Lilienthal vorne: Hochwasser-Warnung per WhatsApp – in Bremen dagegen, auweia…
Geständnis: Manchmal fühle ich mich in meiner Haut als Bremer etwas unwohl. Nämlich dann, wenn ich unsere an sich wunderbare Hansestadt mit anderen Orten vergleiche. Nein, nicht mit Hamburg, Berlin oder München. Für niederschmetternde Momente reicht bereits der Blick nach Lilienthal oder Stuhr. Bremen hat nicht nur kaputte Brücken, Straßen und ein marodes Bildungssystem – nein auch die Verwaltung ist runtergewirtschaftet.
Mäkeln Sie jetzt bitte nicht an mir herum. Ich erzeuge die schlechten Nachrichten nicht, sondern überbringe sie lediglich – eigne mich also nicht, wie im alten Rom, den Löwen zum Fraß vorgeworfen zu werden.
Nach den – zugegeben – wahrhaft intensiven Stücken über die GeNo, Teil 1 und Teil 2, wollte ich Sie, geneigte Leser aller denkbaren Geschlechter, ursprünglich mit leichter Kost erfreuen. Etwas zum Naschen eben. Doch die Aktualität frisst leider die hübschesten Lese-Geschichten erbarmungslos.
Zum Aktuellen: Da bin ich gleich über zwei „Ereignisse“ gestolpert. Fangen wir mal mit der positiven Sicht an:
Die niedersächsische Gemeinde Lilienthal (20.293 Einwohner m/w) geht mit dem Hochwasser-Fiasko grandios, weil bürgernah um. Die Gemeinde hat eine WhatsApp-Gruppe (11.802 Abonnenten) eingerichtet, über die sie mit der Bevölkerung und den rund 1.000 Helfern in Kontakt steht. Beispiel: Erreicht das Hochwasser einen Pegelstand, dass der Strom abgestellt werden muss, wird dies den betroffenen Bürgern m/w VORHER mitgeteilt. Wenn weitere Helfer von DLRG, Freiwilliger Feuerwehr und und und benötigt werden, kann man dies in der WhatsApp-Gruppe „Gemeinde Lilienthal nachlesen. Bürgermeister Kim Fürwentsches (Grüne) nutzt den Info-Kanal auch schon mal, um Mut zu machen.
In Borgfeld und Timmersloh – also Bremen (rund 569.396 Einwohner) – treibt das Hochwasser sein gleiches Unwesen wie diesseits des Borgfelder Landhauses. ABER: Borgfelds Bewohner, beispielsweise des Erbrichterweges, des Borgfelder wurden vom Abstellen des Stroms nicht vorab informiert. Sie erfuhren dies, indem plötzlich das Licht, der Kühlschrank und die Heizung ihren Dienst quittierten.
Die swb/Wesernetz stoppten die Stromzufuhr ohne jede Ankündigung. Dabei war bei dem zunehmenden Pegelstand klar, dass irgendwann der sinnigerweise am Erdboden stehende Verteilerkasten vom Wasser eingeschlossen werden würde.
Was sind schon Bürger oder gar zahlende Kunden?
Eine Krisen-Runde mit Ortsamt, Feuerwehr, Polizei und Helfern mussten die Anwohner selbst zusammentrommeln.
WhatsApp-Gruppe der Stadt oder des Ortsamtes – Fehlanzeige. Es gibt lediglich eine privat initiierte Facebook-Gruppe “Borgfeld” mit 2.816 Mitgliedern.
Das behördliche Verhalten orientierte sich offenbar am preußischen Erziehungs-Drill: Wer nicht hören will (und im Vordeichgebiet siedelt), muss halt fühlen…
Jetzt mal „Spaß“ beiseite: Es ist an Bürgerferne, Rotzigkeit und Unvermögen kaum zu übertreffen, was die zuständigen Stellen den Hochwasser-geplagten Borgfeldern teilweise zugemutet haben. Vielfach mussten diese sogar erst auf die Not der Menschen aufmerksam gemacht werden.
Zum Abdrängen der Heuschrecken-Scharen von Hochwasser-Touristen – riefen die Anwohner um polizeiliche Hilfe…
Anders in Lilienthal: Da passte die Polizei „wie ein Schießhund“ auf, dass sich kein Einbrecher in die Hochwasser-Gebiete wagte.
Liebe Leser m/w, ich will Sie wirklich nicht gegen unsere Stadt aufbringen oder gar zu „Depris“ formen. Doch ich komme leider nicht daran vorbei, Ihnen auch noch von einer prima funktionierenden Bauverwaltung zu berichten. Und die befindet sich – Sie ahnen es – nicht in Bremen, sondern in Stuhr (33.500 Einwohner).
