Unverantwortlicher Streik im Hafen – und schweigende Medien

15.07.2022 Aus Von Axel Schuller

Der globale Handel ist auf den Meeren nahezu und vor den deutschen Häfen aktuell völlig zum Erliegen gekommen. Ganze Schiffsflotten liegen auf Reede. Die Gewerkschaft Verdi führt ausgerechnet in dieser Zeit deutsche Hafenarbeiter in den Streik. Berechtigt oder unverantwortlich? Hat Verdi schon vergessen, wie der Gesamthafenbetriebsverein 2020 in die Insolvenz getrieben wurde?


Liebe Leserinnen und Leser, heute ein Thema, bei dem ich mal wieder echt an mich halten muss. Die Lieferketten – speziell zwischen China und Deutschland – sind durch die konsequenten Lockdowns in Asien stark beeinträchtigt, teilweise sogar unterbrochen. Und in Deutschland? Da ruft die Gewerkschaft Verdi die rund 12.000 Hafenarbeiter m/w/d erneut zu einem 48-stündigen Warnstreik (von Donnerstag- bis Samstagmorgen, 14.-16.7.22) auf. Die Folge: Die Deutsche Bucht ist mit Frachtern auf Reede vollgepflastert. Schiffe, die bereits in Bremen, Bremerhaven, Wilhelmshaven und Hamburg  festgemacht haben, werden weder ent- noch beladen. Lastwagen-Kolonnen stehen in und vor den Häfen. Nichts geht mehr.


Mal zwischendurch: Was mich mindestens so wundert wie dieser in dieser Situation unverantwortliche Streik ist, dass die Bremer Medien – wieder einmal – kuschen. Im Hörfunk, Fernsehen und in Printmedien geben die Kollegen gerne zu allen möglichen Themen ihren Senf ab. Aber zu diesem für die Wirtschaft und für die Bevölkerung insgesamt elementar wichtigen Thema – kein Kommentar. Wie kann man in einem Land mit grenzenloser Meinungsfreiheit bloß so feige, sorry: zurückhaltend sein?!

Woran, bitte liegt das? Haben Journalisten bereits einen eigenen bevorstehenden Lohnkampf vor Augen, dass sich die Damen und Herren Kollegen scheuen, Position zu beziehen? 


Sie müssen wissen: Zu Verdi gehören heutzutage nicht nur Hafenarbeiter, öffentliche Bedienstete, Bankmitarbeiter, nein auch die Journalistenorganisation dju – Deutsche Journalisten Union – ist unter das große, massive Verdi-Dach gezogen. Der Deutsche Journalisten Verband DJV macht da zwar nicht mit, ist weiter unabhängig. Aber…  

Ja, ich kapier’ es nicht, was meine Kolleginnen und Kollegen umtreibt, dass sie beim Thema Hafenstreik offenbar unter akuter Handlähmung leiden. War aber im Frühjahr beim Streik von Flughafenmitarbeitern übrigens genauso (siehe Archiv). Irgendwie  beschämend.


Zurück zum Hafenarbeiterstreik. Verdi verlangt eine generelle Aufstockung der Stundenlöhne, Prämien für die in der Vergangenheit und für die in Zukunft zu leistende Arbeit sowie einen nicht näher benannten Inflationsausgleich. Unter dem Strich: rund 14 Prozent mit einer Laufzeit von 12 Monaten.

Die Hafenbetriebe haben sich erheblich bewegt, bieten jetzt rund 12 Prozent mehr, auf 18 Monate festgeschrieben. 

Können Sie, liebe Leserinnen und Leser verstehen, wie Verdi angesichts der großen Annäherung der Arbeitgeber ihre Mitglieder jetzt zum wiederholten Mal in den Streik schicken kann? Die hamse doch nicht mehr alle!


Sollten Sie, verehrte Leserschaft, jetzt ein großes Herz haben und denken: Na ja, die Hafenarbeiter können doch ruhig die geforderte Lohnerhöhung kriegen, dann läuft der Betrieb endlich wieder rund. 

Dann kriege ich mein Auto, dass noch auf einem Schiff, oder am Kai steht. 

Dann kriegt Mercedes endlich die Teile, um die Kurzarbeit im Werk zu beenden

Dann kommen die asiatischen Komponenten für Wärmepumpen etc. zur weiterverarbeiten Industrie.

Dann kriegt – möglicherweise – die Geno wieder das medizinische Material, das bislang nicht aus China angekommen ist.


Sollten Sie so denken, be-denken Sie bitte: Je höher die Hafen-Lohnabschlüsse ausfallen, um so wahrscheinlicher werden die Preise für ihr Auto, für ihre Auto-Ersatzteile, für  Ihre Wärmepumpe, für ihre Masken (oder was auch immer übers Wasser zu uns kommt) teurer.


Ich finde, Verdi sollte sich beim aktuellen Streik um anderthalb Jahre zurückzuerinnern. Da hatten uneinsichtige  Betriebsräte den Gesamthafenbetriebsverein (bitte notfalls googeln, hab hier jetzt nicht so viel Platz) in Bremen und Bremerhaven in die Insolvenz getrieben. 

Ja, Sie lesen richtig. Mit immer neuen, abenteuerlichen Forderungen hatten Betriebsräte am Ende die Insolvenz des über 100 Jahre alten Vereins erreicht. Der Gerechtigkeit halber muss ich anfügen: Das teil-öffentliche Unternehmen BLG hat dabei ebenfalls keine Ruhmes-Rolle gespielt.


Heroisches Ergebnis: Nach dem Insolvenzverfahren des GHBV waren von 1.000 noch 770 Arbeitsplätze übrig geblieben, die Arbeitszeit verlängert, der Urlaub verkürzt. Nicht mehr Gaga, sondern schon Ballaballa.


Soll sich solcher Wahnsinn jetzt in den Häfen wiederholen?


Rotterdam, Antwerpen und polnische Häfen (gehören übrigens allesamt zu Europa) fertigen die wenigen Schiffe, die aus Asien kommen, umstandslos ab. Zum (deutschen) Glück lassen sich Schiffe nicht so einfach umlenken.


Eine Frau verdient in diesem Zusammenhang Anerkennung  (auch wenn Bremer Printmedien das weglassen): Bremens Häfensenatorin Dr. Claudia Schilling (SPD). Sie hat vor der bedrohlichen Kulisse der Streikfolgen und bislang sieben erfolglosen Verhandlungsrunden die Tarifpartner dringend dazu aufgerufen, ein Schlichtungsverfahren einzuleiten. Im Interesse der Wirtschaft und damit auch der Bevölkerung. So viel Mumm haben leider nur wenige im Bremer Senat. 


Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller