finanziert werden will. Auch dazu wird die Ausbildungsabgabe in Zeiten der Schuldenbremse benötigt. Mit dem Ausbildungsfonds sollen viele Massnahmen finanziert werden, die heute schon z.B. von der Jugendberufsagentur bereitgestellt werden. Wer jetzt noch nach der Evaluierung, also der Überprüfung von Wirksamkeiten einzelner Maßnahmen fragt, wird enttäuscht, denn die gibt es nicht. Wie auch: der Ausbildungsfonds rechnet mit jährlichen Einnahmen von ca. 30 Mio. €. Wenn man das durch die ca. 300 Jugendliche teilt, die Nutznießer des Fonds werden sollen, kommt man auf einen schönen Betrag, den sich bitte hier jeder selbst errechnen mag… Wo wird der wohl landen?
Die GRÜNEN träumen sich seit Jahren eine Welt zusammen, die es im realen Leben nicht gibt. Der heutige Stellv. Fraktionsvorsitzende, Philipp Bruck, hat vor einigen Jahren gefordert, auf dem Straßenbegleitgrün (so heißen die Streifen, die die Straßen säumen) endlich Gemüse anzupflanzen. Eine „essbare Stadt“ sollte entstehen. Ich habe darauf hingewiesen, dass mein Hund täglich mehrmal seine Geschäfte genau auf diesen grünen Flächen erledigt. Auch wenn ich die Hinterlassenschaften entferne, bleibt doch etwas hängen. Bemühen Sie, liebe Leserin und Leser ihre Phantasie! Die GRÜNEN haben nicht geantwortet, aber wenigstens hat Herr Bruck die Forderung auch nicht wiederholt.
Nun ja, in Anlehnung an Karl Kraus („Es genügt nicht, keine Gedanken zu haben. Man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken.“) könnte es hier heißen: es genügt nicht, doofe Ideen zu haben. Man muss auch unfähig sein, sie umzusetzen. Lieber Axel Schuller, du irrst ein klitzeklein wenig. Man muss sehr wohl loswiehern. Es ist doch nichts traurig an diesen beiden wunderschönen Beispielen ehrlicher Realpolitik. Genau das wählt die Mehrheit der Bremenden (so heißt das wohl). Bzw. hat gewählt. Es sind offenbar doch genau diese Hanswurstiaden die das breite Publikum entzücken und die Hand in der Wahlkabine führen. Politik muss doch nicht immer ernst sein. Nein, ein bisschen Spaß muss sein. Da stand der Stadtstaat Berlin Pate. Aus Wowis „arm aber sexy“ macht die Gute-Laune-Combo von Bovi „doof aber lustig“. Wobei doof nicht blöd ist. Bei den klassischen Clownsnummern im Zirkus ist der ernste Weißclown nur scheinbar der kluge. Der bunte Dumme August kriegt zwar das Wasser über den Kopf, stolpert etc. Aber wer bekommt den Beifall und wen wollen die Kinder sehen? Gelle? Ein Schelm wer Böses dabei denkt. Nicht selten hat Irrsinn Methode. Wie sagte einer von Trumps Beratern doch sinngemäß? Scheiß die Leute zu mit Unfug. So ähnlich sagte er. Irgendwann sind „die Leute“ so wuschig und weich in der Birne, dass sie oben nicht mehr von unten unterscheiden können. Aber darf man Bovis bunter Slapsticktruppe so viel strategische Gedanken unterstellen? Vielleicht kaspert sie (die Slapsticktruppe) ja auch nur einfach so vor sich hin. So eine Art Polit-Impro. Man weiß es nicht.
Nachtrag zu Karl Kraus: Ja doch, ich weiß, in anderer Lesart heißt es „es genügt nicht, sich keine Gedanken zu machen….“
Herr von Haken, danke für diesen brillanten Kommentar. Immer, wenn ich weinen wollte, musste ich lachen und umgekehrt. Nur mit Ihrer Art von Humor werden Bremer Politik und Wahlverhalten aushaltbar. Ein Ende würde dieser Irrsinn mit Methode wohl nur finden, wenn ihm die Landesbühne entzogen würde und er nur noch kommunales Porzellan zerschlagen könnte.
Ich werde einfach den Verdacht nicht los, dass die 10% ohne Schulabschluss, die erschütternden Leistungsquoten (siehe PISA), die fehlenden Fähigkeiten beim Rechnen, Schreiben, Lesen gewollt sind. Dazu gehören natürlich auch bestimmte Geschenke, siehe Freikarte für den Nachwuchs!!
Könnte es sein, dass man sich so sein Wahlvolk erzieht? Wir deshalb schon Jahrzehnte von einer sozial… Partei in Bremen regiert werden?