Errichtet Bausenatorin jetzt eine Chinesische Mauer in ihrem Kopf?

29.11.2023 1 Von Axel Schuller

Wissen Sie, dass dem Bremer Senat wahre Teufelskerle und -„kerlinnen“ angehören? Bausenatorin Özlem Ünsal ist so eine. Sie ist Aufsichtsratschefin zweier bremischer Unternehmen, die in derselben Branche aktiv sind. In der Wirtschaft würde solches Tun am „Corporate Governance Kodex“ scheitern. Auch spannend: Das eine Unternehmen, die Brebau, „verlost“ Wohnungen an Mieter; das andere, die Gewoba, macht dies laut eigenen Aussagen nicht. Frau Ünsal, was nun?

Geneigte Leserschaft, bevor es zur Sache geht, ein Hinweis: Den Kommentar der Woche zum Blog über den Niedergang des Wohnungsbaus hat David Huber geschrieben: „Auf Radwegen kann man nicht wohnen.“ Den muss man sich merken! Schauen Sie mal nach. Die Kommentar-Funktion ist für jedermann offen.

So nun zum neuen „doppelten Lottchen“ im Senat: Özlem Ünsal (SPD). In vielen Ländern achten Minister häufig darauf, nicht selbst in Aufsichtsräten öffentlicher Unternehmen zu sitzen. Die entsenden ihre Staatssekretäre, damit – im Fall der Fälle – ein Skandal den Minister nicht den eigenen Polit-Posten kosten kann. Bremen tickt mal wieder anders.

Beispiel Brebau: Als dort bekannt wurde, dass die Sachbearbeiter sich bei der Vergabe der rund 6.000 Wohnungen Notizen über die Bewerber machen, hätte es AR-Chef Finanzsenator Dietmar Strehl (Grüne) fast den Job gekostet. Dazu später mehr. Vor allem dazu, wie die Brebau jetzt agiert.

Nur, weil sich der von unserem Heimatsender präsentierte Fall als über-skandalisiert herausstellte, durfte Strehl bis zur Pension im Amt bleiben.

Gelernt hat der Bremer Senat daraus nur bedingt.

Özlem Ünsal, die seit ihrer Wahl im Juli 2023 den Ruf der Zupackenden genießt, hat sich jüngst an die AR-Spitze der Gewoba (42.000 Wohnungen, zu 75 Prozent in bremischem Eigentum) wählen lassen. Und nun steht sie auch an der AufsichtsratsSpitze der bremischen Brebau (6.000 Wohnungen).

In der Wirtschaft wäre es igitt bis verboten, zwei konkurrierende Unternehmen zu beaufsichtigen. In Bremen hat sich der Senat zwar einen Kodex für die Tätigkeit in Aufsichtsräten gegeben (maximal 5 usw.) – aber, interessiert offenbar niemanden.

Stellen Sie sich mal vor: Wie verhält sich die AR-Chefin Ünsal künftig, wenn Gewoba und Brebau für dasselbe Großareal zur Bebauung bieten? Oder sich beide um Großeinkäufe von Wohnungsanlagen (Großer Düne) bemühen. Dabei geht es ja auch um Geschäfts-Geheimnisse

Errichtet sie dann einen Paravent im Kopf, der für die strikte Interessen-Trennung beider Unternehmen sorgt? Wie geht das? Ein gedanklicher Paravent reicht vermutlich nicht aus. Das muss schon eine chinesische Mauer sein.

Zur Erinnerung: Eine Aufsichtsratsvorsitzende beaufsichtigt nicht nur Vorstand/Geschäftsführung, sondern ist auch bei strategischen Entscheidungen (Großprojekte jeder Art) eingebunden.

Weiteres praktisches Beispiel: Wie geht Frau Ünsal mit der Tatsache um, dass die Brebau Wohnungen per Losentscheid an neue Mieter vergibt? Die Gewoba aber weiter darauf setzt, dass vorhandene und neue Mieter in ihren Anlagern zueinander passen. Wie machen die das eigentlich?

Bei der Brebau wird inzwischen wohl Kritik der Stamm-Mieter laut, wenn „nicht passende“ neue Bewohner in die Häuser ziehen.

Die Brebau-Chefs hatten nach dem „Skandal“, dass Aspiranten mit ausländisch klingendem Namen laut Radio Bremen angeblich keine Wohnungen erhielten, radikal reagiert (obwohl die Behauptung widerlegt wurde). Auf jeden Fall: Seitdem verlosen sie dort die Wohnungen. 

So gibt der Sender Ruh. Die Datenschutzbeauftragte, die geheime Notizen über Aspiranten (Hautfarbe, Religion etc.) moniert hatte, auch. Alles paletti. Nur die Stamm-Mieter finden’s doof. Aber seit wann ist ein Wohnungsunternehmen für die Kunden da?  

Ich vermute, dass die Brebau dieses Unsinns-Verfahren wieder aufgeben wird.

Interessant jedoch wird sein, für welchen Wohnungs-Vergabe-Weg Özlem Ünsal sich aussprechen wird. Bislang hat sie den Ruf der Pragmatikerin.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Noch ein Leckerli, dass dem neuen CDU-Landesvorsitzenden Heiko Strohmann nicht so recht schmecken wird. Laut CDU-Mitteilung stimmten 78,6  Prozent der Landesparteitags-Delegierten seiner Wahl zu. Real berechnet waren’s noch ein paar weniger: 76,5 Prozent. Die Erklärung: Bei der CDU werden die Enthaltungen laut Satzung nicht mitgezählt. Der aufmerksame Weser-Kurier notierte zwar: 127 Ja-Stimmen, 34 Nein-Stimmen, „und fünf Enthaltungen“. Das Rechnen überließen  die Kollegen aber offenbar der CDU. 

Fazit: Parteisatzungen sind zuweilen voller kleiner Hintertüren. Und: Strohmann muss sich in Zukunft noch mehr tummeln, um seine Mitglieder zu überzeugen.

P.P.S.: Zum Thema “Rechenkünste” der Parteien hat sich auch mein Alt-Kollege Eckhard Stengel in seinem Buch “Bremer Rundschau” (Kellner Verlag) ausgelassen.