Landtagspräsidentin fordert Einsatz für die Demokratie – verfehlt aber leider das Thema
Bremens neue Bürgerschaftspräsidentin Antje Grotheer (SPD) schreibt in der Wochenendausgabe des Weser-Kuriers einen Gastkommentar – den sie sich und uns in dieser Form besser erspart hätte. Seltsam: Seit der Lektüre bekomme ich nicht mehr die alte Werbung aus dem Kopf: „Frau Antje empfiehlt…“. Tut mir leid, ist aber so. Heute, liebe Leserinnen und Leser, muss ich ernsthaft aufpassen, dass die Pferde nicht mit mir durchgehen.
Frau Grotheer schreibt zu dem von der UN ausgerufenen Tag der Demokratie am 15. September. Zugegeben: Die Überschrift „Die Demokratie ist kein Lieferservice“ war ein Knaller. Aber beim Inhalt schwächelt die Dame, beweist erneut, dass ihr einseitiger Blick in die Irre führen kann. Es ist richtig, dass wir alle für die Demokratie unseres Landes verantwortlich sind. Das Wort kommt schließlich aus dem Griechischen, die Macht geht vom Volk aus.
Aber Grotheers Ausflug in die Sphären der Politik-Theorie mündet leider im Lamento, aktuell zerstörten „Populisten“ die Demokratie von Innen… Nee, ich habe wirklich keinen Bock mehr auf diesen Polit-Sprech. „Volksvertreter“ meinen das vermutlich nicht böse, aber es geht ihnen zunehmend eines anscheinend ab: Reflexion des eigenen Handelns.
Ja, die Demokratie sichert wie keine andere Staatsform „Mitbestimmung, Menschenrechte und Freiheit“ aller Bürger m/w, schreibt die Parlamentsvorsteherin richtigerweise. Auch fällt ihr zum Glück auf, dass sich bloß 56,9 Prozent der Stimmberechtigten an der vorigen Bürgerschaftswahl beteiligt haben. Und dann kommt „Frau Antje“ mit dem ewig gleichen Kram daher: „Populisten nutzen die Enttäuschung…“ Böse Zungen würden spätestens jetzt aufstöhnen: Bla-Bla-Blubb.
Liebe Frau Grotheer, ich versuche mal die andere Seite der Medaille zu beleuchten. Also Gründe aufzuzeigen, weshalb es möglicherweise vielen Menschen schwer fällt, für die gelebte (Parteien-?)Demokratie zu jeder Tag- und Nachtzeit wortreich einzustehen. Und, „Frau Antje“, vergessen Sie bei Ihrer Betroffenheit über zu viele schlaffe Bürger bitte eines nicht: Sie und Ihre Kollegen, die Politik berufsmäßig betreiben, leben von der Demokratie, also auch von den Schlaffies.
IDeutschlands Politiker zerreden alle möglichen Themen solange, bis sich die Leute mit Grausen abwenden. Nicht mehr zur Wahl gehen, oder aus Protest eben Populisten – denen Sie und Ihre Branche es so unfassbar leicht machen, Stimmen einzusammeln.
Beispiel Zuwanderung: Seit Jahren weiß die Politikerkaste, dass viele Menschen unberechtigt einwandern. Folge: Es fehlen Unterkünfte, Sprachkurse, Betreuer, Schulen, Kindergärten und am Ende auch bezahlbarer Wohnraum – auch für die hier lebende Bevölkerung. Und die Politiker: Laber, Rhabarber — ohne, dass sich irgend etwas ändern würde. Und: Wer trägt nun die Verantwortung dafür? Die „Populisten“, oder Ihre Branche, Frau Präsidentin? Zur Erinnerung: „Populismus“ stammt vom lateinischen „populus“, das Volk, ab.
Einschub: In der vorigen Bürgerschaftssitzung „entgegnete“ der Sozialdemokrat Kevin Lenkeit der in einen rosa Hosenanzug gewandeten Christdemokratin Wiebke Winter: „Prosa in Rosa“. Frau Präsidentin, ist das Populismus, oder bloß gockelhaftes Gehabe?
Zurück zur Demokratie.
Kriminalität: Autoaufbrüche, Überfälle am helllichten Tag auf der Straße, in der Straßenbahn, überall. Sicherheit, Frau Grotheer, das wissen Sie als gelernte Juristin: Sicherheit gehört zum Fundament einer funktionierenden Demokratie!
Ebenso das Vertrauen der Bevölkerung in Verwaltung und Politik. Betroffene bezeichnen das Viertel und andere Stadtgebiete mittlerweile als „rechtsfreien Raum“. Klingeln da keine Alarmglocken? Es gab schon einmal solche Zeiten in Bremen. Da erwogen Bewohner der Innenstadt, zum Selbstschutz eine „Bürgerwehr“ aufstellen.
