Die Masse muss auf Erdbeeren aus Südeuropa ausweichen / Ein Apotheker packt aus
Haben Sie auch die Freudengesänge wahrgenommen? „Juchhu, der Mindestlohn steigt. Aber nur auf 14,60 Euro zum 1. Januar – das reicht doch nicht.“ Liebe Leserschaft, ich gönne jedem sein Einkommen. Bitte aber auch zu bedenken, wie sich ein höherer Mindestlohn auf das Preisniveau auswirkt – wenn Zeitungs-Austräger, Aushilfen in der Gastronomie, an der Tanke oder als Taxifahrer mehr kriegen. Außerdem: Steigt der Mindestlohn, wollen auch Tarifbeschäftigte mehr Geld haben. Sonst passt es mit dem Lohnabstand nicht mehr.
Viele Unternehmer weisen zwar im direkten Gespräch auf die zwangsläufige Lohn-, Kosten- und Preisrunden hin, die jetzt bevorstehen. Ganz pikant ist übrigens die Situation in Restaurants.
Die Reaktionen der Unternehmerseite fielen nach der Entscheidung der Mindestlohn-Kommission ungewöhnlich verhalten aus.
Ich vermute, dass viele Firmen nach dem enormen politischen Druck mit „dem Schlimmsten“ – 15 Euro ab 2026 – gerechnet hatten. Und nach dem Kompromiss der ML-Kommission halbwegs erleichtert waren.
Bekanntlich hat sich die Kommission darauf geeinigt, den aktuellen Satz von 12,82 ab 2026 auf 13,90 und ab 2027 auf 14,60 Euro zu steigern.
ACHTUNG: Wer in Bremen mit Behörden Geschäfte machen will, muss bereits heute den Bremer Landesmindestlohn von 14,28 Euro zahlen. Und dabei wird es nicht bleiben.
Der Bremer SPD-Landesvorsitzende Falk Wagner macht bereits Stimmung für einen noch höheren Landestarif.
Der Sozialdemokrat:
„Ich finde das Ergebnis enttäuschend. Der Mindestlohn bleibt zu niedrig angesichts gestiegener Lebenshaltungskosten. Ich hätte mir deshalb ein klares Votum für 15 Euro gewünscht. Im Land Bremen werden wir mit dem Landesmindestlohn weiter vorangehen und die bundesweite Debatte um eine gerechte Lohnuntergrenze damit weiter befeuern.”
Na das ist doch fein. Das Hungerleider-Land Bremen, das sich ohne die Krücken (Geld) anderer Länder und des Bundes keine fünf Meter allein bewegen könnte, will den anderen – auch den Geberländern – Beine machen. Was folgt – rein medizinisch – eigentlich auf Größenwahn?
Bezieher des Mindestlohnes freuen sich zurecht auf künftig etwas höhere Einkommen. Den Konsumenten sollte aber klar sein: Deutsche Erdbeeren, Spargel und Kirschen werden in absehbarer Zeit zu Luxusartikeln. Für die Masse ist es da „gut“, dass der Tages-Mindestlohn in Spanien bei aktuell knapp 40 Euro liegt. In Italien gibt’s erst gar keinen ML.
Bezahlbare Erdbeeren, Spargel und Kirschen können also weiter günstig aus Südeuropa importiert werden. Dummerweise mit nicht ganz so umweltfreundlichen Lastwagen…
Noch eine Folge des steigenden ML. Das Abendbier in der Eckkneipe wird ebenfalls teurer. Mal sehen, wie viele Nachtschwärmer sich das auf Dauer leisten können und wollen.
Die Gastronomie steht vor einer besonders pikanten Situation. Sollte die Mehrwertsteuer-Senkung (von 19 auf 7 %) nicht noch am Haushaltsvorbehalt der Bundesregierung (wie schon die Stromsteuersenkung) scheitern, dann benötigt ein Gastronom besondere Kalkulationsfähigkeiten: Bis 2027 plus 13 Prozent höherer Mindestlohn, minus 12 Prozent Mehrwertsteuer. Oh je, welchen Preis kann man da den Kunden vermitteln? Bei ohnehin steigenden Kosten bei Wareneinsatz und Co.
