Meyer-Heder – das ehrlichste Interview des Jahres, und wie es missbraucht wurde
Könnte ich einen Preis für das „ehrlichste Interview des Jahres“ vergeben, der Preisträger hieße: Carsten Meyer-Heder. Das Gespräch war – bis auf die missglückte Sequenz über die in Bremen ohnehin nicht aktive AfD – so offen wie selten. Geneigte Leserschaft, bitte lassen Sie sich von den Urteilen vieler Politiker und meiner Kollegen nicht in die Irre leiten. Christdemokrat Meyer-Heder hat aus meiner Sicht den Nerv der Bevölkerungs-Mehrheit getroffen. Nutzen Sie gerne den Link (unten), um sich Ihr eigenes Bild zu machen.
Viele Menschen, die über das nur im Netz verfügbare Gespräch reden, kennen in Wahrheit lediglich einen Mini-Ausschnitt von 29 Sekunden. Ansonsten wurden in den Medien überwiegend Erklärungen von Politikern und Wertungen von Journalisten veröffentlicht. Schlimm daran ist: Meyer-Heder wird auf seinen unreflektierten AFD-Satz reduziert. Dabei hat der Mann viele zutreffende Themen angesprochen. Übrigens auch den „Linksdrall der Bremer Presse“, wie er es nennt.
Er hat unter anderem kritisiert, dass Politik häufig ahnungslos, planlos, reagierend statt agierend, ideologisch festgelegt statt lösungsorientiert usw. aktiv ist. Aus seiner Unternehmersicht hat er einen weiteren wichtigen Punkt angesprochen. Politik beschließt etwas, ohne nachzuverfolgen , was damit erreicht wird. „Politik formuliert keine Ziele, weil sie sich daran messen lassen müsste.“ Sich selbst stuft CMH – zurecht – als „ein bisschen naiv“ für das Politikgeschäft ein. Das schmälert seine Aussagen aber keineswegs.
Sie sehen, es gibt auch mal Interviews, die durch klare, ehrliche Aussagen des Interviewten spannend werden. Und manchmal geraten die Journalisten in eine schon etwas seltsam anmutende Situation als Politik-Verteidiger.
Zur besseren Übersicht nun ein paar Hinweise mit Minuten-Angaben, wo es um welches Thema geht.
Minute 4:00 „Das Schlimmste an Politik ist, aus Prinzip gegen etwas zu sein, weil andere dafür sind.“ …“In der Opposition macht man gar nix, man erreicht nix.“
8:50 „Qualität sichern, Ziele setzen – wird in Bremens nirgends gemacht. Das ist absurd, das tut weh.“
14:04 „Wenn Bündnis Deutschland einen sinnvollen Antrag stellt, kann man doch nicht sagen, ist Quatsch. Es geht doch um den Inhalt. In der Politik geht’s aber nicht um Inhalte.“
15:34 „Beispiel Ausbildungsfonds, der Grüne Robert Bücking äußert Bedenken, stimmt dann aber doch zu. Sachen werden durchgewunken, auch wenn sie falsch sind.“
Bemerkenswert, dass Moderator Felix Krömer an dieser Stelle meinte, den Politikbetrieb erklären zu müssen und feststellte, ohne Fraktionszwang könne man ja keine Politik machen…
Nur mal so am Rande: Im Grundgesetz Art. 38, Abs. 1, Satz 2, heißt es, dass Abgeordnete „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden sind und nur ihrem Gewissen unterworfen sind“.
