Wenn nicht jetzt, wann dann? Personalvertretungsgesetz ändern!
Das muss man sich mal vorstellen: Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1995 das Personalvertretungsgesetz für den öffentlichen Dienst in Schleswig-Holstein (SH) in drei Punkten als verfasssungswidrig zurückgewiesen. Das entsprechende Bremer Gesetz gilt seit 1974. Es enthält ähnliche wie vom obersten Gericht (21 Jahre später) monierte SH-Bestimmungen – aber: In Bremen juckt das niemand! Vor diesem Hintergrund erscheinen die teilweise katastrophalen Arbeitsergebnisse bremischer Behörden in einem anderen Licht… Unkeusche Frage: Verfügt die Bremische Bürgerschaft eigentlich noch über Kontrollettis, Opposition genannt?
Die Innenrevision des Sozialressorts hat das Thema Bremisches Personalvertretungsgesetz (BPVG) mal wieder auf die Rampe geschoben. Beim Aufarbeiten der teilweise Schlamp-Arbeit des Sozialressorts unter ihrer ehemaligen Chefin Anja Stahmann (Grüne) haben die Revisoren etwas Ungewöhnliches getan. Sie haben die mangelhafte Organisationsstruktur der Sozialbehörde aufs Korn genommen. Und: Zugleich haben sie die Forderung aufgestellt, die Rechte der Personalräte einzuschränken. Arbeitnehmervertreter würden das BPVG nämlich immer wieder nutzen, um Entscheidungen zu blockieren.
Die Revisoren weisen außerdem darauf hin, dass Personalräte an jeder Entscheidung beteiligt würden, aber nie Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen müssten. Anders als Amtsleiter, denen ihre Vorgesetzten Erfolgsbilanzen abverlangten.
Und die Opposition – CDU, FDP und BD – macht jetzt was?
Möglicherweise dasselbe, was sie (CDU und FDP) seit dem 4.9.2021 getan hat: Nix. Seinerzeit hatte die Chefin der Bremer Stadtreinigung, Daniela Enslein, in einem Weser-Kurier-Gastkommentar auf die Folgen der übermäßigen Rechte von Personalräten hingewiesen. Die Überschrift lautete: „Allzuständigkeit – Macht ohne Verantwortung“.
Reaktion von CDU und FDP: Schweigen im Walde.
Ich kann es (leider) immer nur wiederholen: Wer von einer derart wachen Opposition „beaufsichtigt“ und von – sagen wir mal – nicht immer aufmerksamen Medien begleitet wird, der kann bequem regieren.
Zum Personalvertretungsgesetz. Zu verdanken haben wir dies einem Mann, der zunächst ÖTV-Sekretär und später Bremer Bürgermeister war: Hans Koschnick. Der entstammte einer von den Nazis verfolgten Familie, hatte einen Horror vor Konflikten. Daraus resultierte seine zwar gut gemeinte, mit dem BPVG aber leider gescheiterte Sicht: Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssten sich stets zusammenraufen und gemeinsam einen Kompromiss finden.
Herausgekommen ist 1974 jenes Gesetz, das unter anderem die „Allzuständigkeit“ der Personalräte im öffentlichen Dienst festschreibt. Die Folge: Möchte ein Amtsleiter einen Mitarbeiter auch nur von der linken Seite des Behördenganges auf die rechte umsetzen – muss der Personalrat zustimmen.
Das fanden die höchsten Deutschen Richter 1995 (für SH) verfassungswidrig. Weitere Beispiele gefällig? Bremer Personal, das in der City eingesetzt wird, darf ohne Zustimmung des Personalrates nicht in einen anderen Stadtteil versetzt werden. Selbst wenn dort akuter Personalmangel herrscht.
Übertragen Sie das mal gedanklich auf Bremens größten Arbeitgeber, Mercedes Benz. Wenn dort – beispielsweise – die SL-Produktion nicht ausgelastet ist, die C-Klasse aber brummt, dann…ja dann wechseln Mitarbeiter – ohne Murren – an die andere Fertigungsstraße. Logo. Der Betriebsrat wird informiert und stimmt in der Regel zu. Schließlich wollen alle ihre Arbeit und Einkommen behalten.
Es gab mal Zeiten in Bremen, da haben CDU, FDP und selbst Grüne laut überlegt, man müsse das Personalvertretungsgesetz überprüfen und ändern.
Aber die SPD meint, ihr Wohl und Wehe hänge vom Öffentlichen Dienst ab. Ergo hatten die genannten Parteien keine Chance, mit ihren Vorschlägen und Anträgen durchzudringen. Die FDP war 2017 sogar so keck, dass sie – sinnvoller Weise – eine Expertengruppe (Enquetetekommission) einsetzen lassen wollte. Die Grünen (damalige Fraktionschefin: Dr. Maike Schaefer) wurde ebenfalls 2017 von den Sozen umgehend domestiziert.
Und so trug es sich zu, dass in Bremen, anders als in Schleswig-Holstein, niemand das Bremische Personalvertretungsgesetz einem Gericht zur Klärung vorgelegt hat. Wo kein Kläger, bekanntlich auch kein Richter.
Die Folge: Bremer Personalräte, mit der Arbeitsplatzgarantie des öffentlichen Dienstes gesegnet, blockieren (laut Revisionsbericht) auch in der Sozialbehörde jede Strukturänderung.
Dabei pfeifen es die berühmten Spatzen von den Dächern:
Die Neuordnung der Sozialen Dienste (NOSD) war ein Griff ins Klo. Früher gab es ein Sozialamt in vier Bezirken. Die vier Leiter stellten die Spitze. Vorteil: Sie saßen vor Ort, hatten ihren jeweiligen Laden mehr oder weniger im Griff.
