BEZ-Sonderausgabe: Kulturknete für Linken-Kick / Stahlwerk verstaatlichen / Bommel-Fischer
Achtung, Achtung. Sonderausgabe der Bremer-Ergänzungs-Zeitung (BEZ). Nicht ein, nicht zwei, nein: mehrere Themen, von denen Sie vermutlich wieder nix erfahren haben. Wussten Sie, dass ein linkes Fußballturnier Geld aus dem Kulturetat erhält? Oder, dass die Jungsozialisten endlich die Lösung für die Bremer Stahlwerke gefunden haben? Oder, dass ein interner Zwischenbericht dem Arbeitsressort ein saumäßig schlechtes Zeugnis ausgestellt hat? Oder, dass WK-Co-Chefredakteur Benjamin Piel ausgerechnet „Bommel-Fischer“ als Kronzeugen für die Meinungsvielfalt „seines“ Blattes bemüht hat?
Da sitzt du – und kannst es einfach nicht fassen.
Die Kulturdeputation tagte, erörterte und beschloss. Thema: Wofür mal wieder nicht genug Geld da ist.
Was Sie nicht erfahren haben: Die Kulturdepu setzte mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linke durch, dass ein – laut Eigendarstellung – „einzigartiges Fußballturnier, das die linke Community in Bremen und darüber hinaus verbindet“ mit 7.000 Euro unterstützt wird. Ja, Sie haben richtig gelesen. Die Kulturdeputation hat dies entschieden. Der Trick: Die Antragsteller hatten als „Projektsparte“ den Begriff „Musik“ gewählt.
Knete aus dem Kulturetat erhielten ferner 16 weitere Initiaven aus dem „Bereich Junge Szene/Subkultur“ – 78.533,33 Euro.
Eine Ermittlungsgruppe hat Arbeitssenatorin Dr. Claudia Schilling (SPD) jüngst ein Prüfungs-Zwischenergebnis zum Thema Verbleib des ESF-Mittel vorgelegt, die bekanntlich plötzlich weg waren, obwohl sie bis 2027 reichen sollten. Die Quintessenz der Prüfer: Die Zustände in Sodom und Gomorra müssen im Vergleich zu Schillings Ressort wohl als geordnet und gesittet eingestuft werden. Konkret monierten die vom Ressort selbst eingesetzten Prüfer „Lücken im Kontrollingkonzept“, verschieden IT-Systeme des Arbeitsressorts seien intern nicht verbunden, eine Prozesskontrolle sei „nicht erkennbar“. „Ehrlich“ gesagt: Da kann man Schiss vor dem endgültigen Prüferbericht bekommen.
Leider erfuhren Bezieher von gedruckten „Werken“ nix davon. In diesem Fall hat sich übrigens ButenunBinnen um die Erkenntnisvermittlung verdient gemacht.
ESF – Europäischer Sozialfonds. Klingelt es bei Ihnen? Ihr Kult-Blog bremensogesehen hatte am 3.4.25 berichtet, dass die staatliche Ausbildungswerkstatt einen zweistelligen Millionenbetrag verbraten und keine 100 Jugendlichen zum Berufsabschluss geführt habe. Dies war aber nur ein Projekt des Arbeitsressort, in das fast 200 Millionen an Bundes- und Bremer Mitteln geflossen waren.
Wie gesagt, man kann es nicht fassen.
Das Bremer Stahlwerk ist aktuell echt mies dran. Alte Werksleitung, Senat, IG Metall und viele Regierungspolitiker hatten die rund 3.000 Stahlarbeiter schier besoffen geredet. Die Transformation zum CO2-Freien/armen Stahl – dat löppt schon.
Pustekuchen. Die Linke krähte noch am Tag der Absage durch Mittal: Kapitalismus nervt, der Staat muss den Laden übernehmen. Dann laufe auch die Dekarbonisierung.
Wenig später meldete sich eine gewisse Selin Ece Arpaz zu Wort:
„(…) Das vom Land Bremen bereitgestellte Geld zum klimaneutralen Umbau der Hütte muss jetzt genutzt werden, um die Verstaatlichung des Stahlwerkes voranzutreiben. Das wäre der notwendige Schritt, um Industriearbeitsplätze in Bremen zu sichern und den klimagerechten Umbau voranzutreiben. Unsere Forderung bleibt weiterhin die Demokratisierung von Schlüsselindustrien – für eine sozial gerechte und ökologische Industriepolitik.“
Nun könnte man sagen, na ja, was willst du von der Juso-Landesvorsitzenden anderes erwarten?
Aber, diese 26-jährige Studentin ist nicht nur Lautsprecher:in 🙂 der Jusos, sondern auch Mitglied der SPD-Bürgerschaftsfraktion und dort Mitglied des Fraktionsvorstandes.
Bevor ich’s als Chefredakteur der BEZ vergesse: Irgend etwas davon auf Papier gedruckt gelesen?
Zur halben Ehrenrettung der SPD-Fraktion muss man anfügen, dass deren wirtschaftspolitischer Sprecher Volker Stahmann positiv hervorstach. Er sagte zwar nix zu Arpaz, aber mahnte – durch und durch Realist – Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke), Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche nicht – wie bei ButenunBinnen – öffentlich niederzumachen. Immerhin könne es doch sein, dass Bremen die Bundeswirtschaftsministerin noch als Vermittlerin zu ArcelorMittal benötige.
