Zwei Klagen – scheitert Bremens unfertige Bahnwerkstatt-Planung vor Gericht?

28.05.2025 8 Von Axel Schuller

Heute unternehmen wir eine Reise: Wir starten in Bremen und „fahren“ bis nach „Tripple B“: Brüssel, Berlin, Bremerhaven. Zunächst folge ich meiner Vorliebe für Zahlen: Im Bremer Holz-, Fabriken- und Industriehafen sitzen (neben ArcelorMittal) 10 Firmen mit einem Jahresumsatz (laut Bundesanzeiger) von 6,5 Milliarden Euro, 5.000 Mitarbeitern und einem Steueraufkommen von rund 40,5 Millionen Euro. Diese Firmen wehren sich mit Händen und Füßen dagegen, dass Bremen den reibungslosen Warenfluss dieser Unternehmen aufs Spiel setzt. Deshalb klagen Sie jetzt gegen die Hansestadt.

Ja, es geht noch einmal um die geplante Bahnwerkstatt von Alstom in Oslebshausen. Die Stadt hat inzwischen den Planfeststellungsbeschluss gefasst, ohne ein gesondertes, unabhängiges Gutachten einzuholen über die Belastbarkeit der bloß eingleisigen Zufahrt zu den innerstädtischen Häfen, zur Bahnwerkstatt – und zum Stahlwerk, das in meine Addition der Wirtschaftskraft der zehn Kläger-Firmen nicht einmal eingeflossen ist, da es sich (als künftiger Subventionsempfänger?) nicht an der Klage beteiligt.

Zur Erinnerung: Die Handelskammer hatte den Senat dringlichst aufgefordert, das Planfeststellungsverfahren anzuhalten, um die Auswirkungen der Bahnwerkstatt auf die Abläufe des Hafen- und des gesamten Bremer Bahnbetriebs von unabhängigen Experten prüfen zu lassen. Die Anrainer-Firmen hatten frühzeitig mit juristischer Gegenwehr gedroht.

Die zehn Bremer Hafen-Firmen stellen sich laut deren Sprecher Berend Erling übrigens nicht grundsätzlich gegen die Bahnwerkstatt. Aber sehr wohl dagegen, dass der gesamte Bereich lediglich über ein einziges drei Kilometer langes Gleis ( Streckenabschnitt 1422) erreichbar sein soll.

Die Forderung der Unternehmen: Entweder wird die Strecke um ein zweites Gleis erweitert, oder am anderen Ende wieder direkt an die Oldenburger Kurve angebunden.

Diese Schienen in der Lloydstraße gab es früher, waren aber ohne Absprache mit den Firmen entfernt worden.

Nur mal so am Rande: In der Ausschreibung für den Standort der Bahnwerkstatt war eine zweigleisige, elektrifizierte Zufahrt als MUSS vorgeschrieben worden…

Die Bremer Verwaltung hat beim Planfeststellungsbeschluss offenbar außer Acht gelassen, dass die (bislang) einspurige Strecke vom/zum Hafengebiet und ArcelorMittal in die regulären Fahrpläne auf der Strecke Bremen – Bremerhaven eingebunden werden muss. Die Beamten hatten ihren Fokus ausschließlich auf das Grundstück der geplanten Werkstatt gelegt. Die Kläger meinen und begründen: Das reicht nicht.

Liebe Leserschaft, ich gehöre bekanntlich nicht zur Gruppe der Militärfans, gleichwohl habe ich mir den Blick für die Realität bewahrt.

Und die Wirklichkeit sieht so auf: In Brüssel warb jüngst Kommissionschefin Ursula von der Leyen dafür, angesichts der Weltlage unbedingt die militärisch strategisch wichtigen West-/Ost- sowie die Nord-/Süd-Verbindungen in Europa zu beachten – und in den besten Zustand zu versetzen.

Nord-/Süd-Verbindung – klingelt’s bei Ihnen? Dazu gehört natürlich auch die Strecke von Bremen nach Bremerhaven. Die Seestadt spielt für die militärische Logistik eine zentrale Rolle. Für die USA, für Deutschland und für die Nato. Die CDU-Bürgerschaftsfraktion besuchte jüngst das Baltikum und dort die ersten deutschen Soldaten der künftig 5.000 Köpfe umfassenden Brigade der Bundeswehr in Litauen.

Was meinen Sie wohl, wie diese Soldaten an der Nato-Ostflanke mit schwerem Gerät ausgerüstet werden? Woher kommt das? Genau, es wird auch in Bremerhaven angelandet.

