Muss Wirtschaftssenatorin Vogt Befragung „unter Eid“ befürchten?

11.10.2025 8 Von Axel Schuller

Nach dem Rücktritt von Umweltsenatorin Kathrin Moosdorf hatte ich gedacht: Na ja, da ist sie gerade noch um einen  parlamentarischen Untersuchungsausschuss (UA) herumgekommen. Gut für sie und für ihre Grünen. Mittlerweile kommt jedoch so viel aus dem wildwuchernden Staatsräte-Dickicht ans Tageslicht, dass ein UA durchaus zum Erkenntnisgewinn beitragen könnte. Neben dem „Fall Moosdorf“ böten nämlich die Ressorts von Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) und von Arbeitssenatorin Dr. Claudia Schilling (SPD) Potenzial für lohnende Nachfragen.

Moosdorf ist übrigens noch nicht aus dem Schneider. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Untreue. Sie erinnern: Ein Leser von bremensogesehen hatte eine entsprechende Anzeige gegen die damals Noch-Senatorin gestellt. (bremensogesehen vom 1.10.2025 „Von Irrungen…“).

Regierende finden Untersuchungsausschüsse höchst unangenehm. Anders als Ausschüsse, anders als parlamentarische Anfragen und anders als das Instrument „Akteneinsicht“ verfügt ein Untersuchungsausschuss über eine von Regierungen gefürchtete Möglichkeit: Ein UA kann Zeugen vorladen, diese  notfalls von der Polizei vorführen lassen und sogar zwingen, unter Eid auszusagen.

Da überlegt man sich auch als braver Beamter, ob eine Lüge bloß aus Loyalität zur Chefin tatsächlich den Eintrag ins Vorstrafenregister wert ist.

Ein UA hat für Parlamentarier wiederum den Nachteil, dass sie zusätzlich viel Zeit und Energie aufbringen müssen. Zumindest, wenn sie Schlampereien oder gar Falschaussagen in senatorischen  Führungsetagen aufdecken wollen.

Nebenbei: Sowohl Einrichtung als auch Betrieb eines UA sind relativ teuer – was Regierungsparteien allzu gerne gegen die Initiatoren, also die Opposition, ins Feld führen.

Die von Abgeordneten häufiger verlangte „Akteneinsicht“ ist im Vergleich zum UA Pillepalle. Denn: Die Regierenden und ihre Juristen bestehen darauf, dass bei der Akteneinsicht keinerlei Notizen gemacht und aus den Unterlagen nicht wörtlich zitiert wird.

Nun zu den aktuellen und alten Fällen, die in ihrer Fülle allmählich nach einem Untersuchungsausschuss schreien:

Arbeitssenatorin Dr. Claudia Schilling (SPD) aus Bremerhaven hat sich im Sommer 2025 von ihrer Staatsrätin Karin Treu (Bremerhaven) getrennt. Na ja, nicht ganz. Nach dem Tohuwabohu um die mangelnde Organisation des vermaledeiten Ausbildungsfonds und um viele vorzeitig ausgegebene Millionen für Arbeitsmarkt-Projekte, unter anderem auch für die Ausbildungswerkstätten Bremen, setzte Schilling ihre Staatsrätin Karin Treu formal zwar vor die Tür. Aber die politische Beamtin fiel nicht ins Bodenlose, sondern ist jetzt erneut für die „Ausbildungswerkstatt Bremen ABiG tätig. 

Über die Rahmenbedingungen schwieg sich Schillings zweite Staatsrätin (Soziales), Kirsten Kreuzer im Parlament aus. Als die CDU nach einem Übergangsgeld und dem neuen Gehalt fragte, blockte Kreuzer mit dem Hinweis auf den Datenschutz ab. In einem Untersuchungsausschuss käme sie damit nicht durch.

Dann gibt’s da noch Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke). Sie hat 2023 ihren damals erst 60jährigen Staatsrat Sven Wiebe in den einstweiligen – gut bezahlten – Vorruhestand geschickt. Nicht etwa, weil sie unzufrieden gewesen wäre. Keineswegs. Im Gegenteil. Aber er wollte mehr Zeit für die Familie haben und deshalb Ruheständler werden. 