Liebe Leserschaft, zum Schluss noch ein Novum im Blog. Der Apotheker Holger Piekuth konnte sich leider erst verspätet zum Blog vom 22. Juni 2025 melden. Darin ging es (auch) um die Benachteiligung heimischer Apotheken im Vergleich zu den Medizin-Versendern in Nachbarländern. Ich veröffentliche Piekuths kenntnisreichen Einwurf (ausnahmsweise) im Rahmen des heutigen Blogs. Dreht sich ja auch um Arbeitsplätze…
Holger Piekuth (Hanseaten-Apotheke und Apotheke zur goldenen Kugel) schrieb:
„Danke für den Nebenbeitrag über die Apotheken, Herr Schuller. Er spiegelt das wider, was wir Apothekerinnen und Apotheker täglich erleben.
Wenn wir einen Impfstoff von der Schwachhauser Heerstraße in eine Praxis in der Georg-Gröning-Straße bringen, müssen wir einen Temperaturlogger mitführen und die lückenlose Kühlkette dokumentieren. Gleichzeitig dürfen ausländische Versandhändler – meist kapitalstarke Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden, die nicht der Versorgung, sondern ihren Aktionären verpflichtet sind – nahezu jedes verschreibungspflichtige Arzneimittel, das laut Zulassung bei maximal 25 °C gelagert werden muss, im Hochsommer im einfachen Paketfahrzeug über Ländergrenzen verschicken. Kontrolle? Temperaturüberwachung? Nachweis der Lagerbedingungen? Fehlanzeige. Weder deutsche noch niederländische Behörden sind zuständig.
Während wir in Deutschland umfangreiche Anforderungen erfüllen müssen – von vorgeschriebenen Raumgrößen über die ständige Anwesenheit eines Apothekers bis hin zu technischen Standards – agieren diese Versandzentren weitgehend unbeaufsichtigt und außerhalb der Versorgungslogik, die für Apotheken vor Ort selbstverständlich ist.
Wir sind nicht realtitätsfremd: Der Versandhandel ist da und wird bleiben. Was wir fordern, ist Fairness! Kein ungleicher Wettbewerb, sondern gleiche Bedingungen für alle. Momentan konzentrieren sich die ausländischen Versandapotheken auf die gewinnbringenden Bereiche: rezeptfreie Mittel, niedrigpreisige, verschreibungspflichtige Packungen in der Versorgung von Chronikern und Chronikerinnen. Notdienst? Nicht vorgesehen. Rezepturen oder patientenindividuelle Zubereitungen? Fehlanzeige. Versorgung mit Betäubungsmitteln? Ebenfalls nicht. Wir vor Ort sind dagegen gesetzlich verpflichtet, Rezepturen herzustellen – auch wenn sie zeitaufwendig und wirtschaftlich defizitär sind. Wir tragen die Verantwortung, halten qualifiziertes Personal vor, investieren in Beratung, Lagerung und Technik – und erhalten seit 2013 keine Anpassung unserer Vergütung.
Besonders bitter: Apotheken bieten wohnortnahe, familienfreundliche Arbeitsplätze, vor allem für Frauen. Doch durch wachsenden wirtschaftlichen Druck und politische Untätigkeit wird diese bewährte Versorgungsstruktur systematisch geschwächt.
Wir fordern gleiche Spielregeln. Wenn es ernst wird, zählen die Apotheken vor Ort mit Fachwissen, persönlicher Verantwortung und direkter Versorgung.“
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
Mich befremdet die Forderung nach billigen Erdbeeren ohne Rücksicht auf Produktionsbedingungen doch sehr. Nach Kolonialismus und der Ausbeutung der Natur bis zur nicht mehr zu leugnenden Klimakrise zeigen sich klar, das es eben nicht immer so weiter geht. Diese Forderungen sind zynisch gegenüber Produzenten und unserer Zukunft auf dem Planeten
Moin Herr Gerken, Sie haben den Text nicht verstanden. Es geht um die Lohnkosten in Deutschland und um die entsprechende Preissteigerungen. Das ist Mathematik, auch ändert der Deutsche Mindestlohn nicht das Klima. Die Masse der Einwohner dieses Landes kann sich nur Produkte aus Deutschland immer weniger leisten- und wir sind so knapp ein Prozent der Weltbevölkerung also ändern wir so wirklich nix.