Bereits heute gibt es Verzögerungen auf der Strecke Bremen-Bremerhaven. Auto-Transportzüge, ja selbst Waggons mit Militärgütern stehen zuweilen längere Zeit auf innerstädtischen Bremer Strecken herum. Dazu sollen künftig zig Leerfahrten von Regionalzügen hinzukommen, die Alstom in Oslebshausen auf dem ehemaligen Gräberfeld sowjetischer Soldaten und Zwangsarbeiter in Schuss halten will.

Der ehemalige Verkehrsminister Volker Wissing hatte vor nicht langer Zeit bei „Maischberger“ eindringlich dafür geworben, Autobahnen und Gleise auch unter dem Gesichtspunkt der Verteidigungsfähigkeit des Landes funktionsfähig zu machen bzw. zu halten.

All dies hat die Bremer Planer offenbar nicht angefochten.

Die Mängel dürften den Mitarbeitern in der Bremer Verwaltung demnächst aller Voraussicht nach um die Ohren fliegen.

Bevor ich es vergesse, hier noch die klagenden Firmen:

Roland Mills, J. Müller, Diersch + Schröder, Vollers Group, Ambrian Energy GmbH, Container Service Friedrich Tiemann, Griepe Container, Nehlsen AG, Weserport GmbH und TSR Deutschland GmbH sowie die Initiative Stadtbremische Häfen (ISH). Sie haben eine renommierte Hamburger Kanzlei mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt.

Diese Verwaltungsrechtler führen die Behörde – so höre ich – in ihrer Klageschrift regelrecht vor. Sie bemängeln nicht nur die fehlenden, unabhängigen Gutachten zur Erreichbarkeit der Häfen, sondern monieren offenbar so Elementares wie: Dass die Einwände der Hafenbetriebe und der Initiative bei dem Planfeststellungsverfahren unbeachtet geblieben seien.

Ein Schreiben der ISH, laut Zeugen pünktlich zugestellt von Dr. Heiner Heseler – Geschäftsführer der ISH und früherer Häfen-Staatsrat – sei in den Beratungen zum Planfeststellungsverfahren komplett unter den Tisch gefallen. Ebenso die vorhandene Grundstücks-Alternative für eine Bahnwerkstatt nahe des Bahnhofes.

Der Hinweis der Juristen, die Behörde habe falsche Klagefristen genannt, ist bloß ein zusätzlicher Seitenhieb.

So, jetzt waren wir bereits in Bremen, Bremerhaven und in Brüssel. Fehlt noch Berlin. Dort ist der Bremer Thomas Röwekamp (CDU) seit neuestem Vorsitzender des Parlamentarischen Verteidigungsausschusses. Röwekamp stammt aus Bremerhaven, weiß sehr wohl um die Bedeutung Bremerhavens als zweitgrößtem deutschen Seehafen und dessen spezieller Rolle für die Verschiffung von Militärgütern der Nato.

Auch auf ihm ruhen nun Hoffnungen der Hafenbetriebe. Der Christdemokrat müsste es in seiner neuen Rolle eigentlich als Aufgabe ansehen, den reibungslosen Fluss der Militär-Logistik nicht nur in Krisenzeiten sicherzustellen.

Übrigens: Sollten die Einwände der Hafenunternehmer und der ISH nicht ausreichen, die Stadt doch noch von ihren aktuellen Plänen abbringen, bildet die Bürgerinitiative Oslebshausen eine zweite Front gegen den Senat. Die Initiative will die Bahnwerkstatt an der Reitbrake grundsätzlich verhindern – und hat ebenfalls eine Klage beim Oberverwaltungsgericht angemeldet.

Finanziert wird diese übrigens von vielen Bürgern des Stadtteiles und von Henrik Sander vom gleichnamigen Einkaufscenter. Dafür greift die Initiative beim juristischen Beistand ganz oben ins Regal. Sie bemüht die bekannte Würzburger Fachkanzlei Baumann, die beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig nicht nur bekannt ist, sondern dort bereits mehrfach für ihre Mandanten erfolgreich war.

Als Steuerzahler dieses Ländchens befürchte ich: Bremens Verwaltung muss sich warm, ganz warm anziehen.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Die SPD-Fraktion geizt leider weiterhin mit Auskünften zu den Kosten ihrer Umfrage zur FreiKarte, sucht ihr Heil weiterhin im Tot-stellen… Ich halte Sie auf dem Laufenden.