Zahl des Grauens: GeNo braucht 733 Millionen Euro für Neu- und Umbauten / Teil 1
Hieße ich Dreizehnter wie die GeNo-Chefin, Bernhard wie die Gesundheitssenatorin oder Boveschulte wie der Bürgermeister – ich wäre vermutlich feige genug, sofort das Weite zu suchen. Den Fluchtinstinkt in mir löst eine Senatsvorlage zum Thema Gesundheit Nord aus. Der Kern: Damit die GeNo dauerhaft auf eigenen Beinen stehen kann, müssen 733 Millionen Euro investiert werden. Diese Senatsvorlage enthält wohl nicht ohne Grund den Vermerk: „Nicht zur Veröffentlichung geeignet“.
Das Papier aus dem Gesundheitsressort für die Senatssitzung vom 26.9.2023 weist Szenarien aus, die einen Firmenchef, der mit dem eigenen Geld haftet, vermutlich in einen Herzinfarkt treiben würde.
Die GeNo „hat fertig“, würde ein bekannter Ex-Trainer vermutlich die finanzielle Situation des Klinikkonzerns beschreiben. Dass noch keine Insolvenz angemeldet werden musste, verdankt Bremens größtes Krankenhaus-Unternehmen seinem Eigentümer – der Stadt Bremen.
In mehreren Senatsressort nimmt freilich das Murren darüber zu, dass die GeNo mit ihrem Finanz-Hunger in der Spitze von 100 Millionen Euro für den laufenden Betrieb dem klammen Bremen zunehmend die Kraft für die notwendigen (Brückensanierung) und schönen Dinge (Fahrradbrücken) raubt.
Weiteres Bremer Mega-Problem: Auch die Bremer Straßenbahn AG erweist sich zunehmend als „Groschen“-Grab. Aktuell werden 100 Millionen Euro an Zuschuss benötigt.
Zunächst aber die Grob-Daten zur GeNo (auf Grundlage jener „geheimen“) Senatsvorlage).
Während fast alle deutschen Krankenhäuser um ihre Finanzierung kämpfen, steht es um den Bremer Klinikkonzern besonders schlecht. Hier sind nicht nur wie bundesweit lediglich 68 Prozent aller Betten belegt. Nein, in den GeNo-Häusern sind es durchschnittlich bloß 60 Prozent der 2.000 Betten. Kenner der Szenerie äußern den Verdacht, dass es das Klinikum Mitte aufgrund seines (begründet oder unbegründet) nicht gerade prächtigen Rufes zuweilen gerade mal auf 50 Prozent schaffe.
Experten jedoch halten (laut Senatsvorlage) erst eine Auslastung ab 85 Prozent für auskömmlich.
Bremen leidet insbesondere unter dem Mangel an Pflegepersonal, an der „Ambulantisierung“ medizinischer Dienstleistungen, am Sanierungsstau in allen Häusern sowie an der teilweise veralteten Technik. Der Personalmangel muss häufig durch Zeitarbeitskräfte teil-ausgeglichen werden. Diese Leih-Mitarbeiter kosten jedoch doppelt so viel wie Festangestellte.
Der Personaleinsatz ist bei der GeNo offenbar extrem verbesserungswürdig. Immerhin rechnet die Geschäftsleitung selbst vor: „Eine leistungsgerechte Personalplanung erspart bis 2027 kumuliert 50,4 Millionen Euro.
Kommen wir zu den entscheidenden Gremien: GeNo-Geschäftsführung, GeNo-Aufsichtsrat und der Senat haben sich darauf verständigt, den Klinik-Konzern zu „restrukturieren“ und setzen dabei auf die sogenannte „Variante 2“ von mehreren untersuchten Möglichkeiten.
Das bedeutet:
Das Klinikum Bremen Mitte (KBM) wird durch Andocken der Herz-Spezialisten vom Klinikum Links der Weser (KLdW) auf universitäres Level gehoben.
Das Klinikum Ost (KBO) bleibt erhalten und wird aus- und überwiegend neugebaut. Details später – Sie werden Augen machen!
Klinikum Bremen Nord (KBN) wird abgespeckt, bleibt aber erhalten und wird rundum-saniert. Ein Teil-Neubau soll von einer Flächen-Reduzierung (40.000 statt bislang 64.000 Quadratmeter) begleitet werden.
Das Klinikum Links der Weser (KLdW) muss den Krankenhausbetrieb einstellen, wird zu einem „Nahversorger“ umgebaut. Das soll 19,5 Millionen Euro sparen helfen. Jedoch: Die Kosten für das neue Medizinische Versorgungszentrum (und den vorherigen Umzug der Kardiologen ins KBM) stehen noch nicht fest.