Heute dagegen gibt es ein Dach namens Amt für soziale Dienste. Darunter existieren 6 Sozialzentren mit jeweils einem Leiter fürs Sozialamt und einem für Jugendhilfe. Die beiden „Dach-Residenten“ sind fernab in der Überseestadt.
Eine Rückkehr zur möglicherweise besseren Alt-Struktur scheitert – auch – am Personalrat, ist dem Innenrevisionsbericht zu entnehmen.
Und was lernen wir aus alledem? Bremen schafft sich seine Probleme auf vielen Ebenen selbst und jammert anschließend gern und laut: Mimimi, die anderen müssen uns mehr Geld überweisen.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Noch ein Schmankerl für Humor-Junkies. Im aktuellen Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und LINKEN heißt es zum Personalvertretungsgesetz:
„Die Koalition sieht in der Mitbestimmung der Personalräte einen wichtigen Faktor für die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Gemeinsam mit dem Gesamtpersonalrat und den Gewerkschaften werden wir erörtern, wo Mitbestimmungsprozesse in beiderseitigem Interesse gestrafft werden können. Das BremPersVG soll dabei unverändert bestehen bleiben.“
So formuliert man, wenn man nichts verändern will.
Vielen Dank für diesen mir aus der Seele sprechenden Kommentar. Wenn man sich überlegt, dass es sich bei den Mitarbeitern des ÖD um UNSERE Mitarbeiter, also die des Souveräns handelt, dann tanzen in Bremen die Mitarbeiter dem Souverän auf der Nase herum. Ich wüsste mal gerne, ob bei der Gewerkschaft des ÖD, Verdi, die dortigen Mitarbeiter ähnlich weit reichende Mitbestimmungsrechte haben wie im ÖD Bremens.
Als ich FDP-Fraktionsvorsitzender in der Bremischen Bürgerschaft war, haben wir immer wieder Vorstöße zur Anpassung des Bremischen PersVertretungsGesetzes an die vernünftigere Bundesregelung unternommen. Sie sind sämtlich an der SPD-Mehrheit gescheitert. Die FDP sollte jetzt das Gesetz verfassungsgerichtlich überprüfen lassen!
Aha, für Missstände in allen Bremer Behörden sind also die Personalvertretungen verantwortlich. Wenn es doch so einfach wäre.
Axel Schuller, wie viele Mitbestimmungsvorgänge erhalten denn so die Bremischen Personalvertretungen und wie hoch ist der Prozentsatz der davon tatsächlich abgelehnten?
Und warum gibt es in anderen Bundesländern mit Personalvertretungsgesetzen in Ihrem Sinne dann auch Behördenversagen, das dem in Bremen in nichts nachsteht?
Könnte es vielleicht auch an Führungsstruktur und mangelhafter Ausstattung liegen? Könnten Ablehnungen zu digitalen Projekten nicht zum Beispiel auch darin ihre Ursache haben, dass sie in ihrer Ausstattung und Zweckmäßigkeit genau von jenen als ungeeignet betrachtet werden, die damit arbeiten sollen?
Beschäftigte bei Mercedes haben übrigens eine deutlich geringere Arbeitszeit (35) als die 39,12 Stunden-Woche im ÖD und erhalten regelmäßig schöne Ergebnisbeteiligungen.
Der Fachkräftemangel hat den ÖD längst erreicht. Wenn man mit Hilfe der Personalräte nicht auf brauchbare Arbeitsbedingungen achtet, wird bald noch weniger Personal da sein. Wäre dann `ne neue Kolumne über lange Schlangen, unbearbeitete Anträge usw.
Die Interessen von rund 30.000 Mitarbeiter (m/w) sind durch das Personalvertretungsgesetz geschützt. Gehen wir mal davon aus, dass jeder einen Partner hat, dann sind das 60.0000 Wähler (w/m) die eine Stimme bei der Wahl zu vergeben habe. In Bremen ist das Hausnummer, die kein Politiker einfach mal so beiseite schieben kann und wird.
Sehr geehrter Herr Schuller,
vorab bin ich froh, dass Sie in keiner politischen Verantwortung stehen. Mitbestimmung ist ein demokratisches Grundziel und dient der Erhaltung des sozialen Frieden. Diese Angriffe auf die Mitbestimmung ist eine Gefahr für das Miteinander in unserer Gesellschaft. Aktuelle Beispiele der Volksverblödung wirken schon sehr deutlich in unser Land herein. Nicht umsonst nimmt der Einfluss von rechtsradikale Seite gefährlich zu.
Ihre Meinung und die entsprechenden Kommentare unterstützen diese gefährliche Entwicklung und tragen nicht zur Stabilität der Demokratie bei!!
Bernd Hillmann
Sehr geehrter Herr Hillmann,
bevor Sie Worte wie ” Volksverblödung” in den Mund nehmen, sollten Sie sachlich bleiben und sich mit der Meinung von Herrn Schuller einmal genauer auseinandersetzen. Es geht hier nicht um einen Angriff auf die Mitbestimmung an sich, sondern darum, daß das Bremische Personalvertretungsgesetz Regelungen enthält, die bundesweit einmalig sind und dem Personalrat Befugnisse einräumen, die jegliche notwendigen Fortschritte und Änderungen in der Verwaltung des Landes Bremen verhindern und sachgerechte Personalentscheidungen zumindest erschweren. Anscheinend sind Ihnen die gravierenden Unterschiede der Beteiligungsrechte zwischen betrieblicher Mitbestimmung und Bremischer Personalvertretung nicht bekannt. Man sollte nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, wenn man ernst genommen werden will.