Zu viele Journalisten sind den Bremer Grünen „gewogen“
Die Grünen haben’s gut. In Bremen ganz besonders. Die „Ökos“ (wie sie früher genannt wurden) können sich fast alles leisten – und es hagelt kaum, teilweise sogar: keine Kritik. Dafür ist in Bremen – aus meiner Sicht – eine Art Journalismus mit-verantwortlich, die den Grünen gegenüber unter ausgeprägten Beißhemmungen leidet. Schlimmer: Es herrscht eine gewisse „Grünen-Gewogenheit“ vor.
Liebe Leserinnen und Leser, haben Sie jüngst auch die Luft angehalten? Bremens Grüner Chefideologe Ralph Saxe hat eine Verschärfung der Bremischen Baumschutzverordnung verlangt. Jedoch: Der Mann gehört demselben Club an wie Umweltsenatorin Dr. Maike Schaefer. Und die geht aktuell bekanntlich „über Bäume“.
Diese Politikerin steht unter anderem für: Das Niedermetzeln von 180 teilweise stattlichen Bäumen zugunsten einer umstrittenen Straßenbahn-Querspange im Osten (Stresemannstraße und Co). Sie steht für das Fällen von 136 großen Platanen am Neustädter Deich (Höhe Bürgermeister-Smidt-Brücke). Sie sperrt sich nicht gegen das Umhauen von großen, wertvollen Eichen auf dem Gelände des Klinikums Mitte. Ersatzbäume (jung und klein) verspricht sich weit weg am Grambker Sportparksee. Und: Sie lässt quer über das Rennbahngelände in der Vahr eine fünf(!) Meter breite Asphaltpiste für Radler und Fußgänger anlegen. Nur, um Pferderennen an dieser Stelle für alle Zeit zu vermeiden. Die Frau ist derart am Wüten, dass sich mittlerweile Bürgerinitiativen zusammenrotten und fordern: „Wählt nicht die Grünen!“
So, und in dieser Situation des Baum-Lynchens kommt Ralph Saxe daher und predigt vom Wert der Bäume als Schattenspender, Luftreiniger, Hitzeabkühler, und haste nich gesehen.
Und die bremischen Medien? Sie berichten. Einfach so. Kein Kommentar, in dem die vermeintlichen oder tatsächlichen Widersprüche zwischen den Positionen beleuchtet, eingeordnet, bewertet werden. Nix. Nada. Nullum.
Was ist bloß mit meinen Kollegen los?
Liebe Leserinnen und Leser, glauben Sie mir bitte: Ich überlege immer wieder aufs Neue, ob ich meinen Berufsstand – aus dem Rentner-Abstand – vielleicht überkritisch betrachte. Bislang komme ich stets zu dem Ergebnis: Nein, tue ich nicht. Ich nehme mir bloß die Freiheit, weiterhin meine Auffassung von Journalismus zu pflegen. Und meinen Kopf zum Denken zu nutzen.
Jüngst hat mir der Ex-Herausgeber der Zeitschrift „Cicero“, der Journalist Christoph Schwennicke, aus der Seele gesprochen. Im Interview mit dem Berliner Medienunternehmen „The Pioneer“ von Gabor Steingart stellte er eine „Grüne Gewogenheit bei vielen Journalisten“ fest. Schwennicke ist kein alter, konservativer Knochen. Nein, er beschreibt seine politische Einstellung selbst als „sozialliberal mit grünen und konservativen Einsprengseln“.
„Grüne Gewogenheit“ – das trifft’s. Diese fällt auch mir immer wieder in Bremer Medien auf.
Die konnte man übrigens auch „studieren“, als Maike Schaefer in einem Brief an ihre Mitglieder kundgetan hat: Sie wolle erneut als Grüne Spitzenkandidatin antreten.
Merkwürdig: Da entblättert die Frau ihre Seele, beschreibt sich als heroische Kämpferin für die gute, grüne Sache – und erwähnt mit keinem Wort ihre Grünen Mitstreiter im Senat Sozialsenatorin Anja Stahmann und Finanzsenator Dietmar Strehl. Und in den Heimatmedien herrscht zu all dem keine Meinung vor. Kurz Tatsache wiederkäuen. Das war’s.
Auf dem Feld der Bildungspolitik muss man leider eine ähnliche Enthaltsamkeit der Bremer Journalisten konstatieren. Dazu melde ich mich demnächst mal zu Wort.
Aber diese Art von Hingabe ist nichts Neues an der Weser. Erinnert sei an das fast schon legendäre Interview einer Bremer Redaktionschefin mit Schaefer, bei dem sie nicht bloß Fragen gestellt, sondern der Senatorin Stichwörter gegeben hatte. (Siehe: „Bremen so gesehen“ – BSG – vom 17.3.2022: „WK-Chefredakteurin – von der Fragestellerin zur Stichwortgeberin der Grünen Schaefer“)
Oder an ein anderes Interview mit Schaefer, als eine WK-„Journalistin“ schließlich fragte: „Muss man sich grundsätzlich Sorgen um die Koalition machen?“ (siehe: „BSG“ vom 26.12.2021: „Weser-Kurier – manchmal sind Langmut, Nachsicht und Mitleid nötig“)
Ist dies die neue Art des Journalismus? Bitte nicht!
Munter bleiben!
Herzlichst Ihr
Axel Schuller
P.S.: Zu den Hinweisen auf zwei meiner „BSG-Einträge“: Habe ich dank des neuen Archivs meiner Seite ruck-zuck gefunden. Probieren Sie’s mal aus!
Musste ich grad eben mal (ja, ein bisschen stolz) anmerken…