Hat CDU Beißhemmung, weil Leiter des Skandalamtes der Sohn der CDU-Abgeordneten Grönert ist? Spurensuche

03.12.2023 8 Von Axel Schuller

Unfassbar: Da entzaubert die „eigene“ Innenrevision die „Heilige Anja“ (Grüne Ex-Sozialsenatorin Stahmann), weist (bislang) einen 1,5-Millionen-Euro-Schaden dank brutal schlechter Behörden-Organisation nach – und die CDU-Opposition reagiert mit gebremsten Schaum. Zwei Kinder, die sich in Obhut des Amtes befunden haben, sind gestorben – aber nur eine CDU-Abgeordnete (Sandra Ahrens) schaltet persönlich (nicht die Fraktion) die Staatsanwaltschaft ein. Will man etwa die eigene CDU-Sozialpolitikerin Sigrid Grönert schonen, deren Sohn Timon das Skandal-Jugendamt leitet?

Ich frage mich: Was hindert die versammelte Opposition von CDU, FDP und BD daran, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen? Gleich mehrere Themen schreien nach Aufklärung: Wie war es in einer angeblich ordentlichen deutschen Behörde möglich, dass allein in einem von sechs Sozialzentren 2.007 Akten in einem verlassenen Büro „verschwinden“ konnten. Dazu 4 Meter(!) Leitzordner mit „Postrückständen“. Ferner 68 nicht versandte  Briefe mit Postzustellungs-Dokumenten (also wichtigem Inhalt).

Man fragt sich unwillkürlich, wie es wohl um die Verwaltungsqualität in den anderen fünf Sozialzentren bestellt ist? Und in der gesamten Sozialbehörde.

Zwei Kinder, die unter der Aufsicht des Jugendamtes/Sozialzentrum 5 in der Vahr standen, sind gestorben. In den vergangenen zehn Jahren setzten Mitarbeiter dieser Sozialbehörde über 1.000 Hilfrufe an ihre Vorgesetzten ab. Dies nennt man förmlich „Überlastanzeigen“. Bedeutet: Das Personal teilt mit: Wir ersaufen in Arbeit, können keine ordnungsgemäße Bearbeitung mehr garantieren und: Wir lehnen jede Verantwortung für etwaige Folgen ab. Die Vorgesetzten antworteten meist mit immer gleichen Textbausteinen…

Geneigte Leserschaft, ich spinne mir diese Horror-Zustände nicht zusammen, sondern habe viele offizielle und inoffizielle Unterlagen angeschaut – auch den 57-seitigen Bericht der Innenrevision des Sozialressorts.

Daraus ergibt sich: Entscheidende Teile der bremischen Sozialverwaltung befinden sich offenbar in einem grotten-schlechten Zustand. Die Organisationsstrukturen sind derart  mies, dass ich heute – sechs Monate nach der von den Grünen vergeigten Bürgerschaftswahl – den Abgang der Grünen Senatorin Anja Stahmann in einem anderen Licht sehe: Die Frau ist offenbar nicht nur aus Respekt vor dem miesen Wahlergebnis ihrer Partei aus der Politik ausgestiegen. Sondern sie hat sich wohl auch der Verantwortung für das Chaos in der ihr unterstellten Behörde entzogen. Es drängt sich sogar der Verdacht auf, sie sei regelrecht geflohen.

Die „Heilige Anja“ hat – um es drastisch zu formulieren – offenbar teilweise einen Saustall hinterlassen.

Bremer Politiker (auch der Opposition), die der langgedienten Grünen für ihre „Konsequenz aus der Wahl“ Respekt, ja sogar Anerkennung für ihre Arbeit gezollt hatten, müssen ihre Haltung wohl überdenken.

Ich kann nicht alle unglaublichen Details aus bislang vorliegenden Berichten und Analysen vortragen (das gehört in einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss). Dafür müsste ich eine Serie auflegen.

Lieber begebe ich mit Ihnen, geneigte Leserschaft, heute mal auf einen anderen Pfad – auf eine  Spurensuche.

Wie kann und konnte es sein, dass die Spitze des Sozialressorts – Senatorin Anja Stahmann und ihr Grüner Staatsrat Jan Fries – das Ressort derart herunterkommen ließen? 

Dabei fällt zwangsläufig der Blick auch auf die parlamentarischen  Aufseher in der Sozialdeputation.

Schlaglichtartig und nur für die aktuelle Situation: Wer sitzt in der „Sozialdepu“? Welchen Hintergrund haben diese Politiker m/w? Was machen sie teilweise neben ihrem offiziell Halbtagsjob als Abgeordnete? 

Gleich mehrere dieser Aufseher kommen selbst aus dem Sozialbereich. Dies kann zwar durchaus für Fachkenntnis sprechen, bedingt zuweilen aber auch gedankliche, weil finanzielle Abhängigkeit der “eigenen” Institution.

Die handelnden Personen in der Übersicht: 

Siegrid Grönert, CDU, Mutter des im Bericht der behördlichen  Innenrevision belasteten Jugendamts-Leiters, Timon Grönert. Die Abgeordnete darf während der ihren Sohn direkt betreffenden Sitzungen der Deputation nicht abstimmen, aber sie kann dabeisitzen oder rausgehen. Gleichwohl wissen all ihre Kollegen um ihre Betroffenheit. Und gegenseitig tut man sich nicht so leicht weh…  (Anmerkung am Rand: Herr Grönert ist erst seit zwei Jahren Leiter der Chaos-Behörde, also dem Dach aller Jugendabteilungen der Sozialzentren. Sein Vorgänger, Rolf Diener, ist sogar zum Abteilungsleiter in der senatorischen Behörde aufgestiegen.)

Katharina Kähler, SPD, engagiert für die Innere Mission und der ambulanten Suchthilfe – also Organisationen, die öffentliche Gelder beziehen.

Valentina Tuchel, SPD, engagiert bei der Bremer Arbeiterwohlfahrt AWO und in der Migrationsberatung, s.o.

Nurtekin Tepe, SPD, Vorsitzender des internationalen Erziehungs- und Elternvereins, s.o.

Sahhanim Görgü-Philipp, Grüne, Traumafachberatin bei „Reisende Werkschule Scholen e.V.“ – ist ein Jugendhilfeträger in Bremen, s.o.

Hetav Tek, CDU, u.a. Familienhelferin bei der Bremer Erziehungshilfe, s.o.

Meltem Sagiroglu, BD, Geschäftsführerin einer Personal-Überlassung.

Selin Arpaz, SPD, engagiert für die Welthungerhilfe.

Ole Humpich, FDP, GF einer Marketingfirma.

Sofia Leonidakis, Linke, unterstützt „geflüchtete Menschen gegen Rassismus“.

Kerstin Eckardt, CDU, Bankkauffrau.

Liebe Leserinnen und Leser, Sie sehen: Viele Mitglieder der städtischen Deputation für Soziales, Jugend und Integration sind  neben ihren Parlamentsjobs ehrenamtlich oder beruflich für Organisationen tätig, die direkt oder indirekt auch von Geldern der Sozialbehörde profitieren.

Fazit: Eine gründliche Aufklärung der Skandale im Sozialressort ist nur in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss möglich!

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Zum vorigen Blog über die Bausenatorin als “doppeltes Lottchen” mit zwei Aufsichtsratsvorsitzen zweier konkurrierender kommunaler Unternehmen hat die FDP eine kleine Anfrage an den Senat gerichtet. Hurra, es gibt sie noch, die Opposition.