Spurensuche: Weshalb verhindert Handelskammer unsinnige Martinistraße nicht – zu schlaff?

08.10.2023 5 Von Axel Schuller

Des Bremers inzwischen meist gehasstes „Kind“, die  verkorkste Martinistraße, bleibt so wie sie ist – zweispurig. Der Bus hängt während der Rush Hour also weiter „umweltfreundlich“ im Stau. Was soll das? Warum macht die Handelskammer nicht endlich Rabatz? Warum lässt die neue Verkehrssenatorin den Unfug einfach weitertreiben? Mal was Neues: bremensogesehen.com auf Spurensuche.

Als normal denkender Bürger m/w nimmt man an: Grüne bei der Wahl gedemütigt, Schaefer weg, also kann der Unfug in der Martinistraße jetzt endlich beendet werden. Pustekuchen! Die neue Mobilitätssenatorin Özlem Ünsal (SPD) lässt zwar Poller entfernen, aber: Die ehemals vierspurige Erschließungs- und Durchgangsstraße bleibt künstlich zweispurig. Aktuell wird in der Martinistraße ein bisschen gepinselt. Das war’s.

Warum, fragt sich der eben normal Denkende, schreit die sonst um Stellungnahmen nie verlegene Handelskammer nicht laut auf? Warum macht Ünsal da weiter, wo Schaefer aufgehört hat?

Zunächst zu Ünsal. Die Frau ist zwar neu in Bremen und – wie man hört – voller Tatendrang. Aber, auch eine Senatorin muss sich an politische Spielregeln halten. Die Baudeputation hatte am 13.April 2023 – vorsichtshalber noch fix vor der Wahl – beschlossen, Martini bleibt zweispurig, wird neu angemalt. Ende, Gelände.

Wenn jemand die Chance hätte, das Thema noch einmal grundsätzlich und mit Nachdruck aufzurollen, wäre dies – beispielsweise – die Handelskammer. Macht sie aber nicht. Wie ich höre, gibt es im Kammerplenum offenbar widerstrebende Interessengruppen. Die kleinere der beiden ist der Behörden-Erzählung auf den Leim gegangen, eine um zwei Spuren abgespeckte Straße erleichtere es Schlachte-Besuchern, die Autoroute zu queren. Vergessend, dass die Straße vor und nach der „Umgestaltung“ asphalttechnisch genau so breit ist wie zuvor. Zwei der vier Fahrstreifen werden lediglich zu Radwegen umgepinselt. Fragen Sie mal Volkes Stimme, welche aus Fußgängersicht als gefährlicher gelten – Rad- oder Autotrasse? Automobilisten stehen mehrheitlich im Ruf, sich zwar nicht immer ans Tempo, aber häufig zumindest an rote Ampeln zu halten. Außer vielleicht den „Autoposern“, die im Sommer in der Martinistraße – ungehindert – wie brünftige Hirsche röhrend langrasen.

Nun zur Kammer-Mehrheit, welche die aktuelle Zweispurigkeit eigentlich doof findet, aber den “Verkehrsentwicklungsplan” 2019 mit Grummeln mit beschlossen hat. Diese Gruppe legte ihrer Einschätzung leider zwei falsche Annahmen zu Grunde: 1. Der Wesertunnel der A 281 sei kurze Zeit später fertig. Mit der von Planern errechneten Folge: Etwa 70 Prozent des Martini-Verkehrs würde entfallen. Tunnel? War da was? Nach gefühlt unendlich langer Planung soll das Teil (angeblich) 2029 fertig werden. Schaun wir mal.

Zweite Fehleinschätzung der Kammer-Mehrheit: Die Straßenbahn werde künftig durch die Martini– statt Obernstraße fahren. Wenn dem dann so wäre, müsste eh auf zwei Martini-Fahrspuren zugunsten der Schienen verzichtet werden. Also, so die Überlegung von 2019, könne man das doch gleich tun, zunächst die Radspuren ausweisen und anschließend in der Mitte die Gleise verlegen.

Gut überlegt, aber Rechnung ohne den städtischen Wirt gemacht.

Bremen muss 2024 für Personal, Zinsen, Energie, Geno, BSAG usw. deutlich mehr ausgeben. Gleichzeitig wird der Staat – nach aktueller Schätzung – weniger Geld einnehmen, so dass sich unser Zwergen-Land künftig extrem wenig über den Durst leisten kann. Ich vermute, dass die Verlegung der Bimmelbahn in die Martinistraße dieser wachsenden Finanznot zum Opfer fallen wird.

Also erneut: Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Damit auch Umland-Bewohner weiter gut in die Bremer City gelangen und hier Geld ausgeben können, wäre also eine ungehinderte Zufahrt in die Parkhäuser an sich schlau. Beispielsweise durch die Vierspurigkeit der Martinistraße. Denn der Wall ist mittlerweile als Zu- und Abfahrt teil-kastriert. Und der Ausweg über die Neustadt – da verweigern sich unerhörterweise die maroden Brücken.

Vielleicht wird’s in der Martinistraße ja doch noch was – dank Handelskammer oder, fast schon vergessen: der Opposition in der Bremischen Bürgerschaft.

Übrigens: Wichtiger als eine bloß optisch schmalere Straße sind in der Winterzeit deutliche Hinweise in der City, damit Besucher die Wege zum Weihnachtsmarkt und Winterzauber an der Schlachte einfacher finden.

Und noch eins: Die meisten Radler benötigen die Martiniroute nicht, weil sie lieber an der Schlachte/Weser entlang fahren.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Es ist spannend, wie einige Blog-Leser die neue Kommentar-Möglichkeit auf bremensogesehen.com nutzen. Schauen Sie mal vergangene Beiträge an. Ist ja Sonntag, gibt keine frische Tageszeitung.