VEP – Hilfe: Die Innenstadt wird hingerichtet
Thema: der jüngst von einem Beirat abgesegnete Verkehrsentwicklungsplan (VEP). Auf 269 Seiten legt die seit ununterbrochen 15 Jahren geführte „Mobilitätsbehörde“ dar, wie sie die Stadt – freundlich formuliert – entschleunigen will: mit deutlich mehr Bus- und Bahnnutzern, mit vielen Fußgängern, mit ganz vielen Fahrradfahrern. Parkhäuser für Autos – weg. Parkplätze an Straßen in der City – weg. Generell Tempo 30, auch auf Erschließungsstraßen der City. Der Innenstadthandel kann sich schon mal um Ladengeschäfte in den großen Einkaufszentren bewerben.
Liebe Leserinnen und Leser, mir dröhnt noch immer der Schädel. 269 Seiten umfasst der Verkehrsentwicklungsplan. Besorgen Sie sich das Teil – auch, wenn Sie nicht masochistisch veranlagt sind. Das Traktat ist wichtig. Keiner soll nach der Hinrichtung der Bremer Innenstadt sagen, er/sie/es habe nix davon gewusst. Dieses Werk aus dem Hause Schaefer – ihres Zeichens Grüne Mobilitätssenatorin – zeigt detailliert auf, was im „Oberzentrum“ Bremen passieren soll. Einzige Hürde für den VEP: Senat und Bürgerschaft müssen ihn noch beschließen. Woran freilich kaum jemand zweifelt.
Zum VEP: Der Autoverkehr soll regelrecht behindert werden. Ziel: Weg mit den Blechkisten. Fahrräder werden in den Stand der himmlischen Gefährte erhoben. Busse und Bahnen – das ist mal sinnvoll – sollen häufiger und verlässlicher fahren.
Für Fußgänger (und damit auch Radler) werden an zentralen Stellen Ampeln mit Sensoren installiert. Kommen Fußgehende (oder wie diese Spezies Mensch künftig im Amtsdeutsch heißen mag) an eine Ampel, reagiert die fix mit einem fröhlichen „Grün“. Die anderen Verkehrsteilnehmer haben dann „Rot“.
Also zum Beispiel die Autofahrer. „Selbstfahrer“ (so die wörtliche Übersetzung) werden in Bremen zu Volldeppen gestempelt. Vielleicht irgendwann auch zu asozialen Untermenschen, die sich unerhörterweise trauen, auf den eigenen vier Rädern dahinzurollen. Dass sich in diesen Blechkisten gerne Bewohner des Umlandes fortbewegen, um die hoffentlich umfangreichen Einkäufe anschließend in die eigene Behausung nach Oyten, Brinkum oder Syke zu schleppen – passt nicht ins Weltbild dieser Planer-Gang.
Die Martinistraße bleibt einspurig in jeder Richtung. Die Tatsache, dass die BSAG-Busse zwischen Tiefer und Brill regelmäßig im Stau stecken – tja, ist halt so. Immerhin sollen sich Gutachter mit der Frage beschäftigen, ob und wie man dieses Dilemma beseitigen kann.
Die Bürgermeister-Smidt-Straße wird ebenfalls von vier- auf zweispurig zurückgebaut.
Beim Lesen des VEP hab ich endlich kapiert, was der wahre Grund dafür ist: Der Brilltunnel soll ein Fahrradparkhaus werden, mit Rampen für die Zweiräder und mit Aufgängen zu den BSAG-Haltestellen am Brill. Man braucht Teile der Fahrspuren, um den Tunnel ordentlich zu erschließen.
Die feuchten Träume der Planer, den Tiefer-Tunnel ebenfalls für Autos zu sperren und auch dort ein Fahrradparkhaus zu eröffnen – wurden dann doch noch verworfen. Weitere Fahrräder kommen unter den Domshof in den Bunker.
Interessant wird noch, wie die neuen Fußgänger-Furten mit Sensor-Ampeln wirken werden. In der Martinistraße, im Breitenberg, an der Bürgermeister-Smidt-Straße. Die Sensoren sollen den Fußgängern Vorrang bescheren, wenn sie vom Hauptbahnhof oder vom künftigen Bus-Bahnhof in die City drängen.
Die Martinistraße soll – offiziell – zulasten des Autoverkehrs schmaler werden, damit Fußgänger fixer von der City an die Schlachte gelangen. Deshalb wird’s auch dort die Sensor-Ampeln geben.
Liebe Leserinnen und Leser, ich könnte hier noch Unmengen Details aus dem VEP ausbreiten, will aber nicht riskieren, dass Sie sich lesemüde oder frustriert abwenden. Also, bitte unbedingt selbst lesen.
Allerdings will ich noch kurz auf die Pläne hinweisen, dass die Katharinen-Garage wegkommen soll, die Domgarage (Violenstraße) – wenn’s machbar ist – überwiegend nur noch für Kurzparker (Kirche, Glocke etc) dienen soll, die Pressehaus-Garage von Dauerparkern befreit werden soll, der Wall natürlich Einbahnstraße bleibt, usw.
Das Quartiersparken wird teurer, und das aufgesetzte Parken… In den Stadtteilen ist mit einem Dauer-Elend zu rechnen.
Die Handelskammer hat im Beirat (vorerst) gegen den VEP gestimmt. Endlich! Die CDU hatte sich jüngst aus dem Gremium zurückgezogen. Freilich mit dem merkwürdigen Argument, die Mobilitätsbehörde brauchen für alle Maßnahmen viel zu lange. Aha. Sehr glaubwürdig. Statt zu sagen: Die CDU will für diese teilweise kruden Pläne und Machenschaften nicht vereinnahmt werden.
ADFC und BUND, angeblich „umweltbewusste“ Organisationen, geht es nicht schnell genug. Die BSAG freut sich nen Wolf, dass endlich mehr für Bus- und Straßenbahnverkehr gemacht werden soll. Mindestens den ganzen Tag einen 10-Minuten-Takt, viel lieber noch 5-Minuten-Takt. Wie in Zürich, wo man keinen Fahrplan mehr braucht, weil die Tram alle Nase lang vorfährt. Ungeklärt bleibt freilich, woher das Geld dafür kommen soll. Für die Fahrzeuge und fürs Personal.
Den aktuellen BSAG-Verkehr (also deutlich billiger als der Wunsch-Verkehr der Zukunft) möchten die Umwelt- und Öffi-Fans per Erhöhung der Grundsteuer finanzieren. Und mit einer Maut für Pendler aus dem Umland – Juristen rüsten sich vermutlich schon für die Schlachten vor den Gerichten. Ach ja, die Touristen sollen auch mit einer Sonder-Steuer für die Öffis belegt werden.
Noch ein Satz zur Grundsteuer: Jeder, auch Gewerbetreibende (Handel, Dienstleistung, Handwerk, Fabriken) soll einen Aufschlag von (derzeit im Gespräch) 50 Prozent dafür zahlen, dass alle ticketlos in Bus und Bahn fahren können.
Wer heute privat 500 Euro Grundsteuer überweist, darf dann 750 Piepen abdrücken. Klingt fast noch harmlos. Aber haben Sie ein Innenstadt-Geschaft und drücken heute schon beispielsweise 9.000 Euro im Jahr ab. Daraus werden dann 13.500.
Würde gerne mal wissen, was Mercedes für sein Gelände von zigfacher Fußballfeld-Göße zahlt…was dann herauskommt….und was die Stuttgarter Zentrale dazu sagt…
Munter bleiben! Sonst schaffen Sie die 269 Seiten nicht. :-))
Herzlichst Ihr
Axel Schuller