Um dies alles – nur baulich – zu realisieren, sind bis 2032 laut Gesundheitsressort 733,1 Millionen Euro notwendig.
Wow, hinsetzen, tief Luft holen!
Die Maßnahmen im Einzelnen:
Die Küche am KBM wird abgerissen und wie die Küchen der dann zwei anderen Standorte eingestellt. Statt dessen wird am KBO eine neue, für alle drei Standorte zuständige große Zentralküche gebaut. Kosten: 20,7 Millionen Euro.
Ein Hintergrund der Küchenentscheidung: Das KBM braucht Platz für die gewinnbringenden Herzabteilungen und –praxen, die vom LdW in die St. Jürgenstraße umgesiedelt werden sollen. Folge (u.a.): Die KBM-Küche muss weichen, um Platz für die jetzt noch daneben befindliche Energie-Zentrale der swb zu schaffen. Die künftige Fernwärmezentrale samt zwei Großkesseln für das KBM wiederum soll an der Stelle der jetzigen Küche entstehen.
Die Labore aller GeNo-Häuser werden im KBM konzentriert. Besonderheit: KBO, KBN und KLdW haben derzeit eigene Labore, das KBM hat diese Arbeiten an ein privates Unternehmen vergeben. Am Ende der Umstrukturierung soll es ein GeNo-eigenes Großlabor am KBM und kleine Not-Einheiten am KBO und KNO geben. Unter dem Strich, so die GeNo-Spitze, werde alleine diese Neuordnung jährlich 3,3 Millionen Euro sparen helfen.
Ferner ist am KBM eine Zentraleinheit zur Aufbereitung (Sterilisation) aller OP-Bestecke und medizinischer Geräte geplant. Diese Konzentration werde, so die Leitung, jährlich eine Million sparen. Zusätzlich muss die Notaufnahme im KBM-Haus 1 drastisch erweitert werden, um die KLdW-Kapazitäten aufzunehmen. Baukosten laut Senatsvorlage für diese Umbauten: 60,9 Millionen Euro.
Weiter geht’s mit den Investitionen. Erweiterung des Hauses 3 (an der Bismarckstraße) zur Aufnahme weiterer LdW-Teile und der Verwaltung: 51,2 Millionen Euro.
In einem weiteren „Finger“ des KBM-Neubaus sollen zentrale Stellen für alle Geno-Häuser einziehen: 21,8 Millionen Euro.
Umzug der Palliativ-Station von KLdW ans KBO: 6,4 Millionen.
Neubau Somatik (körperliche Beschwerden) am KBO: 201,1 Millionen Euro.
Neubau der KBO-Psychiatrie: 146,7 Millionen Euro.
Und zum Schluss: Sanierung und Teilneubau des verkleinerten KBN: 224,3 Millionen Euro.
Unter dem Strich kommt für das kleine, ohnehin hoch verschuldete Bremen bis 2032 die unfassbar hohe Investitionssumme von 733,1 Millionen Euro heraus. Damit das Land daran nicht erstickt, sollen die Baumaßnahmen „priorisiert“, also möglichst Stück für Stück angepackt werden.
By the way: In diesem Mörder-Betrag ist nicht eine einzige Investition in einer der sechs anderen (nicht-städtischen) Bremer Krankenhäuser enthalten! Null, nix, gar nix.
Die GeNo-Leitung plant all diese Maßnahmen natürlich nicht aus Jux und Dollerei, sondern um dank Personalabbau, Bettenabbau um 500 Einheiten und sinnvollere Abläufe ab 2032 endlich Geld zu verdienen. Das Management stellt dem Senat in Aussicht, nach Abschluss aller Um- und Neubauten sowie internen Umstrukturierungen eine jährliche Marge von 2,5 bis 4 Prozent (etwa 22 Millionen Euro) zu erwirtschaften.
Nur dann werde es möglich sein, den von der Stadt gewährten Betriebsmittelkredit (max. 257 Millionen Euro) und vorherige Schuldverschreibungen (100 Millionen) abzubezahlen.
Oberstes Ziel: Bis 2032 sollen aus vier Krankenhäuser drei werden, die Bettenzahl auf 1.450 bis 1.500 sinken und 4.976 Vollzeitkräfte ausreichen.
Liebe (heute bewundernswert ausdauernde) Leserinnen und Leser, gegen diesen Gesamtplan gibt es (na klaro) Bedenken und Widerstände von Betriebsräten, Beiräten links der Weser und im Parlament. Auf die werde ich in Kürze (ausnahmsweise) in einem zweiten Teil dieses Blogs eingehen.
Munter bleiben und „guten Rutsch“! Teil 2 folgt im neuen Jahr.
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
:
Die Städtischen Kliniken zu einem wirtschaftlichen gesunden Betrieb zu entwickeln, der seine laufenden Kosten plus die immer erforderlichen Erhaltungskosten erwirtschaftet, kann in einer öffentlichen Dienststruktur nicht geleistet werden. Dagegen sprechen nicht nur das Bremische Personalvertretungsgesetz, sondern auch die langen und meistens nicht ausschließlich an der Sache orientierten Entscheidungsabläufe. Danke an Axel Schuller, der dieses Thema immer wieder aufgreift. Unsere örtliche Presse plus die Politik, auch die Opposition, schweigen dazu.
Das der Senat und der WK die Stadt mit donnerndem Schweigen überziehen, liegt in der Natur der Sache. Warum die Opposition schweigt, werde ich nie verstehen.
Danke für die Super Ein-Mann-Oppositionsarbeit, die Du leistest Axel!
Wenn du so weiter machst, wirst Du Deinen nach Hause-Weg variieren müssen. 😉
An keiner Stelle ist zu lesen, was zu dieser Krise geführt hat, bzw. wie das Management geändert wird, denn sicherlich ist die aktuelle Misere nicht nur auf die Anordnung der Gebäude zurück zu führen! Als mein Mann sich am KBM als Pfleger bewarb, hieß es, man habe keine offenen Stellen. Daraufhin nahm er eine Stelle bei einem privaten Pflegedienst an, die ihn unter anderem am KBM einsetzten. Für die doppelten Kosten, das war vor 10 Jahren. Anscheinend hat sich nichts geändert in der Art, wie hier gemanagt wird. Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten, hat einmal jemand gesagt (Einstein war es nicht). In der Wirtschaft würde das Management ausgetauscht werden, hier muss Steuerzahlers Geld herhalten. Wieder einmal werden Baumaßnahmen/ Kosten beschlossen, obwohl vergangene und aktuelle Baumaßnahmen noch nicht abgeschlossen sind. Auch ist das Gelände laut Flüchtlingsbeauftragte bereits für 2 Jahre als Flüchtlingsankunftsstelle verplant. Und sollte die alte Augenklinik nicht auch als Erweiterung der Schule an der Lessingstrasse dienen? Da war doch was?
Die einzigen, die von diesem Gebäude-hin-und-her-rücken profitieren werden, sind die privaten Investoren, an die die Stadt Bremen mittlerweile viele der Grundstücke auf dem Gelände KBM verkauft hat, und natürlich die Bauunternehmen. Und bei den steigenden Baukosten ist eines sicher, bei 733 Millionen wird es nicht bleiben, denn wann hat eine deutsche Behörde Projektkosten zuletzt akkurat beziffert? Aber, Bremen ist „Too big to fail!“ Der Rest der Republik wird sicher auch in Zukunft gerne helfen.
Einen guten Start ins neue Jahr und gute Gesundheit.
Vielen Dank, Herrr Schuller, dass Sie das leidige Thema „GeNio“ aufgreifen.
Zunächst möchte ich daran erinnern, daß Bremen über 15 Jahren an seinem Krankenhauskomplex leidet und immer wieder hohe Defizite abdecken muss, damit die Insolvenz vermieden wird. Allein 2018 wurden 215 Mio € gespendet und alle Parlamentarier gelobten, daß dies die letzte Subvention sei. Aber dann wurde der Betriebsmittelkredit um ca. 50 Mio aufgestockt – und so ging es bis heute weiter. Jetzt sollten Defizite gedeckt werden, die angeblich aus Corona- und Energieverlusten resultierten, obwohl die GeNo bereits erhebliche Erstattungen aus Bundesmitteln erhalten hat und damit die anstehende Insovlenz abwenden konnte.
Es fällt sehr schwer angesichts der Geschichte der GeNo zu glauben, daß das Versprechen einer „Schwarzen Null“ bis 2027 eingehalten wird. Versprechen dieser Art wurden mit jedem „Zukunftsplan“ gemacht, von denen wir bereits 5 an der Zahl in den letzten 10 Jahren kennen. Und immer wieder wurden neue Strukturpläne entworfen, die dann wieder über den Haufen geworfen wurden. Die Defizite mußten immer wieder vom Träger gedeckt werden und werden sich auch in den nächsten Jahren auf ca. 250 Mio € belaufen.
