Ober-Dreistigkeit – wer schützt die Abgeordneten vor sich selbst?

20.07.2022 Aus Von Axel Schuller

Erst beschließt die Bremische Bürgerschaft ihre eigene Aufstockung um (letztebnendes) vier Mandate. Und dann kommt heraus, dass die Bevölkerung dagegen nicht mal eine Petition einreichen kann. Müssen wir die Landtagsabgeordneten künftig vor sich selbst schützen? Damit sie radikalen Kräften und der ohnehin weit verbreiteten Politikverdrossenheit nicht noch mehr Auftrieb verleihen? 

 

Die Dreistigkeits-Skala „unserer“ Politiker ist offenbar nach oben offen. Die Aufblähung des Parlamentes um drei Sitze – eigentlich ja sogar vier, weil der 15. Bremerhavener bleibt – war für die Bevölkerung eine Zumutung. Ablesbar unter anderem an und in den vielen Leserbriefen im Weser-Kurier

 

Dazu gesellte sich die Unverfrorenheit der Politiker, das kostenträchtige Thema (zusätzlich rund 400.000 Euro pro Jahr) nicht zu debattieren. Und jetzt sorgt dieses Parlament – im Nachhinein – regelrecht für Zorn. Der Verein „Mehr Demokratie“ hatte in der Bürgerschaft eine Online-Petition gegen die Änderung des Wahlgesetzes („Parlaments-Vergrößerung“) beantragt. Und wurde abgeschmettert.

Die Bürgerschaftsverwaltung darf den Petitionsantrag qua Gesetz nicht annehmen.

Und wissen Sie warum? Weil die Bürgerschaft 2016 (SPD/Grüne-Regierung) beschlossen hatte, dass sich Petitionen nicht mehr gegen Gesetze richten dürfen.

 

Die Bürgerinnen und Bürger – das sind die „Deppen“, die zum Bezahlen politischer Auswüchse gut genug sind – können per Petition gegen alles Mögliche sein. Geht es jedoch um Gesetze, welche die Bürgerschaft beschlossen hat, kann man zwar auch seine Einwände etc. aufschreiben. Jedoch: Sie werden nicht im Petitionsausschuss beraten, abgewogen und offiziell beschieden. Nein, diese Unterlagen werden den Fraktionen zugestellt. Und, ob die diese Petitionen in den Müll werfen, damit die Wände ihrer Parteibüros tapezieren oder mit aufs stille Örtchen nehmen – das bleibt den Fraktionen überlassen.

 

Ich habe mich gefragt, weshalb das Petitionsgesetz 2016 derart bürgerfeindlich geändert wurde.

Dabei stieß ich in der Historie auf zwei Petitionen, welche die damaligen Regenten zuvor furchtbar fuchtig gemacht haben.

 

Zum einen hatten sich rund 20.000 Bremer m/w/d gegen eine neue Gebühr für Waffen (nur in Bremen) gewehrt.

Zum anderen schmeckte der damaligen Regierung eine zweite Petitionen ganz und gar nicht. Rund 12.000 Menschen forderten, dass die Privatschulen finanziell besser ausgestattet werden. Übrigens, nicht mal so gut, wie die staatlichen, aber halt a bisserl besser.

 

Dies fanden SPD und Grüne – vereint im Senat – so ungebührlich, dass sie das Petitionsgesetz kurzerhand mit Wirkung zum September 2016 geändert haben.

 

Nach dem Motto: Wär ja noch schöner, wenn die Bürger uns Regierenden per Petition den Weg weisen wollen.

 

Eine umrühmliche Rolle soll bei dieser Gesetzesänderung der damalige Vorsitzende der SPD-Fraktion, Björn Tschöpe, gespielt haben. 

Der Mann ist heute Staatsrat im Justizressort, muss also die Verfassung und Gesetze qua Amt täglich „hegen“, „pflegen“ und womöglich „gießen“. Nennt man wohl Ironie der Geschichte.

Der amtierende Vorsitzende des Petitionsausschusses, Claas Rohmeyer (CDU), macht in dem Fall aus seinem Herzen keine Mördergrube. Er hält die Änderung des Petitionsgesetzes weiterhin für eine Beschneidung der Bürgerrechte. Als er mit den anderen Bürgerschaftsparteien über mögliche Änderungen des Petitionsgesetzes sprach, wünschte er sich – dem Vernehmen nach – die alte Gesetzes-Fassung zurück, wonach Bürger auch Petitionen gegen Gesetze einreichen können.

Leider standen die Koalitionäre von Grünen und Linken(!) in Nibelungentreue zu ihren sozialdemokratischen Partnern.

 

Tja, und die Moral von der Geschicht: Trau’ vielen  Abgeordneten nicht – oder was?

Liebe Leserinnen und Leser, ich kenne keine Regierungsform, die aktuell besser wäre als die repräsentative parlamentarische Demokratie. Aber leider, leider machen es Vertreter m/w/d dieses Systems uns (noch aktiven) Wählern m/w/d zunehmend schwer, für diesen Apparat in Bremen zu werben. Ich fürchte, dies wird sich in der Beteiligung an der nächsten Bürgerschaftswahl im Mai 2023 spiegeln.

 

Und ich fordere die Politiker-Kaste schon heute vorsorglich auf: Verschonen Sie uns nach der Wahl mit ihren Krokodilstränen zum Thema schwache Wahlbeteiligung.

 

Munter bleiben!

Herzlichst 

Ihr Axel Schuller

 

P.S.: Eine Hoffnung können wir allesamt noch haben: Der Verein „Mehr Demokratie“ (oder jemand anderes) kann durchaus einen Bürgerantrag auf Rücknahme der Vergrößerung der Bürgerschaft stellen. Und am Ende zur nächsten Wahl einen Volksentscheid initiieren. Voraussetzung ist, dass viele von uns nicht nur rumjammern, sondern auch unterschreiben.

Musste ich noch mal loswerden.

Ihr as