Lilienthal vorne: Hochwasser-Warnung per WhatsApp – in Bremen dagegen, auweia…

04.01.2024 7 Von Axel Schuller

Geständnis: Manchmal fühle ich mich in meiner Haut als Bremer etwas unwohl. Nämlich dann, wenn ich unsere an sich wunderbare Hansestadt mit anderen Orten vergleiche. Nein, nicht mit Hamburg, Berlin oder München. Für niederschmetternde Momente reicht bereits der Blick nach Lilienthal oder Stuhr. Bremen hat nicht nur kaputte Brücken, Straßen und ein marodes Bildungssystem – nein auch die Verwaltung ist runtergewirtschaftet.

Mäkeln Sie jetzt bitte nicht an mir herum. Ich erzeuge die schlechten Nachrichten nicht, sondern überbringe sie lediglich – eigne mich also nicht, wie im alten Rom, den Löwen zum Fraß vorgeworfen zu werden.

Nach den – zugegeben – wahrhaft intensiven Stücken über die GeNo, Teil 1 und Teil 2, wollte ich Sie, geneigte Leser aller denkbaren Geschlechter, ursprünglich mit leichter Kost erfreuen. Etwas zum Naschen eben. Doch die Aktualität frisst leider die hübschesten Lese-Geschichten erbarmungslos.

Zum Aktuellen: Da bin ich gleich über zwei „Ereignisse“ gestolpert. Fangen wir mal mit der positiven Sicht an:

Die niedersächsische Gemeinde Lilienthal (20.293 Einwohner m/w) geht mit dem Hochwasser-Fiasko grandios, weil bürgernah um. Die Gemeinde hat eine WhatsApp-Gruppe (11.802 Abonnenten) eingerichtet, über die sie mit der Bevölkerung und den rund 1.000  Helfern in Kontakt steht. Beispiel: Erreicht das Hochwasser einen Pegelstand, dass der Strom abgestellt werden muss, wird dies den betroffenen Bürgern m/w VORHER mitgeteilt. Wenn weitere Helfer von DLRG, Freiwilliger Feuerwehr und und und benötigt werden, kann man dies in der WhatsApp-Gruppe „Gemeinde Lilienthal nachlesen. Bürgermeister Kim Fürwentsches (Grüne) nutzt den Info-Kanal auch schon mal, um Mut zu machen.

In Borgfeld und Timmersloh – also Bremen (rund 569.396 Einwohner) – treibt das Hochwasser sein gleiches Unwesen wie diesseits des Borgfelder Landhauses. ABER: Borgfelds Bewohner, beispielsweise des Erbrichterweges, des Borgfelder wurden vom Abstellen des Stroms nicht vorab informiert. Sie erfuhren dies, indem plötzlich das Licht, der Kühlschrank und die Heizung ihren Dienst quittierten. 

Die swb/Wesernetz stoppten die Stromzufuhr ohne jede Ankündigung. Dabei war bei dem zunehmenden Pegelstand klar, dass irgendwann der sinnigerweise am Erdboden stehende Verteilerkasten vom Wasser eingeschlossen werden würde.

Was sind schon Bürger oder gar zahlende Kunden? 

Eine Krisen-Runde mit Ortsamt, Feuerwehr, Polizei und Helfern mussten die Anwohner selbst zusammentrommeln.

WhatsApp-Gruppe der Stadt oder des Ortsamtes – Fehlanzeige. Es gibt lediglich eine privat initiierte Facebook-Gruppe “Borgfeld” mit 2.816 Mitgliedern.

Das behördliche Verhalten orientierte sich offenbar am preußischen Erziehungs-Drill: Wer nicht hören will (und im Vordeichgebiet siedelt), muss halt fühlen… 

Jetzt mal „Spaß“ beiseite: Es ist an Bürgerferne, Rotzigkeit und Unvermögen kaum zu übertreffen, was die zuständigen Stellen den Hochwasser-geplagten Borgfeldern teilweise zugemutet haben. Vielfach mussten diese sogar erst auf die Not der Menschen aufmerksam gemacht werden.

Zum Abdrängen der Heuschrecken-Scharen von Hochwasser-Touristen – riefen die Anwohner um polizeiliche Hilfe… 

Anders in Lilienthal: Da passte die Polizei „wie ein Schießhund“ auf, dass sich kein Einbrecher in die Hochwasser-Gebiete wagte.

Liebe Leser m/w, ich will Sie wirklich nicht gegen unsere Stadt aufbringen oder gar zu „Depris“ formen. Doch ich komme leider nicht daran vorbei, Ihnen auch noch von einer prima funktionierenden Bauverwaltung zu berichten. Und die befindet sich – Sie ahnen es – nicht in Bremen, sondern in Stuhr (33.500 Einwohner).

Das Bremer Pflegeheim– und Immobilien-Unternehmen von Rolf Specht war in dieser Woche die erste Firma, die in Stuhr einen Bauantrag digital bei der Stadtverwaltung einreichen durfte. Specht, Gründer und Chef, unterschrieb – „sicher ist sicher“ – zusätzlich einen Papier-Antrag. Seine Pressestelle teilte mit: Üblich seien bislang 5 Ausfertigungen der sehr umfangreichen Antrags-Unterlagen.

Warum kann das kleine Stuhr etwas, was die Bauverwaltung der elftgrößten deutschen Stadt (Bremen) nicht gebacken kriegt?

Unsere Stadt-„Verwaltung“ kann übrigens auch auf den Feldern Auto-Zulassung, Ausweis- und Passverlängerung weder mit Lilienthal, Stuhr oder Weyhe (31.672 Einwohner) mithalten! Dort erhält man meist umgehend Termine. Bei uns ist man gezwungen, Termine wie früher Ebay-Schnäppchen zu jagen. Ergebnis einer unsäglich schlecht organisierten Verwaltung!

Noch ein kurzer „Ausflug“ zum Hochwasser. Ich gebe es zu. Durchaus polemisch, dafür aber ehrlich gefragt: Weshalb sind einige meist junge Menschen so scharf darauf, sich für ein besseres Klima auf Straßen festzuklebenaber nicht, Wasser aus fremden Kellern zu schöpfen? 

Ich habe an diversen Stellen nachgefragt: „Haben sich bei Ihnen Klima-Kleber zum ehrenamtlichen Deichschutz oder anderen Hilfsaktionen gemeldet? Die jeweils eindeutige Antwort: Nein.

Schade, da hätten die „Aktivisten“ mal etwas Praktisches bewirken können.

Und bitte, jetzt ganz fest daran denken: Ich eigne mich überhaupt nicht, um den Löwen und so weiter… 🙂

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Besucher aus Holland verstehen gerade die deutsche Welt nicht. “Komisch ihr unterkellert für viel Geld eure Häuser – und dann laufen sie voll”. Und: “Bäume haben wir nicht auf dem Deich. Wenn die umfallen, reißen sie große Löcher in den Hochwasserschutz.” Komische Deutsche…