Lachhaftes aus der Digital-Steppe Bremen: Besucherparken vom Zehner-Block

29.10.2023 9 Von Axel Schuller

Oh Bremen, DU – durch die rosa Brille betrachtet – noch immer geliebte Wahlheimat! Was soll bloß aus dir Schönen (Stadt) werden? Verwaltungen und städtische Betriebe sind teilweise derart marode, dass man glatt heulen könnte. Zwar führen einige Verwaltungsleute die Begriffe „digital“ und „smart“ gekonnt im Mund, aber: Bremen ist bei einer Untersuchung von 81 deutschen Großstädten – ich schäme mich! – auf Rang 63 gelandet. Beispielhaft kann man Bremens digitales Hintertupfing-Niveau am Anwohnerparken und am Chaos im Flughafen ablesen.

Schauen wir uns zunächst das „Bewohnerparken“ an. Die Jahresgebühr steigt von 30 auf 75 Euro (150 Prozent) für einen Jahres-Parkausweis. Für sich genommen ist das keine Mördersumme. 

Aber: Wofür zahlt man das eigentlich? Dafür, dass man in seiner Straßen keinen festen Parkplatz erhält? Dass man weiterhin die reguläre Kfz-Steuer bezahlen muss? Dass man selbstverständlich Strom-/Mineralöl– und Mehrwertsteuer entrichten muss? 

Oder dafür, dass Fremde auf der Suche nach einem Parkplatz – brutal-“umweltfreundlich” – mehrfach durch Wohnstraßen gurken

Und jetzt kommt ein echter Brüller: Was müssen die Besucher von „Bewohnern“ beachten?

Der Frage  müssen Sie mal im Internet nachgehen. Ich verspreche hohen Unterhaltungswert. Unsere durch und durch digitalisierte Stadtverwaltung (haha, prust, wälz) hält für den Fall eines drohenden Besuches ein komplettes Regelwerk vor. Wohnt man in einer Straße mit Bewohnerpark-Regelung, benötigt man für die „besuchende“ Tante Maike oder Opa Dirk allerlei Utensilien. 

Ich zitiere das “Amt für Straßen und Verkehr (ASV)”: Einen „Besucherblock (10 Karten / 1 Karte = 1 Kalendertag gültig)“ für eine Gebühr von 25 Euro. Oder, eine „Besucherwochenkarte, Gebühr 15 Euro“. Zu erwerben beim Amt. Einer der vielen 24-Stunden-Kioske oder von mir aus auch ein verdächtig süßlich duftender Coffeeshops – sind natürlich nicht vorgesehen.

Auf der ASV-Website ist im Weiteren alles, wirklich alles geregelt. Ich zitiere erneut:

„Es können maximal 2 Besucherblöcke oder 4 Wochenkarten oder 1 Besucherblock und 2 Wochenkarten im Monat erworben werden.“

Damit sich Anwohner erst gar nicht wie der Block-Wart vom Park-Kiez fühlen oder womöglich so aufführen, ist ferner strengstens geregelt: 

„Die Besucherkarten / Wochenkarten dürfen nicht weiterverkauft und auch nicht an Gewerbe oder Mitarbeiter:innen von Gewerbebetrieben / Vereinen / Institutionen / Freiberufler:innen weitergegeben werden.“

Uff, immerhin haben sie das Gendern gebimst… Achtung, jetzt wird es modern: Anträge fürs Bewohnerparken kann man immerhin online stellen. Boah ej. Aber, keine Bange, bremische Ureinwohner: Notfalls steht auch noch die bewährte Nachrichten-Übermittlungs-Maschine namens Fax bereit.

Liebe (sich selbst?) „Verwaltende“: Ich befürchte, Sie haben nicht nur ein Rad ab…

In dem Bremer Vorort namens Hamburg wird (natürlich) ebenfalls das einträgliche Bewohnerparken gehandhabt. Klaro, alle Kommunen geiern nach immer neuen Einnahmequellen. Aber, Beispiel aus der Praxis: Besuchen wir beispielsweise unsere Kinder in dem kleinen Elbstädtchen, tippen Sohn oder Schwiegertochter unser Kennzeichen in eine App – und fertig. Anwohnerparken im an sich teuren Hamburg kostet für Onliner jährlich übrigens 65 Euro. Und der angemeldete Besuch muss pro Tag – elektronisch – drei Euro blechen. Ich sach Ihnen, diese Hamburger sind wahre Zauberer… 

Zurück in die Weser-Metropole. Den zurückgebliebenen Zustand Bremer Behörden/Betriebe kann man nicht nur im ASV, Stadtamt oder Bauamt, sondern beispielsweise auch am Flughafen, sorry: Hans-Koschnick-Airport, studieren. E-Parking ist machbar, Herr Nachbar. Aber: Man muss Anfangs- und Endzeit vorab buchen. Wehe, der Flieger landet verspätet auf dem Neuenlander Feld. Dann heißt es: gegebenenfalls im Pulk nachlösen. Wie’s anders geht, zeigt der Airport Hannover: Dort erfasst ein teuflisches Gerät der Neuzeit (beim Rein- und Rausfahren) die Nummernschilder – und rechnet ab.

Nochmal zum Hans-Koschnick-Landeplatz: Willste weg, gehste am besten Stuuunden vorher zur Personenkontrolle. Und wenn man Glück hat, sitzt man anschließend sogar im Flieger. Ist in den vergangenen Wochen selbst sehr pünktlichen Fluggästen nicht immer gelungen. 

Ein weitgereister Blog-Leser schwärmte jüngst über einem Abflug von BER, dem Image-Loser Airport Berlin: „Da können Sie für die Personenkontrolle vorab online einen Slot buchen, kommen hin und sind sofort dran. Das kostet nicht mal was.“ Bieten übrigens auch FRA, MUC, HAM

Schöne, neue Welt, aber nicht bei uns. 

Hier geht seit bald 80 Jahren alles seinen gewohnt sozialistischen Gang. Nicht zu unterschätzender Vorteil (jedenfalls laut unserer meinungsbildenden Heimatzeitung): Wer das Mittelmaß bevorzugt, wird nicht so häufig enttäuscht

Geneigte Leserschaft: Ich “spieße” Themen auf, bin aber kein Miesmacher, erst recht kein Miesepeter. Dass ich heute ein wenig an Bremen als Digital-Steppe verzweifle, hat einen handfesten Grund. „bitkom“, ein Verband von über 2.200 IT-Unternehmen, kürt seit Jahren Deutschlands „smarteste“ (also digital am besten vernetzte) Stadt. Aktuell hat es Hamburg auf Platz 1 geschafft. Vor München und Dresden. Dann kommt lange nix. Oldenburg prescht mit großem Eifer auf Platz 31. Dann kommt wieder lange nix.

Bremen erreicht (sinnbildlich) mit hängender Zunge Rang 63 (von 81).

Verstehen Sie jetzt die Verzweiflung Ihres Bloggers?

Heute ein trotziges: Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller