Für mehr Gerechtigkeit: Inflationsausgleich nicht nur für Beamte, sondern auch für Normalos
Ein Hoch auf den SPD-Unterbezirk Bremen-Nord. Dort kennt man sich noch mit der Realität von Rentner-Portmonees aus. Olaf Scholz, SPD-Mitglied und Kanzler, reagiert auf diesem Feld eher kaltschnäuzig. Brandaktuelles Thema heute: Deutschland verstärkt die Zwei-Klassen-Gesellschaft. „Pensionäre“ des Staates erhalten – anders als ordinäre Rentner – einen Inflationsausgleich von bis zu 3.000 Euro netto. Dazu passt: Müssen gebrechliche Alte ins Pflegeheim, werden dem gemeinen Rentner Sparbuch und Immobilienbesitz „angerechnet“ – pensionierte Beamte behalten ihr Vermögen und können auf staatliche Beihilfe setzen.
Bevor der verbeamtete Teil meiner Leserschaft nun pestet: Jau, jetzt spielt der feine Herr Schuller das Neid-Blatt aus… Nein, ich führe Sie anhand teilweise unglaublicher Zahlen bloß in die Unterwelt der Ungerechtigkeit. Politiker denken bei leeren Kassen als erstes an Steuer-Erhöhungen. Dabei gibt’s ein Uralt-Hausmittel Mittel: sparen. Ist zumindest rechnerisch viel einfacher, aber zugegebenermaßen unbequemer. Zumal sich Politiker damit auch ins eigene Fleisch sparen würden.
Nehmen wir das Thema Beamte und alles, was dazu gehört. Die kriegen aktuell (angeblich) niedrige Löhne als in der Wirtschaft, beziehen aber als Pensionäre deutlich mehr Geld. Höchstsatz eines Rentners: rund 42 Prozent von der Bemessungsgrenze (2023: 7.300 Euro). Macht in der Spitze: Knapp über 3.000 Euro. Aber: Diese Rente ist für 99,Periode9 Prozent blanke Theorie. Wer so viel Geld nach 45 Jahren Arbeit beziehen will, muss vom ersten Arbeitstag an immer – durchgängig – den Höchstbeitrag bezahlt haben. Deshalb gibt es bundesweit – Achtung, festhalten – lediglich 50 Menschen, die eine Rente von über 3.000 Euro beziehen.
Die nackten Zahlen: In Deutschland gibt es aktuell 21,22 Millionen Rentner m/w. Männer erhalten im Durchschnitt 1.279 Euro, Frauen kommen im Schnitt auf 789 Euro.
Nun zu den Beamten und Pensionären: In Deutschland gibt es 5 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst, davon sind 1,7 Millionen Beamte.
Die offizielle Zahl der Pensionäre, auch Versorgungsempfänger genannt: 1,38 Millionen Männer und Frauen.
Im Schnitt erhält ein pensionierter Beamter 3.170 Euro brutto. Im Schnitt. Wir erinnern uns: In den ganzen deutschen Landen schaffen es nur 50 regulär versicherte Rentner über die 3.000er-brutto-Grenze.
Beamte betonen stets, sie müssten ihre Pensionen versteuern. Richtig. Müssen Rentner oberhalb des Freibetrags von 10.347 Euro teilweise (und jedes Jahr zunehmend) ebenso. Während Nicht-Beamte ihr Leben lang in die Arbeitslosen- und Rentenversicherung einzahlen, bleibt dies Beamten über die gesamte Zeit erspart.
Wer sich als Beamter privat versichert, hat noch mehr Vorteile: Der Staat übernimmt durch die „Beihilfe“ mindestens 50 Prozent aller medizinischen Aufwendungen, in einigen Bundesländern sogar 60 in der Spitze bis zu 70 Prozent. Für die Lücke von 30 bis 50 Prozent muss sich der Beamte privat versichern. Bei den fälligen Beträgen geht es (anders als bei Otto-Normal) nicht nach der Einkommenshöhe, sondern nach Eintrittsalter und Gesundheitszustand.
Nun kommt’s ganz dicke: Für den öffentlichen Dienst (wie in anderen Branchen) wurde neben den Tariferhöhungen auch ein abgabenfreier Inflationsausgleich vereinbart. Das gleiche wird – wie jedes Mal – auch auf die Beamten übertragen. Und, anders als bei den Versicherten der Deutschen Rentenversicherung, werden auch die Pensionäre mit der Zahlung beglückt.
Gegen diese Ungerechtigkeit begehrte der Nord-Bremer SPD-Unterbezirk auf. Um das Thema direkt und richtig zu adressieren, schickte man den Beschluss an die SPD-Bundestagsfraktion. Damit die dies – als (noch) größter Partner in der Ampel-Koalition – durchsetze.
Is aber nich. Der Bundeskanzler höchstselbst machte während einer seiner Bürgerversammlungen auch klar, weshalb Staats-Pensionäre 3.000 Euro kriegen, Rentner aber nicht: Die Rentner seien einfach zu viele, das wäre für den Staat halt zu teuer.
Ich habe mal gerechnet: An 21 Millionen Rentner müssten bis zu 63 Milliarden Euro ausgeschüttet werden. Die 1,38 Millionen Pensionäre kosten den Staat maximal 4,14 Milliarden Euro an Inflationsausgleich.
Schauen Sie sich Scholz’ Ausführungen selbst an. Besonders interessant, dass er Rentner indirekt – aber überhaupt, in Relation zu faulen Berufsanfängern setzt.
Eine ähnliche Systematik/Ungerechtigkeit greift übrigens später im Pflegeheim. Dort darf Otto-Normal 10.000 Euro (Schonvermögen) behalten. Ein eigene Immobilie wird angerechnet. Wird also als Vermögen gewertet, das man versilbern und davon die Heimkosten bezahlen muss. Erst wenn nix mehr übrig ist, springt die Sozialbehörde ein.
Bei beihilfeberechtigten Beamten sieht die Welt anders aus: Sie dürfen ihr Vermögen behalten. Der Staat springt für alle Kosten des Heimaufenthaltes ein, die über der Pension liegen. Dies gilt auch für alle Steigerungen der Pflegeheimkosten. Begründung: Der Staat „versorgt“ seine Beamten lebenslang.
So nun noch zu Spar-Möglichkeiten: Würde Diesel für alle Verkehrsteilnehmer (außer Landwirten) so besteuert werden wie Benzin, kämen 8,5 Milliarden Euro in die Staatskasse. Der Wegfall des Dienstwagenprivilegs brächte 5,5 Milliarden Euro.
Das Problem bei allen Sparüberlegungen: Spitzenpolitiker wie Minister und die meisten „Volksvertreter“ hängen am Pensionssystem (max 72 Prozent vom letzten Einkommen). Minister und viele Spitzenpolitiker werden in Dienstwagen gefahren.
Ergo: Bei allen Geld-sparenden Änderungen – beispielsweise der Abschaffung der Beamten-Privilegien – würden Spitzenpolitiker sich ins eigene Fleisch schneiden.
Beim Dieselprivileg wären hingegen alle Firmen und Institutionen betroffen, die Dienstwagen mit teils Treibstoff-hungrigen Motoren zur Verfügung stellen.
Man ahnt: Es wird sich nichts, aber auch gar nichts ändern. Aber gut, dass wir drüber gesprochen haben. 🙂
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
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Wie bei George Orwell: Animals Farm:
Manche Tiere sind gleicher als andere!
Selbstbedienung des Verordnungsgebers unter Zuhilfenahme ihrer Beamten. Die Deutsche Rentenversicherung wird übrigens von Beamten verwaltet. Der gemeine Rentner hat kein Mitspracherecht, es sei denn er geht wählen.
Die Altersarmut in Deutschland ist spitze im europäischen Vergleich, und die „linke Regierung“ macht nichts. Da ist es wichtiger, Klimaprojekte in aller Welt mit Abermillionen zu finanzieren, als den deutschen Rentnern einen Inflationsausgleich wie den Pensionären zukommen zu lassen. Ich finde diese Politik im höchsten Grad asozial.
Dieses Problem begleitet mich seit Jahrzehnten. Da ein Großteil der Abgeordneten im Bundestag schon immer aus dem Beamtentum kommen und kamen wird es auch so bleiben. Ein Rabe hackt dem Anderen kein Auge aus…
Beamte auf Lebenszeit sind keine Arbeitnehmer (Angestellte, Arbeiter), ein Vergleich vergleicht Äpfel mit Birnen. Nur weil was so ähnlich aussieht, ist es nicht das Gleiche. Bei den Rentnern kommt vielfach noch die betriebliche Altersversorgung (Betriebsrente) hinzu, die hast Du vergessen. Wie sie immer gerne vergessen wird. Sie gibt es aber! Sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer dürfen streiken, haben Arbeitnehmerrechte, die Beamte nicht haben, auch das wird immer vergessen. Beamte nehmen hoheitliche Aufgaben war und sind, wenn es drauf ankommt, Befehlsempfänger des Dienstherren, lebenslang. Außerdem sollte man nicht immer A13 (Studienrat)im Auge haben, sondern auch mal A7 oder A8 (Sekretär). Da sieht das alles wieder anders aus. Und das sind die meisten!! Irgendwie Thema verfehlt. – Munter bleiben und frohe Restweihnachten!
Immerhin kann ich als Rentner die wohltuenden Worte des Präsidenten genauso genießen wie Pensionärinnen und Pensionäre es wohl auch tun, hoffe ich doch. … verschwenden wir nicht unsere Kraft im täglichen Gegeneinander….!
Spaßig ist das alles nicht. Wie ungleich die Systeme sind hat ein Finanzanalytiker in der FAZ vom 12. Dezember 2023, in der Rubrik Finanzen, berechnet. Um monatlich das gleiche Netto zur Verfügung zu haben, müssen Angestellte 35 % mehr Brutto verdienen. Es geht nicht um eine Neiddebatte. Die unterschiedlichen Systeme haben ihr eigenen Vor- und Nachteile. Politiker verlassen sich aber darauf, dass die meisten Menschen die unterschiedlichen Alterversorgungssysteme in D sowieso nicht verstehen, am allerwenigsten, leider, Journalisten! Übrigens hast du bei Beamten noch das Weihnachtsgeld vergessen.
Und die Gehälter haben sich seit den 70er Jahren zunehmend angepasst und sind nicht mehr so niedrig.
Das größte Problem ist aber. dass seit der Wende die sozialen Lasten zunehmend über die Sozialversicherungen abgewickelt werden. So kommen auch die Zuschüsse zur Rentenversicherung zustande, die eher Abschläge für gesamtgesellschaftliche Aufgaben darstellen. Daher wäre eine große Reform aller Altersvorsorgesysteme bitter notwendig, Doch von wem soll die kommen?
Nun ja, die gesetzlichen Renten werden auch nicht allein von den Beitragszahlern aufgebracht. Der staatliche Zuschuss für die Systeme erreicht fast 100 Milliarden Euro p.a.
Mit der Finanzierung der Beamtenpensionen werden sich Bund und Länder bald übernehmen. Da sind dringend Reformen angezeigt. Allerdings ist es schwierig, getätigte Zusagen einfach abzuändern, weil Lebensentwürfe darauf basieren. Das dürfte aus heutiger Sicht nur für die Zukunft zu verändern sein. Aber jemand muss mal beginnen.
Stellt sich die Frage, was passiert, wenn Bund und Länder vor der Pleite stehen. Das ist nicht undenkbar und wird zu Maßnahmen führen, die sich derzeit niemand vorstellt.
Moin, alles völlig richtig, was Du schreibst, aber das Schlimmste hast Du noch vergessen. Die Fortzahlung der Diäten für ausgemusterte und abgewählte Mandatsträger der Bundes – Land – und Kreistage. Wenn ich darüber nachdenke, dass wir allein für Herrn Schröder, der meines Erachtens einer der “Korruptesten” in unserem Land war und mit seiner Nähe zu Putin Millionen eingestrichen hat, jedes Jahr ca. 140.000 € an Altersbezügen zahlen, wird mir ganz anders. Wenn bei der nächsten Wahl die Horde von Regierungsdilettanten abgewählt wird, muss der Steuerzahler für diese Chaos – Crew noch bis zu deren Lebensende zahlen, natürlich auch für die dann abgewählten Abgeordneten. Da sollte man dringend mit dem Sparen ansetzen, denn auch diese Leute sollten mal lernen, dass man in die Hände spucken muss, um Geld zu verdienen und der Staat kein Selbstbedienungsladen ist.
Da haben wir es wieder. Im Öffentlichen Dienst fließt Milch und Honig. Die jungen Leute rennen dem Staat die Bude ein weil sie alle unter diesen paradiesischen Zuständen dienen möchten. – Was sagen Sie…? Tun sie nicht? eklatante Nachwuchsprobleme? Ja, warum denn bloß, wenn es da alles so viel besser ist als in der Privatwirtschaft?
Sehr geehrter Herr Schuller,
ihre Recherchen und Gedanken zu Renten und Pensionen sind umfangreich, jedoch nicht vollständig. Bis 1955 zahlten auch Beamte die gleichen Abgaben wie Arbeitnehmer. Dann kam der Staat auf die sparsame Idee, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu streichen, weil Beamte auf Lebenszeit nicht arbeitslos werden konnten. Die Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung wurden ebenfalls per Gesetz eingespart und das Gehalt der Beamten um den Arbeitnehmeranteil gekürzt. Pensionszahlungen werden seither von aus dem laufenden Haushalt geleistet.
Für dieses in Vergessenheit geratene gesetzliche Relikt bekommt das Beamtentum immer wieder Prügel. Dabei war es der Staat, der hier den Sparhebel angesetzt hatte.
Und noch eins: nicht alle Rentner bekommen die Mindestrente und nicht alle Beamten die gemittelten (üppige) Pension. Zwischen schwarz und weiß ist auch noch ganz viel bunt!
Herr Kunkel zitiert zwar den aus seiner Sicht unpassenden Vergleich mit den Äpfeln und Birnen, wirft aber mit genau solch einem Vergleich wieder um sich, wenn er behauptet, bei den Rentnern käme vielfach noch die betriebliche Altersversorgung (Betriebsrente) hinzu.
Hat er eine Ahnung davon, bei wie vielen Rentnern dies zutrifft? Ich glaube nicht!