17:05 „Wenn ich Bürgermeister wäre, wären wir einen Schritt weiter. Ich hätte die besten Leute von Außen geholt – auch aus anderen Parteien, wenn die gut sind…“
19:45 Bürgermeister ist der härteste Job – 24/7 die größten Probleme lösen. Jetzt haben wir einen Bürgermeister, der Gitarre spielt…“
31:40 „Politik lebt davon, starke Leute nicht hochkommen zu lassen, weil die den eigenen Job bedrohen. Ist in jeder Partei so, auch in großen Konzernen.“
37:00 und folgende Min. „Ist ne gefährliche Haltung, weiß ich. Aber wenn die AfD ne richtige Forderung stellt, ist es doch Quatsch, die abzulehnen…. Wir müssen Dinge tun, die Sinn machen, und nicht aus ideologischen Gründen Dinge lassen, die Sinn machen.“ … Wir können doch nicht so tun, als seien alle AfD-Wähler verwirrte Menschen. Die haben einfach die Schnauze voll, wie wir das hier tun. Deswegen müssen wir nicht mit denen zusammenarbeiten, aber damit beschäftigen, und sie zurückholen. Sonst hat die AfD bei der nächsten Bundestagswahl 30 Prozent.“
41:48 Politiker lassen sich von Gewerkschaftern und Leuten beraten, die noch nie selbst gearbeitet haben, statt Unternehmer und Handwerker zu fragen.“
45:02 Zur CDU-Klage gegen den Haushalt: „Überall wird Geld ohne Ende reingekippt, aber nix passiert. Wo ist denn Photo-Voltaik auf öffentlichen Gebäuden?”
45:02 Maike Schaefer war die einzige im Senat, die was getan hat – auch wenn ich’s nicht gutfand. Aber sie hat etwas getan.
Liebe Blog-Leser m/w, das Interview ist 53:51 Minuten lang, Trotzdem: Schauen Sie es sich an, es ist aus meiner Sicht ein Dokument bremischer Politik.
Hier der versprochene Link
https://www.butenunbinnen.de/videos/exklusiv/kroemer-talk-meyer-heder-cdu-102.html
Nachbemerkung: Ich habe Carsten Meyer-Heder in früheren Beiträgen (1. Februar 2022, 6. Februar 2022, 12. Mai 2022) teilweise heftig kritisiert, weil er sich im Politik-Betrieb einfach nicht zurechtgefunden hat – und dennoch mitgespielt hat. Dabei bleibe ich auch. Jedoch verlangt mir sein Interview bei Radio Bremen Respekt für seine entwaffnende Ehrlichkeit und Offenheit ab. Leider sind alle Parteien bis auf BD pawlow-mäßig auf den AfD-Satz angesprungen.
Politik wird das Erstarken der AfD weder durch Ignoranz noch blubber-artige Presseerklärungen zurückdrängen, sondern nur durch konsequente und an den Nöten der Bevölkerung ausgerichteten Politik.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Carsten Meyer-Heder hat sich bei LinkedIn auf seiner Firmenseite “team neusta” für seine “Äußerungen im Hinblick auf eine Zusammenarbeit mit der AfD” entschuldigt. Ist der Mann plötzlich so verzagt wie zu viele Bürger m/w, die meinen, “man dürfe heutzutage nicht mehr sagen, was man denkt”, oder steckt Schlimmeres dahinter? In diesen aufgeheizten, übertrieben woken Zeiten würde es mich wirklich nicht wundern, wenn “politisch-überkorrekte” neusta-Kunden mit Kündigung eines Auftrages gedroht hätten. Oder, noch heftiger, irgendwelche Chaoten die Firma bedroht hätten. Das LKA kennt solche Fälle zuhauf. Klingt für Sie vielleicht irre – ist aber leider denkbar.
Das ist der bisher einzige journalistische Beitrag, der sich mit dem Inhalt des wirklich bemerkenswerten, weil offenen Interviews auseinandersetzt. Dafür erst einmal Dankeschön, weil so der Glaube an eine redliche, sachliche und korrekte Berichterstattung nicht ganz verloren geht.
Statt sich der benannten berechtigten Probleme zu widmen, die den Leuten unter den Nägeln brennen, wird an Herrn Meyer-Heder exekutiert, was er genau anprangert.
Dieser journalistische Stil ist wie die Bremer Politik in vielen Bereichen und wird den drängenden Themen, der Stadt und ihren Bürgerinnen und Bürgern nicht im Ansatz gerecht.
Lieber Axel Schuller,
Das ist wieder eine journalistische Perle! Genau so sehe ich es auch.
Traurig, wie einige Mitglieder der CDU über CMH herfallen. Ein Zeichen, wie zerstritten die Fraktion ist.
Bei r-g-r war nichts anderes zu erwarten. Ein Lehrstück zum Thema Cancel Culture.
Hallo Herr Schuller
Toller und ehrlicher Bericht. Das ist seriöser Journalismus und nicht wie bei vielen, übrigens auch bei den Parteien (ausser BD) eine “Hexenverfolgung”.
Das ist mir aus der Seele gesprochen. Punkt 31.40 zieht sich wohl durch die gesamte Gesellschaft. Und eine gute Politik besteht eben aus einer Summe von Meinungen egal von wem. In einem Stadtstaat besonders schlimm wenn Egoismus und Ideologie gepflegt werden. Die Folgen die Fehler zu korrigieren dauern Jahrhunderte, wie man aus der Geschichte weiß. Schade das cmh aus der Politik verschwindet. Schade, dass ihn niemand versteht (oder verstehen will). Seine Entschuldigung dürfte zur Sicherheit gewesen sein und nicht aus Überzeugung.
Ich sehe das wie Sie, Herr Schuller. Dem ist nichts hinzuzufügen. Schade um CMH, aber auch um die Bremer CDU, deren Führungspersonal kein Standing zeigt.
CMH hat nicht stets unrecht. Aber politikfähig ist er eben nicht. Nie gewesen! HJL
Es ist wichtig, auf das ganze Interview aufmerksam zu machen. Überdeutlich wird, dass die Presselandschaft in Bremen (und anderswo) nicht mehr ihren Aufgaben gerecht wird. Interessant war zu verfolgen, wie der Journalist selbst ins Straucheln geriet, als CMH beispielhaft einforderte, dass Medien zunächst einmal den Wahrheitsgehalt der Zahnarzt-Aussage von Friedrich Merz recherchieren sollten, anstatt sofort in den großen Chor der Cancel Culture einzustimmen (36:18).
Carsten Meyer-Heder ist einfach zu ehrlich für einen Politiker. Unternehmer halten sich (leider) nie lange in der Politik. Irgendwann knallt es und das Parteigeschiebe ohne an die Bürger und Bremen zu denken wird offensichtlich unerträglich. Dann passiert genau das, was jetzt CMH passiert. Politik, vor allem in Bremen, wird immer unerträglicher. Und da wundern wir uns, warum die AFD immer stärker wird? Medien, wie der Weser Kurier und Radio Bovenschulte, sorry ich meinte natürlich Radio Bremen, haben einen großen Anteil daran, wenn sie ein Interview wie dieses so reduzieren. Bremen, deine Zukunft sieht duster aus!
Was er in seinem Interview sagt, trifft voll auf die CDU Bremen zu. Politik lebt davon, starke Leute nicht hochkommen zu lassen. Trifft vor allem auf die CDU zu. Siehe Frau Benz
Danke für die Bewertung.
Und weil es in HB so ist, wie es ist, wird HB auch nie mehr den Hintern hoch bekommen. Es werden Parteifreunde mit Posten versorgt und bei Freunden der Parteifreunde deren Wohlfühlprojekte mit Geldern finanziert.
Woher das Geld kommt und wie es gelingt ein Umfeld zu schaffen, in dem mehr Steuern bei geringeren Steuersätzen abgeschöpft werden könnte, interessiert niemanden.
So bleibt HB für immer Schlusslicht. Nur eine Fusion von Bundesländern zu einem „Nordstaat“ könnte für Aufschwung sorgen. Aber das wissen die Kurfürsten in den Landesparlamenten zu verhindern. Wir sind verloren….
Björn Tuchscherer