Dauer-„Baustellen“ und kein Ende: Stehen Bremer mehrheitlich auf Masochismus?

06.06.2025 6 Von Axel Schuller

In Bremen gibt es tolle Projekte. Einige nur auf dem Reißbrett, andere wurden sogar realisiert. Und dann gibt’s Themen, welche die Stadtverwaltung einfach nicht gebacken kriegt: Domshof-Umgestaltung, Straßenbahn aus der Obernstraße, Haltestelle Domsheide, ÖPNV-Erschließung der Überseestadt und der neueste (furchtbare) Hit: Quartiersgaragen.

Fangen wir mit dem Positiven an: Richtig gut – auch imagemäßig – läuft die High-End-Heiz/Kühlzentrale für den neuen Stadtteil „Überseeinsel“ (Ex-Kellogg’s Gelände) des Großinvestors Dr. Klaus Meier. Beeindruckend: Die Zech-Zentrale am Kopf des Ex-Europahafens. In Planung: 300 Wohnungen der Rolf Specht-Gruppe auf der Überseeinsel (Ex-Rickmers Reismühle). Übrigens auch grandios: Die unglaublich beharrliche Dauer-Sanierung der rund 40.000 Gewoba-Wohnungen. Hervorzuheben: Besiedlung und vielfältige Nutzung des Ex-Brinkmann-Areals (Tabakquartier) in Woltmershausen – mit Hallen für die Bremer Philharmoniker, „Kletterhalle“ und Boulevard-Theater. Und viele weitere Projekte in der ganzen Stadt.

Was Bremen aber weiterhin fehlt: Beispielweise architektonische Highlights wie eine Elbphilharmonie. Daniel Libeskind wollte uns ein neues Wahrzeichen am Brill in Form begrünter Türme schaffen. Doch wir Bremer waren für solch ein extra-ordinäres Bauwerk einfach zu mutlos. Schade.

Damit wären wir bei den Bremer Katastrophen-Dauerbrennern.

In den 70er Jahren gab es zwar Vorschläge (wie in allen normalen Großstädten), die Straßenbahn (vom Viertel bis zum Brill) unter die Erde zu packen. Damals war Bremen noch Geberland(!) im Länderfinanzausgleich, hatte also das notwendige „Kleingeld“ dafür – aber schon damals mangelte es am Mut.

Seitdem quälen wir uns mit der Bahn in der Obernstraße herum. Gutachten um Gutachten zur möglichen Verlegung der Tram in die Martinistraße wurden bestellt, bezahlt und abgeheftet. Am Ende: Alles bleibt wie immer.

Mittlerweile doktert man gefühlt ewig an der notwendigen Erneuerung der Groß-Haltestelle an der Domsheide herum. Die jahrelange Hängepartie geht demnächst vermutlich dank einer Klage des Behindertenbeauftragten in die (unendliche?) Verlängerung. Bremen hat – zumindest bei den Straßenbahnen – den Hang zur Größe. Die Haltestelle an der Domsheide muss deshalb weiter in Richtung Weser (Neustadt) rücken, was Behinderte besonders betrifft.

Warum ist es in dieser immer noch wirklich schönen Stadt eigentlich nicht möglich, den ÖPNV-Hauptverkehr vom Gericht über Violenstraße und Bahnhof sowie via Neustadt um die Obernstraße herumzuführen?

Domshof: Bremen will partout einen großen Platz für Zusammenkünfte vorhalten. Warum muss das unbedingt der Domshof sein? Die Steinwüste Bürgerweide ist nun wirklich nicht zu weit weg. Diesen Parkplatz könnte man problemlos temporär auch für Kundgebungen nutzen.

Der Domshof muss weder per Düne noch mit einem „Café Adlerhorst“ aufgepeppt werden. Gott sei Dank ist dem Senat das Geld dafür ausgegangen…

Alle Wien-Besucher schwärmen vom Flair des Naschmarktes, in München gilt der Viktualienmarkt als Highlight. Ist es wirklich so schwer, gelungene Elemente anderer Einrichtungen auf Bremen zu übertragen? Gerne unter Einbeziehung der Markthalle-Acht-Betreiber, Bremer Gastronomen und erfolgreicher Extras wie „Daisy’s Diner“ in Oyten. Letztgenannter Laden zieht junge Leute geradezu magnetisch an. Für den „Wochenmarkt“ bliebe dennoch genügend Raum. 

Neues Sonder-Thema Quartiersgaragen. Bremen meint nach höchstrichterlichem Urteil, das aufgesetzte Parken komplett unterbinden zu müssen. Also werden in vielen Stadtteilen bis zu 50 Prozent der Parkgelegenheiten „ausradiert“. Doch wohin mit den Autos? Kann ja keiner wegzaubern.

Die Behörde suchte ihr Heil in einer Machbarkeits-Studie von Quartiersgaragen. Ergebnis: angeblich zu teuer. Und jetzt?

Die ersten Straßen in Findorff und in der Neustadt werden dennoch einseitig von parkenden Autos „befreit“. Die Autofahrer weichen (noch) in andere Straßen aus. Das wird aber nicht lange gut gehen. Dann wird unerbittlich um jeden Platz gestritten – hoffentlich friedlich!

Meine Vermutung: Dieses sensible Thema wird die SPD bei der nächsten Bürgerschaftswahl viele, viele Stimmen kosten. Bürgerinitiativen im Viertel und Findorff machen mobil. Selbst im bürgerlichen Schwachhausen rumort es. Dort hat sich gerade die erste Initiative gegen das Abräumen parkender Autos gegründet. „Minus 50% NEIN nicht mit uns“ – den Namen muss man sich wohl merken

Noch ein paar Sätze zur Quartiersgaragen-„Studie“:

Die Ergebnisse dieser Untersuchung werfen aus meiner Sicht mehr Fragen auf als sie Antworten liefert. Da werden weitreichende Aussagen über mögliche Standorte, Kosten und Mietpreis-Korridore auf Grundlage wenig brauchbarer Daten getroffen. Ein Beispiel: In Findorff (25.000 Einwohner) wurden die Äußerungen von gerade einmal 87 Bewohnern ausgewertet. Rechnen Sie mal: 87 von 25.000 sind sagenhafte 0,35 Prozent! Früher sagte man bei solcher Gelegenheit: Ich glaub‘, mein Schwein pfeift.

Bürger wurden nicht repräsentativ ausgewählt und befragt, sondern Menschen konnten sich beteiligen, sofern sie denn von der online-Umfrage erfahren hatten. Diese Art der Meinungserforschung nährt Zweifel an der Seriosität dieser Studie.

Der demokratisch gewählte Beirat wurde erst gar nicht befragt. Unklar blieb, ob die 87 Menschen tatsächlich allesamt in Findorff wohnen und ob sie Autofahrer, also wirklich Betroffene, sind.

Ist dies bereits merkwürdig, wird es noch heftiger, wenn man sich die „Kostenkalkulation“ für mögliche Quartiersgaragen in Findorff anschaut. Demnach errichtet wer auch immer eine Quartiersgarage, und die städtische Brepark betreut diese.

Die Brepark ruft dafür „Bewirtschaftungskosten“ pro Stellplatz und Monat in Höhe von sage und schreibe 60 Euro auf. Leute, geht’s noch? In Berlin kalkuliert man mit 20 bis 25 Euro; was auch noch happig ist.

Will die Brepark die Plätze mit einem Rasierpinsel „fegen“ und Schmutz mit einer Pinzette aufnehmen lassen?

Ungefragter Rat von bremesogesehen: Liebe Bürgerschaftsabgeordnete der Opposition, aber gerne auch mal der Regierungs-Koalition: Da sollten Sie vielleicht doch mal genauer hinschauen…

Blicken wir zum Schluss noch kurz in die Überseestadt. Zur Architektur kann ich mich als Laie nicht inhaltlich äußern. Deshalb nur ein Eindruck: Ich finde die Bebauung teilweise langweilig. Insbesondere Schluchten á la Kommodore-Johnsen-Boulevard – aktuell der angesagteste Poser-Highway.

Bremen baut bekanntlich gerne neue Zentren und kümmert sich erst mit deutlichem Zeitversatz um die verkehrliche Erschließung. Beispiel: Das Güterverkehrszentrum, parallel zum Neustädter Hafen. Vor nunmehr 40 Jahren erfolgreich gegründet – der Autobahnanschluss ist aber immer noch nicht fertig.

Ähnliches spielt sich nun in der Überseestadt ab. Zwischen Ex-Kellogg’s und Zech-Weltzentrale möchte man die Straßenbahn bis zur Europahafen-Einfahrt und dann über das Hafenbecken auf die andere Seite Richtung Großmarkt bis zum ehemaligem Zollturm am Ende des Kommodore-Johnsen-Boulevards führen. Damit die „Bimmelbahn“ aber überhaupt übers Wasser kommt (und noch Segelschiffe drunter durchpassen), ist eine Brücke notwendig. Der Weg dorthin gelingt nur über eine mega-lange Rampe. Die allerdings würde Herrn Meiers schöne neue Überseeinsel mitsamt Rolf Spechts Neu-Siedlung und die grandiosen Neubauten der Zech-Group am Europahafen regelrecht durchschneiden.

Meine Prognose: Daraus dürfte in den nächsten zehn Jahren nix werden. Dabei staut sich der Verkehr schon heute aufgrund der vielen Arbeitnehmer in den Büros der Überseestadt.

Liebe Leserschaft, Bremen hat so viel Gutes zu bieten – macht sich aber das Leben an vielen Stellen unnötig schwer. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass die Bremerinnen und Bremer irgendwie auf diese Art Masochismus stehen…

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller