Abgerocktes Bremen setzt jetzt schon auf potemkinsche Dörfer

22.12.2023 11 Von Axel Schuller

Oh Bremen, geliebte Hanse-Perle an der Weser, wie haben dich Rot-Grün (seit 2007) und nun seit 2019 Rot-Grün-Dunkelrot zugerichtet?! Die kleine, aber eben doch Großstadt ist so fertig, dass eine der wenigen extrem-wichtigen Verbindungsbrücken zwischen Neu- und Altstadt für Zweibeiner gesperrt werden muss. Und: Die Landeshauptstadt ist dermaßen runtergerockt, dass jetzt schon ein Senatsressort ein völlig unfertiges Taubenhaus (also ein potemkinsches Dorf) vorstellt. Was, um Gottes Willen, ist mit unserer Stadt los?

Geneigte Leserschaft, bislang hatte mir die Phantasie gefehlt, wohin offenbar orientierungslose Politiker, eine überwiegend zahnlose Vierte Gewalt und eine teil-abgestumpfte Bevölkerung unsere Stadt bringen können…

Heinrich Böll hätte vermutlich verzweifelt gerufen: 

ES MUSS ETWAS GESCHEHEN!

In der einst so großartigen Hansestadt Bremen kann man inzwischen den Überblick verlieren, was alles nicht mehr ordnungsgemäß funktioniert.

Ich versuch’s mal (ansatzweise). Sie, liebe Leserinnen und Leser, können das nun folgende Gedankengerüst gerne in der Kommentar-Rubrik ausschmücken.

Also: Bremen verfügt über fünf Weser-Querungen.

A1-Autobahnbrücke – mittlerweile künstlich verengt, damit das Teil nicht zusammenbricht.

Erdbeerbrücke: Belastungsgrenze: 20 Tonnen.

Wilhelm-Kaisen-Brücke: Belastung maximal 16 Tonnen.  Straßenbahnen (die neuesten wiegen 48 Tonnen) dürfen sich nicht mehr begegnen.

Bürgermeister-Smidt-Brücke – bisher auf 30 Tonnen beschränkt, aktuell: Fußgänger(!) verboten, Radfahrer müssen auf die einspurige Fahrbahn, Busse auch, Straßenbahnen dürfen den Fluss nur noch einzeln queren.

Aktuell stellt die Bremer ArcelorMittal-Hütte Stahlquarder je 40 Tonnen her, die jeweils auf die Brückenenden gelegt werden sollen. Bremens etwas eigenartige Interpretation von Panzersperren?

Ansonsten droht das Bauwerk wegen mehrerer gerissener Zuganker bei übermäßiger „mittiger Belastung“ an den Enden regelrecht hochzuklappen – wie die Matratze, wenn sich der fette Onkel aus Amerika ins Bett plumpsen lässt.

Apropos schwer: Würde mich – als blutigen Laien – überhaupt nicht wundern, wenn die plötzlich massiv auftretenden  Brückenschäden Folge der megaschweren neuen 48 Tonnen-Straßenbahnen wären… 

Stephanibrücke, ebenfalls nicht voll belastbar – auch dort wurden zwischenzeitlich Fußgänger ausgesperrt. Zur großen Häme von Extra-3. 🙂

Merke: Karthago ist nach dem dritten punischen Krieg untergegangen. Bei uns scheinen dafür demokratisch gewählte  Regierungen auszureichen.

Der Senat besteht aus 8 Ressortchefs m/w, die sich um ihre Fachgebiete kümmern (sollten). Weil die einzelnen Cracks ja nicht alles überblicken können, gibt’s noch einen Bürgermeister als CEO. 

Dr. Andreas Bovenschulte (SPD). Der rackert sich in einer vermutlich 70-, wenn nicht gar 80-Stunden-Arbeitswoche ab. Man trifft ihn überall: Im Rathaus bei Senatssitzungen, Beratungen, ungezählten Empfängen, im Bundesrat (wenn er nicht gerade kneift), bei Gesprächen mit Wissenschaftlern, bei Einweihungen – ja, er schmückt sogar Firmen-Events und selbst  SPD-Jubilars-Ehrungen stehen auf seinem „Laufzettel“.

Wir sehen: Er ist unermüdlich und bemüht. Letztes Verb sollte tunlichst in keinem Arbeitszeugnis auftauchen.

Anders ausgedrückt: Wäre Bovenschulte in der SPD von weitsichtigen und dynamischen Kräften umgeben, müsste er wohl um sein Amt bangen. Is aber nich so.

Bovenschulte mangelt es häufig an Entscheidungsfreude und vor allem an Visionen (oder, er spricht sie nicht aus).

Wie kann ein Bürgermeister so wenig Perspektiven für „seine“ Stadt entwickeln? Das tut schon weh. Schauen Sie mal nach Düsseldorf. Dort haben – nacheinander – drei tatkräftige Oberbürgermeister (erst CDU, dann SPD und jetzt wieder CDU) überlegt und entschieden, wie sie die City vorwärts bringen – für Besucher, Konsumenten und Bewohner. Das Ergebnis: ÖPNV, Autos, Radfahrer, Fußgänger – alle sind zufrieden.

Und bei uns? Da verrotten alle – in Einzelbuchstaben: a l l e – Weserbrücken gleichzeitig. Sorry, ich vergaß: Immerhin pendelt Hal Över verlässlich mit einer Uralt-Fähre von Frühjahr bis Herbst.

Im Senat plant man unterdessen Premium-Radwege und Fahrradbrücken. Noch besessener: wie man Autofahrer/Umländer am besten vergrault. Und neuerdings, wie man auf dem Domshof einen drei Meter hohen Hochsitz aufzuschütten kann. Zur besseren Orientierung: Die Berliner Mauer war 4,20 Meter hoch – da geht noch was… Als ob uns zwischen Deutsche Bank und manufactum nicht ein paar feste Marktstände ausreichten. Siehe Naschmarkt in Wien. Ein Burner!

Und sonst so? Alte, früher gepflegte Radwege und Straßen gammeln vor sich hin. Die Anbindung von Bremen-Nord findet seit April über eine einspurige Autobahn statt. Nota: Dort wohnen 100.000 Menschen! Im Rathaus schon mal etwas davon gehört? Mit der Wirtschaft führt der Senat einen dummen Krieg um eine schwachsinnige Ausbildungsabgabe. Das desolate Bildungssystem löst bei vielen nur noch einen Würgereiz aus. Den Wohnungsbau hat der Vorgängersenat mit der Grünen Dr. Maike „Bürgerschreck“ Schaefer nahezu zum Erliegen gebracht. Und der Öffentliche Dienst geriert sich zuweilen eher aufsässig statt bürgerfreundlich

Liebe Leser m/w, ich könnte Sie auf dieser Schiene geradezu dichttexten

Das ist aber Aufgabe – beispielsweise – der Opposition. Insbesondere die CDU hätte mit 24 Fraktionsmitgliedern die Größe dafür. Leider mangelt es denen an der Power, und manchmal denke ich: auch am Willen zum Regieren.

Bleiben noch die Medien.

Wer, wie der Weser-Kurier ernsthaft darüber sinniert, das Mittelmaß sei doch gar nicht so schlecht, schließlich bewahre dies einen vor Enttäuschungen, der bringt auch einen mördergroßen Artikel über das erste städtische Taubenhotel – bevor es überhaupt bezogen worden ist bzw. angeflogen werden kann. Übrigens: Der Radio Bremen-Bericht über die blecherne Taubenhaus-Hülle könnte üble Ketzer zu einer Neudeutung des Sender-Kürzels „RB“ verleiten – statt Radio Bovenschulte nun Radio Blöd. 

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Schauen Sie sich unbedingt die Kommentare auch zu älteren Beiträgen an. Es trudeln immer wieder, auch nachträglich, sehr interessante Leser-Gedanken ein. Prädikat: lesenswert.