In der Bevölkerung kommt allmählich der Eindruck auf, dass man bei uns illegal einwandern kann und bleiben darf, selbst wenn man kein Asyl erhält. Einige dieser Zugewanderten stammen leider aus Ländern, wo man die Freiheiten der Demokratie und deren Regeln teilweise sogar verachtet – Achtung, „Polulismus“: bis auf die Sozialleistungen, die hier seltsamerweise immer noch in Form von Bargeld ausgezahlt werden.
Frau Grotheer, ist Ihnen bewusst, dass viele Menschen den ÖPNV, die Innenstadt, den Bahnhof und ganze Stadtteile meiden, aus Angst belästigt, bedrängt oder im schlimmsten Fall beraubt zu werden?
Ist es denkbar, dass Politiker mit ihren wohlfeilen Reden häufig an der Wirklichkeit der Bevölkerung vorbeizielen? Ich denke zuweilen: Politiker entfremden sich regelrecht von jenen Menschen, für deren Anliegen sie da zu sein haben.
Noch so ein Ding: Politik treibt die „Entkriminalisierung“ voran, indem sie per Gesetz einfach die Augen verschließt. Welch ein Irrsinn. Wer mit Cannabis erwischt wird, soll sich plötzlich nicht mehr strafbar machen – obwohl Polizei und Richterbund (die ja angeblich entlastet werden sollen) dagegen Sturm laufen. Aber: Politik fühlt sich ja offenbar unfehlbar… Fördert dies wirklich die Demokratie?
Dazu ein bremisches Beispiel: Jubel in der rot-grün-roten Koalition darüber, dass Dauer-Schwarzfahren nicht mehr im Knast endet. Dafür könnte es Gründe geben. Aber: Könnte es sein, dass Normalos wie Ihre Nachbarn nun ins Grübeln geraten? Hej, bin ich eigentlich blöd, wenn ich selbst noch bezahle?
Zum Schluss ein paar Sätze zu Ihrem eigenen „demokratischen Verhalten“, Frau Bürgerschaftspräsidentin: Voriges Jahr konnte der bremische Landtag (Sie waren selbst dabei) nicht widerstehen, seine eigene Aufstockung um drei Mandate zu beschließen. Dabei hätte man Bremerhaven nur einen Sitz nehmen müssen. Und fertig. Hätte aber natürlich Ärger mit der Seestadt bedeutet; wäre wohl zu mühsam gewesen…
Und: Bündnis Deutschland (ehemals Bürger in Wut) vertritt Ansichten, die Ihnen nicht passen. Geht womöglich mehreren Bremern m/w so. Okay. Fakt ist aber auch: 9,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler haben BD gewählt. Der Bremer Verfassungsschutz sieht BD nicht auf der rechts-braunen Bahn. Und dann verweigern alle anderen („demokratischen“) Parteien BD die Wahl ins Bürgerschaftspräsidium und verhindern deren Teilhabe an den Ausschussvorsitzen. Stärkt dies die Demokratie, für die alle Bürgerinnen und Bürger kämpfen sollen? Oder treibt dies noch mehr Wähler („Aiwanger-Effekt“) in die Arme der „Populisten“? Sie selbst, Frau Landtags-Vorsteherin, haben dem BD-Fraktionschef (von Haus aus ein Bundespolizist) in der ersten Sitzung des Landtages das Wort entzogen, weil Sie meinten, er spreche nicht zum Thema. Ist das Ihr Verständnis von Demokratie?
Nochmal zu Ihrem Aufruf zum Welt-Demokratietag im WK: Verwirrend, im besten Fall belustigend, am Ende Ihr Hinweis, die Bremische Bürgerschaft setze sich für die „Demokratie von Innen“ ein, indem der Landtag „den Bereich der politischen Bildung und Öffentlichkeitsarbeit“ stärke.
Sorry, aber wähler-, sprich weltfremder geht’s kaum (siehe oben).
Letzter Satz: Machen Sie es sich jetzt bitte nicht zu einfach. Schuller – ab in die Schublade der „Populisten“ oder Ähnliches. Schließlich sind Sie Juristin, Logik gehört mithin zum Fundament Ihrer Ausbildung.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Flüchtlinge, die in Deutschland bleiben dürfen, müssen häufig – gefühlt – ewig auf Sprachkurse warten. Nach meiner Beobachtung verfügen viele von ihnen über Handys. Weshalb schenkt man den Flüchtlingen nicht einfach einen Sprachkurs bei Babbel? Wäre fürs Erste doch besser als nix. Und würde eine raschere Integration fördern.