Ja, und dann entpuppte sich WK-Co-Chefredakteur Benjamin Piel als wahrer Witzbold. Der Bremer SPD-Politiker Arno Gottschalk, Erstunterzeichner des jüngsten SPD-Manifestes für den Frieden, mahnte auf seinem Facebook-Account mehr Meinungsvielfalt im WK an. Ständig schreibe der Berliner Korrespondent von der Notwendigkeit, Deutschland kriegsbereit zu machen. Nie gäbe es eine andere Stimme. In die vielstimmig fb-Diskussion – an der auch ich mich beteiligt habe – kam Piel mit dem Brüller der Woche um die Ecke. Der WK habe doch den Friedensaktivisten Joachim Fischer in einem Beitrag (Ende April) zu Wort kommen lassen.
Echt jetzt? Ausgerechnet „Bommel-Fischer“ musste nun für Piels Theorie herhalten, dass doch nicht nur Militär-Befürworter im WK zu Wort kämen. Herr Fischer, der sich in Redaktionen seinen Beinamen Bommel wegen seiner Kopfbedeckung erworben hat, ist zwar „Friedensaktivist“. Dass er aber irgend eine spezielle Peilung von neuesten US-Waffen auf deutschem Boden hätte, ist mir bis heute nicht bekannt.
Liebe Leserschaft, BEZ gelesen, dabei gewesen. Nein, ich neige bekanntlich nicht zur Übertreibung. Aber manchmal reibe ich mir schon meine kleinen Äugelein, was man alles aus gedruckten Periodika nicht erfährt.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Tipp: Lesen Sie unbedingt die Kommentare zum vorigen Beitrag über Dr. Andreas Bovenschulte. Dort hat sich – u.a. – Ex-WK-, Ex-RB-Redakteur und Ex-MDR-Werbechef Niels von Haken als Autor eines Mini-Polit-Schwanks hervorgetan. Prädikat: lesens- und lachenswert.
Betr.: „Kapitalismus nervt, der Staat muss den Laden übernehmen.“
Statistisch ist Intelligenz normalverteilt. Die Hälfte liegt unter, die andere Hälfte über dem Durchschnitt (Grafik siehe Buch „Mensch, Markt, Macht, Moral„ bei Amazon.) Da Erfolg an Intelligenz geknüpft ist es kaum zu erwarten dass Bürokraten, die in vielen Fällen des sicheren Einkommens wegen dem Staat dienen, in der Lage sind wirtschaftlicher zu arbeiten als der Kapitalismus.
Abkopplung vom Markt ist die Verlagerung wirtschaftlicher Entscheidungen von risikofreudigen Entscheidungsträgern in die mindere Hälfte der IQ-Verteilung. Die Folgen treffen, wie bei der praktischen Umsetzung der Ideale des Marxismus, uns alle. Leider können die politischen Verfechter dieser Ideen nicht mehr in die DDR umziehen um ihre Ideen in der Realität zu überprüfen. Vielleicht hift KI?
Herzlichen Dank verehrter Herr Schuller, für Ihre Beiträge, die immer wieder Licht auf Themen werfen, die der Weser-Kurier leider ausspart. Ihre Hinweise führen uns einmal mehr vor Augen, wie selektiv und oft tendenziös öffentlich geförderte Kulturpolitik in Bremen betrieben wird.
Was wir hier beobachten, ist bezeichnend für ein grundsätzliches Problem: Die Kulturdeputation wird in Teilen als Selbstbedienungsladen verstanden – solange man die richtige Verpackung für das jeweilige Projekt findet, fließen öffentliche Mittel, auch wenn der Nutzen für die Allgemeinheit fragwürdig bleibt. Das eigentliche Problem ist nicht der Einzelne, sondern ein strukturelles Versagen in Strategie, Kontrolle und politischer Führung.
Noch gravierender wird das Bild beim Thema ESF-Mittel im Ressort Schilling. Der Umgang damit steht exemplarisch für eine dysfunktionale Verwaltung, in der sich große Teile nicht mehr durch Kompetenz, sondern durch Orientierungslosigkeit auszeichnen. Es fehlt an strategischer Steuerung – und an der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.
Und schließlich zur Lage rund um die Stahlwerke Bremen: Ich bekomme Angst, wenn ich mir vorstelle, dass solche wirtschaftspolitische TieffliegerInnen wie Frau Aperts oder auch Herrn Wagner in Verantwortung kommen.SPD Funktionäre deren eigene Laufbahnen maßgeblich auf staatlicher Alimentierung basieren. Wer ernsthaft meint, die „Demokratisierung von Schlüsselindustrien“( was das auch immer bedeuten soll?)ließe sich durch ideologische Luftschlösser realisieren, verkennt ökonomische Realität. Staatlicher Dirigismus hat noch nie Wohlstand erzeugt, höchstens Abhängigkeit.
Ich wiederhole es daher nochmal:
Ja, Kapitalismus nerv manchmal, aber Sozialismus tötet!
P.S. Sollte es zu einer Gründung der BEZ kommen, sollten Sie auf alle Fälle Herrn von Haken ins Team holen.Das als Video, unbezahlbar.
Angesichts der Dümmlichkeit des Vorschlags von Frau Arpaz denke ich, dass man künftig einen Test entwickeln sollte, der garantiert, dass nur noch Menschen für die Bürgerschaft kandidieren können, die ein Mindestmaß an technischem, wirtschaftlichen und kulturellem Sachverstand mitbringen. Warum ausgerechnet unser Gemeinwesen in den Händen von völlig Ahnungslosen liegen darf, wohingegen wir unser individuelles Schicksal meistens für ihre Dienste nachweislich qualifizierten Menschen anvertrauen, bleibt ein echtes Paradox unserer demokratischen Auswahlverfahren.