Das Bremer Pflegeheim– und Immobilien-Unternehmen von Rolf Specht war in dieser Woche die erste Firma, die in Stuhr einen Bauantrag digital bei der Stadtverwaltung einreichen durfte. Specht, Gründer und Chef, unterschrieb – „sicher ist sicher“ – zusätzlich einen Papier-Antrag. Seine Pressestelle teilte mit: Üblich seien bislang 5 Ausfertigungen der sehr umfangreichen Antrags-Unterlagen.
Warum kann das kleine Stuhr etwas, was die Bauverwaltung der elftgrößten deutschen Stadt (Bremen) nicht gebacken kriegt?
Unsere Stadt-„Verwaltung“ kann übrigens auch auf den Feldern Auto-Zulassung, Ausweis- und Passverlängerung weder mit Lilienthal, Stuhr oder Weyhe (31.672 Einwohner) mithalten! Dort erhält man meist umgehend Termine. Bei uns ist man gezwungen, Termine wie früher Ebay-Schnäppchen zu jagen. Ergebnis einer unsäglich schlecht organisierten Verwaltung!
Noch ein kurzer „Ausflug“ zum Hochwasser. Ich gebe es zu. Durchaus polemisch, dafür aber ehrlich gefragt: Weshalb sind einige meist junge Menschen so scharf darauf, sich für ein besseres Klima auf Straßen festzukleben – aber nicht, Wasser aus fremden Kellern zu schöpfen?
Ich habe an diversen Stellen nachgefragt: „Haben sich bei Ihnen Klima-Kleber zum ehrenamtlichen Deichschutz oder anderen Hilfsaktionen gemeldet? Die jeweils eindeutige Antwort: Nein.
Schade, da hätten die „Aktivisten“ mal etwas Praktisches bewirken können.
Und bitte, jetzt ganz fest daran denken: Ich eigne mich überhaupt nicht, um den Löwen und so weiter… 🙂
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Besucher aus Holland verstehen gerade die deutsche Welt nicht. “Komisch ihr unterkellert für viel Geld eure Häuser – und dann laufen sie voll”. Und: “Bäume haben wir nicht auf dem Deich. Wenn die umfallen, reißen sie große Löcher in den Hochwasserschutz.” Komische Deutsche…
Als ich vor 33 Jahren nach Bremen zog, war eine Möglichkeit, der einen oder anderen öden Gesprächsrunde Leben einzuhauchen darin, den Nutzen der Selbstständigkeit Bremens als Bundesland in Frage zu stellen. Mir wurde dann als zentrales Argument entgegengebracht, Bremen habe aufgrund seiner Kleinheit enorme Vorteile als Stadt der kurzen und schnellen Wege. Hier könne man Dinge viel schneller umsetzen als in den trägen Strukturen größerer Bundesländer. Nach nunmehr 33 Jahren würde ich sagen: Dieses Argument gilt sicher für alle möglichen Interessengruppen und Vorteilserhascher, die die hiesigen Obergefreitendienstwege weidlich zu nutzen wissen. Für den ganz normalen Mitbürger ohne Netzwerk, früher auch Vitamin B genannt, ist diese Stadt der Horror. Ich bin seinerzeit gerne nach Bremen gezogen, weil ich die Stadt grün, weitläufig und schön fand. Hätte ich geahnt, dass ich hier in einem Eldorado der Leistungsverweigerung und Misswirtschaft des Öffentlichen Dienstes und Sozialindustrie gelandet bin, wäre ich – wie anfänglich in Lilienthal – im niedersächsischen Umland geblieben.
In Bremen gibt es keine Bauverwaltung sondern eine Bauverhinderungsverwaltung. Wie viele Bauvorhaben sind an den Behörden und einer übermäßigen Bürgerbeteiligung sowie am Wettbewerbswahnsinn der Baubehörden gescheitert? Das wäre mal eine interessante Frage, die gestellt werden sollte.
Zum Thema “Digitaler Bauantrag” kann ich eines sagen: In Niedersachsen gibt es seit mehreren Jahren eine sehr intensiv arbeitende Arbeitsgruppe, in der die wesentlichen Verbände, die Architektenkammer, Vertreter der kommunalen Spitzenverbände, Vertreter aus den Kreisverwaltungen und Bauaufsichtsbehörden sowie die Vertreter der beteiligten Ministerien gemeinsam am Projekt “Digitales Baugenehmigungsverfahren” arbeiten und sich austauschen. Die Jade-Hochschule sowie Firmenvertreter aus den Bereichen Bausoftware, BIM und andere Dienstleister sind auch mit dabei. Daher konnten die wesentlichen Voraussetzungen für das digitale Verfahren in der NBauO integriert und vor allem verwaltungsrechtlich sauber geschaffen werden. Nun arbeiten einzelne Bauaufsichtsbehörden daran, das umzusetzen, was für die Kommunen und Kreise tatsächlich auch ein riesiger Aufwand ist. Bremen ist von diesem Verfahren so weit weg wie der Mars von der Erde. Wir müssen in Bremen ja froh sein, wenn die Mitarbeitenden in den Bauämtern auf Mails zugreifen können. Dokumente, die per Mail gesandt werden, werden ausgedruckt und kopiert und so in die Arbeitsgruppen weitergegeben. Es gibt keinen Masterplan der Digitalisierung.
Was die Bäume auf den Deichen betrifft: Das habe ich als gebürtiger Österreicher nie verstanden. Wenn die Bäume, die auf den Deichen stehen, wenigstens Tiefwurzler wären, könnten diese tatsächlich ein Anker und Stabilisator für die Deiche sein. ABER es sind ja fast ausschließlich Flachwurzler, die auf der aufgeschütteten Erde stehen und gerade jetzt, wo Wasser und Wind zusammentreffen, eine ernste Gefahr für den Deich darstellen. Als Bergbauernbub, der nie auf einer Universität war, kann ich das nicht nachvollziehen. Mein gesunder Menschenverstand setzt hier aus.
Treffender hätte man es nicht formulieren können.
Warum immer dieses „Klimakleber“-Bashing?! Kann es nicht sein, dass der eine oder die andere von ihnen durchaus mit angepackt hat, ohne sich dabei als „Letzte Generation“ kenntlich zu machen und den Einsatz werbewirksam an die große Glocke zu hängen? Und warum wird überhaupt erwartet, dass gerade die Klimaaktivisten jetzt auch noch beim Beseitigen jener Schäden mithelfen sollen, vor denen sie immer gewarnt haben? Mit dem gleichen Recht könnte man genauso gut fragen, ob Journalisten oder Wissenschaftlerinnen, die vor dem Klimawandel gewarnt haben, jetzt Sandsäcke schleppen – als ob gerade sie eine besondere Verpflichtung dazu hätten.
Zum Thema Bürgerferne und Schutz vor Starkregen:
Im Juni 2023 standen nach heftigem Regen in vielen Bremer Stadtteilen Keller unter Wasser. In Findorff „informierten“ anschließend die Fa. hanseWasser und die Senatorische Behörde für Umwelt, Klima und Wissenschaft über „Starkregenvorsorge“.
Dabei wurde deutlich, dass die verantwortlichen Stellen keinen Überblick haben, wo in der Stadt welche wiederkehrenden Probleme bestehen: Wo laufen die Hinterhöfe voll, so dass Wasser über die Türen in Keller läuft? Wie ist es um die Versickerungsfähigkeit der Böden im Stadtgebiet bestellt? Wo ist drückendes Grundwasser, das durch Wand- und Bodenfugen dringt, die Ursache, wo sind es Rückflüsse im Kanal?
Informationen dazu könnten etwa über Meldeportale oder Apps gewonnen werden, über die betroffene Bürger ihre Erfahrungen einbringen. Ohne solche Daten ist eine fundierte Ursachenforschung nicht möglich, und neue Erkenntnisse zur Gefährdungsvermeidung bzw. -minderung werden nicht zu erlangen sein.
Zudem wird die Öffentlichkeit nicht transparent darüber informiert, welche Maßnahmen bei Starkregenereignisse wann ergriffen werden. Werden Überlaufbecken rechtzeitig genutzt? Gibt es genügend Überläufe?
Statt solche Problem anzupacken, wird gebetsmühlenhaft behauptet, dass Bremen in Sachen Starkregenmanagement bundesweit führend und die seit über zehn Jahren existierende „Klima-Anpassungsstrategie der Stadt Bremen“ (KLAS-Projekt) ein Vorreiter in Sachen Starkregenvorsorge sei.
Da scheint die Zeit an den Akteuren in Bremen vorbeigegangen zu sein.
Danke, Eckhard Stengel, Sie sprechen mir aus der Seele!
Interessant, der Journalist Stengel kommt bei den Attacken des Blogers Schuller aus der Deckung…