Jetzt hat man das Klinikum Links der Weser zum Opfer auserkoren, das geopfert werden soll, um die GeNo zu retten – das einzige Haus, das seit 1980 dick schwarze Zahlen schreibt und das immer wieder aus Eigenmitteln investiert hat. Mit der Verlagerung des gesamten Hauses ans Klinikum Mitte soll dieses endlich aus den tief roten Zahlen gerettet werden – ungeachtet der Kosten. Denn die veranschlagten Investitionen dieser Verlagerung werden bewußt kleingerechnet. An keiner Stelle finden sich Zahlen/Kosten
– für das zusätzlich erforderlilche Parkhaus,
– für die Lösung des zu erwartenden Verkehrschaos (wenn . über 70.000 Pat.jährl, +Taxis + Besucher + 30
Rettungswagen tägl. zusätzlich ins KBM strömen)
– für die Abrisskosten des Haupthauses KLdW
– für den Aufbau und Betrieb der Nachfolgelösung der „Basisversorgung“ am Standort LdW.
Und wer glaubt denn an die Prognose des von der GeNo beauftragten Architekten, daß die Kosten für die geplanten Baumaßnahmen und der Zeitrahmen eingehalten werden? (Das hat es noch nie gegeben!)
Die Berechnungen werden einfach so hingenommen und nicht weiter kritisch geprüft.
Die Freie und Hansestadt Bremen geht ein immens großes Risiko mit dieser „Resturkturierung“ ein. Es ist damit zu rechnen, daß die Kosten ins Unermessliche steigen und zudem das hoch-komplexe Experiment der Verlagerung eines der größten Herz-Zentren der Republik scheitert.
Sofern ich die Wahl habe, meide ich die GENO-Kliniken. Die privaten Kliniken in Bremen und dem Umland sind patientenorientiert. Das kann man bei der GENO lange suchen.
Ich hatte vor einigen Jahren aufgrund von zwei fast parallel laufenden Krebserkrankungen einen Aufenthalt im Klinikum Mitte (zwei Wochen), diverse Aufenthalte im Diako (jeweils 3-5 Tage), einen Aufenthalt in der St. Joseph Stift (4 Tage) und in der Charité in Berlin (9 Tage). Mein Mann wurde in dem Zeitraum im Herzzentrum Leipzig operiert. Also hatten wir viel Gelegenheit zum Vergleich. Das Klinikum Bremen Mitte fiel durch Desorganisation, Resignation und Unfreundlichkeit des Personals auf – und zwar nicht nur den Patienten gegenüber, sondern Ärzte und Pflegepersonal untereinander. Diese haben sich auf dem Flur sogar angeschrien.
In der Universitätsklinik Charité in Berlin habe ich mich freiwillig gemeldet, als Patientin am praktischen Staatsexamen für einen angehenden Arzt mitzuwirken. Der junge Mediziner musste mich untersuchen und wurde dabei von einem Panel von vier Prüfern angewiesen und ausgefragt. Diese haben ihn im Laufe der Prüfung immer wieder dazu aufgefordert, die Patientin anzusehen. Da wurde es mir klar, wie sehr im Klinikum Bremen Mitte von den Stationsärzten der Augenkontakt mit den Patienten vermieden wurde.
Wer sich mit Organisationen beschäftigt hat, erkennt – auch wenn einzelne Ärzte, Pfleger und anderes Personal sicherlich engagiert sind – dass die Teams nicht funktionieren. Die Organisation im Klinikum Bremen Mitte ist auf allen Ebenen dysfunktional. Ja, in den anderen Häusern ging mal etwas schief aber das war mehr im Sinne von „wo gehobelt wird fallen Späne“, das Personal hat sich meistens sogar freundlich entschuldigt. In allen Häusern gab es Bögen für Patientenfeedback. Im Diako, St Joseph Stift und in der Charité waren es jeweils zwei Seiten DINA4. In Online-Bewertungsportalen fällt es auf, dass das St Joseph Stift immer auch auf negatives Feedback antwortet, sich entschuldigt und Gespräche anbietet. Und im Klinikum Mitte? Das Feedbackformular hatte Postkartengröße…
Als Beiratssprecher des Beirates Obervieland bin ich über die Pläne mehr als entsetzt. Als SPD Mitglied auch. Die Zusage vom Senat, „alle Schritte transparent und mit Einbeziehung zu machen“, ist offensichtlich schon nach kurzer Zeit Makulatur. Die Fordernug der Beiräte aus dem Bremer Süden, ein Gesamtkonzept für die Gesundheitsversorgung für die Bremer Bevölkerung zu erstellen, wird einfach missachtet. Schade. Wir werden als Beiräte dagegen halten.