Selbstkritisch muss man heute feststellen: Die Medien haben seinerzeit geschlafen. Und die Opposition auch. Vogts damaliger  Lobgesang auf Wiebes Wirken und das Bedauern, dass er aufhören wollte, passt – aus aktuellem Blickwinkel – 1:1 auf den Fall Moosdorf.

Erst in dieser Woche (zwei Jahre danach!) „besserte“ Vogt nach und erklärte, sie haben den langjährigen Mitarbeiter in der Öffentlichkeit nicht schlecht aussehen lassen wollen – deshalb das falsche Lob zum Abschied.

Wiebe macht aktuell übrigens nicht nur in Familie. Er jobt mittlerweile für die private  (Unternehmens-) „Initiative Stadtbremischer Häfen“ (ISH). Dort hat er Dr. Heiner Heseler (SPD) abgelöst, früher ebenfalls ein Staatsrat im Häfenressort.

Vermutlich kein Fall für einen Untersuchungsausschuss, gleichwohl interessant, ist der Kurz-Aufenthalt des Martin Bialluch als Staatsrat bei Kristina Vogt. Er diente der Linken nur von 10/2023 bis 1/2024 als politischer Beamter. Dann verabschiedete er sich mit dem Hinweis, das dauernde Pendeln zwischen Arbeit in Bremen und Familie in Berlin sei doch zu kräftezehrend

Bialluch ist nunmehr Vorstandssprecher des „Bündnis Bürgerenergie“. Hatte Bialluch vielleicht gar nicht vor, länger in Bremen zu arbeiten? Benötigte er den Posten als politischer Beamter an der Weser lediglich als zusätzlichen Qualifikationsnachweis für den Berliner Vorstandsjob? Was man sich im kleinen Bremen halt so alles zurechtdenkt…

Auf der Positivseite kann Vogt verbuchen, dass sie mit Kai Stührenberg immerhin über einen langjährig aktiven und angesehenen Staatsrat verfügt. Und, dass sie sich in der Wirtschaft mittlerweile auch Respekt erworben hat. Vogt hat es wirklich „drauf“: auf dem Linken-Parteiticket ins Amt gekommen, macht sie dort Politik, die eher an eine Sozialdemokratin alten Schlages erinnert – pragmatisch. 

Als sie 2019 erstmals ins Ressort gewählt wurde, befürchtete man in Unternehmerkreisen das Schlimmste. „Oh Gott, ausgerechnet ein Linke wird für die Wirtschaft zuständig.“ Bei einigen Bossen bewirkte dies prompt Assoziationen wie: DDR, Enteignung, „Garantiert gegen uns“.

Würde sich Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD) heute in der Handelskammer nach Vogts „standing“ erkundigen, würde er vermutlich hören: Kristina (ja sie duzt sich mit vielen Bremer Chefs) ist eine gute Kümmerin. Die Linke Politikerin wird respektiert, obwohl auch sie die unsinnige Ausbildungs-Zwangsabgabe mitträgt.

Ironie am Rande: Bovenschultes Ruf in Unternehmerkreisen ist mittlerweile vermutlich schlechter als der „seiner“ Wirtschaftssenatorin. 

Der Bürgermeister erweist sich mit der Zeit zu sehr als strammer Ideologe, der den Eindruck vermittelt, als wolle er alle von Ex-Bürgermeister Henning Scherf Ende der 90er Jahre privatisierten Unternehmen in den Schoß des Staates zurückzuholen.

Unterm Strich: Auch wenn Vogt ihren Staatsrat Wiebe ähnlich wie Moosdorf ihre Staatsrätin Strebl zu Lasten der Steuerzahler „behandelt“ haben sollte, müsste in Bremen vermutlich viel passieren, damit Vogt ebenfalls aus dem Amt fliegt. Aber wer weiß, vielleicht interessiert sich die Staatsanwaltschaft ja auch noch für die rechtlichen Bedingungen von Sven Wiebes Frühpensionierung.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller