Lachhaftes aus der Digital-Steppe Bremen: Besucherparken vom Zehner-Block
Oh Bremen, DU – durch die rosa Brille betrachtet – noch immer geliebte Wahlheimat! Was soll bloß aus dir Schönen (Stadt) werden? Verwaltungen und städtische Betriebe sind teilweise derart marode, dass man glatt heulen könnte. Zwar führen einige Verwaltungsleute die Begriffe „digital“ und „smart“ gekonnt im Mund, aber: Bremen ist bei einer Untersuchung von 81 deutschen Großstädten – ich schäme mich! – auf Rang 63 gelandet. Beispielhaft kann man Bremens digitales Hintertupfing-Niveau am Anwohnerparken und am Chaos im Flughafen ablesen.
Schauen wir uns zunächst das „Bewohnerparken“ an. Die Jahresgebühr steigt von 30 auf 75 Euro (150 Prozent) für einen Jahres-Parkausweis. Für sich genommen ist das keine Mördersumme.
Aber: Wofür zahlt man das eigentlich? Dafür, dass man in seiner Straßen keinen festen Parkplatz erhält? Dass man weiterhin die reguläre Kfz-Steuer bezahlen muss? Dass man selbstverständlich Strom-/Mineralöl– und Mehrwertsteuer entrichten muss?
Oder dafür, dass Fremde auf der Suche nach einem Parkplatz – brutal-„umweltfreundlich“ – mehrfach durch Wohnstraßen gurken?
Und jetzt kommt ein echter Brüller: Was müssen die Besucher von „Bewohnern“ beachten?
Der Frage müssen Sie mal im Internet nachgehen. Ich verspreche hohen Unterhaltungswert. Unsere durch und durch digitalisierte Stadtverwaltung (haha, prust, wälz) hält für den Fall eines drohenden Besuches ein komplettes Regelwerk vor. Wohnt man in einer Straße mit Bewohnerpark-Regelung, benötigt man für die „besuchende“ Tante Maike oder Opa Dirk allerlei Utensilien.
Ich zitiere das „Amt für Straßen und Verkehr (ASV)“: Einen „Besucherblock (10 Karten / 1 Karte = 1 Kalendertag gültig)“ für eine Gebühr von 25 Euro. Oder, eine „Besucherwochenkarte, Gebühr 15 Euro“. Zu erwerben beim Amt. Einer der vielen 24-Stunden-Kioske oder von mir aus auch ein verdächtig süßlich duftender Coffeeshops – sind natürlich nicht vorgesehen.
Auf der ASV-Website ist im Weiteren alles, wirklich alles geregelt. Ich zitiere erneut:
„Es können maximal 2 Besucherblöcke oder 4 Wochenkarten oder 1 Besucherblock und 2 Wochenkarten im Monat erworben werden.“
Damit sich Anwohner erst gar nicht wie der Block-Wart vom Park-Kiez fühlen oder womöglich so aufführen, ist ferner strengstens geregelt:
„Die Besucherkarten / Wochenkarten dürfen nicht weiterverkauft und auch nicht an Gewerbe oder Mitarbeiter:innen von Gewerbebetrieben / Vereinen / Institutionen / Freiberufler:innen weitergegeben werden.“
Uff, immerhin haben sie das Gendern gebimst… Achtung, jetzt wird es modern: Anträge fürs Bewohnerparken kann man immerhin online stellen. Boah ej. Aber, keine Bange, bremische Ureinwohner: Notfalls steht auch noch die bewährte Nachrichten-Übermittlungs-Maschine namens Fax bereit.
Liebe (sich selbst?) „Verwaltende“: Ich befürchte, Sie haben nicht nur ein Rad ab…
In dem Bremer Vorort namens Hamburg wird (natürlich) ebenfalls das einträgliche Bewohnerparken gehandhabt. Klaro, alle Kommunen geiern nach immer neuen Einnahmequellen. Aber, Beispiel aus der Praxis: Besuchen wir beispielsweise unsere Kinder in dem kleinen Elbstädtchen, tippen Sohn oder Schwiegertochter unser Kennzeichen in eine App – und fertig. Anwohnerparken im an sich teuren Hamburg kostet für Onliner jährlich übrigens 65 Euro. Und der angemeldete Besuch muss pro Tag – elektronisch – drei Euro blechen. Ich sach Ihnen, diese Hamburger sind wahre Zauberer…
Zurück in die Weser-Metropole. Den zurückgebliebenen Zustand Bremer Behörden/Betriebe kann man nicht nur im ASV, Stadtamt oder Bauamt, sondern beispielsweise auch am Flughafen, sorry: Hans-Koschnick-Airport, studieren. E-Parking ist machbar, Herr Nachbar. Aber: Man muss Anfangs- und Endzeit vorab buchen. Wehe, der Flieger landet verspätet auf dem Neuenlander Feld. Dann heißt es: gegebenenfalls im Pulk nachlösen. Wie’s anders geht, zeigt der Airport Hannover: Dort erfasst ein teuflisches Gerät der Neuzeit (beim Rein- und Rausfahren) die Nummernschilder – und rechnet ab.
Nochmal zum Hans-Koschnick-Landeplatz: Willste weg, gehste am besten Stuuunden vorher zur Personenkontrolle. Und wenn man Glück hat, sitzt man anschließend sogar im Flieger. Ist in den vergangenen Wochen selbst sehr pünktlichen Fluggästen nicht immer gelungen.
Ein weitgereister Blog-Leser schwärmte jüngst über einem Abflug von BER, dem Image-Loser Airport Berlin: „Da können Sie für die Personenkontrolle vorab online einen Slot buchen, kommen hin und sind sofort dran. Das kostet nicht mal was.“ Bieten übrigens auch FRA, MUC, HAM…
Schöne, neue Welt, aber nicht bei uns.
Hier geht seit bald 80 Jahren alles seinen gewohnt sozialistischen Gang. Nicht zu unterschätzender Vorteil (jedenfalls laut unserer meinungsbildenden Heimatzeitung): Wer das Mittelmaß bevorzugt, wird nicht so häufig enttäuscht…
Geneigte Leserschaft: Ich „spieße“ Themen auf, bin aber kein Miesmacher, erst recht kein Miesepeter. Dass ich heute ein wenig an Bremen als Digital-Steppe verzweifle, hat einen handfesten Grund. „bitkom“, ein Verband von über 2.200 IT-Unternehmen, kürt seit Jahren Deutschlands „smarteste“ (also digital am besten vernetzte) Stadt. Aktuell hat es Hamburg auf Platz 1 geschafft. Vor München und Dresden. Dann kommt lange nix. Oldenburg prescht mit großem Eifer auf Platz 31. Dann kommt wieder lange nix.
Bremen erreicht (sinnbildlich) mit hängender Zunge Rang 63 (von 81).
Verstehen Sie jetzt die Verzweiflung Ihres Bloggers?
Heute ein trotziges: Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
Digitalisierung? Ich wäre schon froh, wenn ich per Telefon einen Menschen erreichte. Performa-Nord hat es geschafft, mich verzweifeln zu lassen. Ich habe einen BRIEF gechrieben, weil auch eine Mailanschrift auf dem Schreiben der Performa nicht angegeben war. Die Bremer Verwaltung ist eben doch unschlagbar: kein Bürger kann sie mit Fragen stören.
Doch ich möchte auch nicht ungerecht sein: die Mitarbeiter (m/w/d) haben immer neue Richtlinien, immer weniger Personal und einen Personalrat, der das Neue grundsätzlich furchtbar findet.
Traurig, dass Bürgerschaftswahlen nichts ändern.
Stellt euch vor, die Jungs und Deerns in Bremen würden Stempel, Fax, Schneckenpost etc. beiseitelegen und die wundersame Welt der Digitalisierung entdecken. Was kommt dann? Die sekundengenaue Gebührenabrechnung für das Betreten und Befahren der Innenstadt? Schrittzähler? Ich fürchte, die würden das schaffen, und noch viel mehr!
Dann lieber warten auf einen kompetenten Godot 😂
Aktueller Fall: Bewohnerparkausweis verloren (beim Fahren mit offenem Fenster rausgeweht). Anruf beim ASV: Nein, Sie können erst Ersatz beantragen, wenn Sie ein Verlustformular ausgefüllt haben. Nein, das gibt es nicht online, ich schicke es Ihnen zu. Ach, ihr Mann ist Halter des Fabrzeugs? Dann soll er sich melden und das Verlustformular ausfűllen. 2ter Versuch: Mit wem haben Sie denn gesprochen? Ich sehe hier nichts im System. Rufen Sie doch Montag nochmal an, die Kollegen sind alle im Wochenende. 3ter Versuch: Die Kollegen sind leider gerade alle im Gespräch, bitte versuchen Sie es doch später noch einmal. Ja, ich kann es notieren, dass Sie auf dieses Formular warten, aber ich kann nichts garantieren. Am besten Sie rufen direkt an. 4ter Versuch: Ja, ich schicke es direkt heute raus. Wir haben das Formular zur Anzeige zum Verlust des Bewohnerparkausweises bis heute nicht bekommen. Und ohne Verlustanzeige gibt es auch keinen Ersatz.
Ob Besucherkarten für »Bewohnerparken« vom Amt oder die Unfähigkeit hybride Beiratssitzungen zu organisieren: Die Verwaltung unserer Lieblingsstadt hat die Zukunft, die bereits anderswo gelebte Gegenwart ist, ziemlich verschlafen. Die Unfähigkeit des Bremer Rathauses zum Beispiel hybride Beiratssitzungen für die BürgerInnen zu organisieren, konterkariert die eigenen Ansprüche im Bremer Leitbild für Bürgerbeteiligung. Die dort definierte Forderung nach niedrigschwelligen Beteiligungsmöglichkeiten wirkt so wie Hohn. Seltsamerweise ist dieses Nichtstun in Sachen Digitalisierung zwecks mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz für die verschlafene Bremer Opposition immer noch kein Thema. https://www.rathaus.bremen.de/leitbild-buergerbeteiligung-80792?fbclid=IwAR2AhWQRKIu0OG7hPv7k3iM4mgPBxA0jyun6tcd76SEFj4bylf1_TqlQyZk
Einfach nur unglaublich, was sich die Politik und Verwaltung in dieser Stadt auf unsere Kosten leisten! Die Absurdität lässt es humorvoll erscheinen und zugleich ist es ein Armutszeugnis, was diese Stadt-Regierung (deutlich unter Mittelmaß) nicht organisiert bekommt. Danke, dass Du uns dazu auf dem Laufenden hältst….
Wenn der Besucherparkausweis vor der Frontscheibe verrutscht und nicht alle Details gut lesbar sind, gibt es unweigerlich ein Ordnungsgeld von 20 Euro. Und das, obwohl die Stadt in ihren Dateien weiß, daß das Kennzeichen registriert und die Jahresgebühr entrichtet ist. Und die Gerichte in Bremen geben der Stadt recht: man darf offenbar nicht erwarten, daß das überprüft wird.
In Baden-Württemberg ( ich kenne das aus Heidelberg) werden die Kennzeichen der Fahrzeuge per Scannung gelesen und online überprüft. . Einlegen des Ausweises obsolet.
Die Personalproduktivität des Ordnungsdienstes ist dort mindestens 3mal so hoch. Und in Bremen jammert man über die Personalnot..
Auch da gilt in Bremen: Warten auf Godot.
Klarer Fall: Hier müssen wohl dringend neue Beamte eingestellt werden, welche durch die gesteigerten Anforderungen an unsere ausgeklügelte (Selbst-)Verwaltung notwendig werden. Bewerbungen werden natürlich per auch per Fax angenommen.
Bitte meinen Vorschlag nicht teilen. Die SPD könnte daran Gefallen finden und entsprechend handeln.
Nun, irgendwie müssen ja die neuen und irgendwie leeren Radlerautobahnen quer durch die schon verwaiste Bremer Innenstadt auch bezahlt werden. Und
Digitalisierung kostet ja auch !