Ist das Stahlwerk wirklich gerettet? Bovenschulte hat nicht einen einzigen Euro auf der Naht
Mitarbeiter des Bremer ArcelorMittal-Stahlwerkes mögen ja am Montagabend möglicherweise glücks-trunken ins Bett gefallen sein. Aber: Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte – zwar anders als zuvor in Saarlouis – k e i n e n Scheck mitgebracht, und Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) hat bislang keinen einzigen Euro für die Umgestaltung der Stadtwerke im Haushalt – aber beide taten so, als sei der Umbau zur „grünen“ Stahlherstellung gemachte Sache. Ist das wirklich so? Nicht einmal der Stahlkonzern selbst hat bislang eine verbindliche Zusage für Bremen gemacht.
Radio Bremens „butenunbinnen“ war am deutlichsten. Zeigte am Ende des Beitrags sogar einen um Zustimmung der Werksleitung heischenden Bundesminister („Wenn ihr das Geld jetzt nicht ausgebt, guck’ ich dumm aus der Wäsche“).
Der Weser-Kurier berichtete ausführlich emotionslos und meldete die Rettung der rund 3.000 Arbeitsplätze auf der Hütte. Der Weser Report hatte die rosarote Jubelbrille auf: „Habeck macht glücklich: ‚Es ist alles geklärt’.“
Ist tatsächlich alles geklärt? Ich will nicht unken, habe aber den Eindruck, alle Beteiligten hatten sich fest vorgenommen: Heute wird gejubelt. Auch, wenn noch keine endgültigen Zusagen vorliegen. Weder vom Bund, noch die Erlaubnis der EU – von beiden gibt es Zustimmung, aber keine rechtsverbindliche Zusage. Habeck sagte hoffnungsfroh: „Das Projekt wird genehmigt werden.“
Die Bremer Politik ist fest entschlossen, die Transformation zum Grünen Stahl und damit eine enorme Reduktion von CO2 mit 250 Millionen Euro zu begleiten.
Und ArcelorMittal selbst erklärte – das war der eigentliche „Schlechte-Laune-Macher“ – man müsse jetzt etwa ein Jahr lang planen und prüfen – immerhin benötige man ja „Unmengen an Strom, Gas und Wasserstoff“. Außerdem sind die vom Bund avisierten 840 Millionen Euro nicht nur für das Bremer Werk, sondern auch für das in Eisenhüttenstadt vorgesehen.
Übrigens: Andernorts in Deutschland wird längst für die neue Stahlerzeugung gebaggert.
Und an der Weser muss jetzt – 30 Monate nach dem ersten Förderantrag an den Bund – noch ein Jahr lang geplant werden, bevor etwas passiert? Ist das wirklich ein gutes Zeichen?
Dass sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck für eine Absichtserklärung von Stahlwerkern feiern lässt, ist angesichts seiner durch mehrere Krisen stark belasteten Psyche durchaus nachvollziehbar.
Dass Bürgermeister Andreas Bovenschulte trotz fehlender Finanzzusagen des Parlaments breitbeinig erklärt: „Wir werden dafür sorgen, dass die 250 Millionen an Landesmitteln kommen, egal was passiert!“ ist für einen Landesvater – sagen wir mal – äußerst mutig.
Was denkt sich der Mann bei solchen Sätzen? Er hat in Wahrheit nichts, aber auch gar nix auf der Naht, macht aber vollmundige Versprechungen.
Geneigte Leserschaft, ich will wirklich nicht den „Maulibert“ geben, aber die „Jubelarie“ vom Montag schien mir überhöht.
Bovenschulte hat die CDU bei den Koalitions-Sondierungen im vorigen Mai unnötig brutal vor den Kopf gestoßen. Und dieselbe Union soll jetzt helfen, 250 Mio „irgendwie“ zusammenzukratzen.
CDU-Fraktionschef Frank Imhoff hat zu recht bei „butenunbinnen“ die logischste aller logischen Fragen aufgeworfen: „Wie wäre es zum Beispiel mal mit sparen?“
Bislang erklären die rot-grün-roten Anführer Bovenschulte, Fecker und Vogt unisono: Bremen könne die 250 Stahl-Millionen nicht aus dem Haushalt, sondern nur auf Pump finanzieren.
Warum eigentlich? Noch vor den Haushaltsverhandlungen haben Bovenschulte und der Senat – ohne jede Not – die „Freizeitkarte“ für alle 0- bis 18jährigen Bremer verteilt – mit Kosten von locker 14 Millionen für zwei Jahre. Bovenschulte musste – noch vor der Wahl – unbedingt das „Stadtmusikantenhaus“mit einer langfristigen Finanzverpflichtung von etwa 25 Millionen Euro auf die Spur bringen. Die neue rot-grün-rote Regierung hat nach der Wahl als erstes drei zusätzliche Staatsratposten damit dazugehörenden Mitarbeitern geschaffen. Noch immer nimmt Bremen mehr Flüchtlinge auf als verpflichtend vorgeschrieben ist. Gerade gestern hat der Senat erneut 10 Millionen Euro für die weitere Anmietung von Leichtbauhallen im Überseehafengebiet gebilligt.
Merkt dieser Senat tatsächlich nicht, wo er Geld einsparen könnte? Will er das nicht, oder kann er das vielleicht nicht?
Völlig abseitig wirkt das Verhalten des IG-Metall-Bevollmächtigten Volker Stahmann. Der Mann ist – Überraschung – zugleich SPD-Bürgerschaftsabgeordneter und „wirtschaftspolitischer“ Sprecher seiner Fraktion. Ein Berufs-Gewerkschafter als „Wirtschafts“-Experte, das hat schon was.
Statt ein, zwei CDU-Spitzenvertreter zu der Habeck-Veranstaltung einzuladen, also zu versuchen, die Schwarzen einzubinden und für die Transformation zu begeistern, macht der Sozi lieber, was er vermutlich in Gewerkschaftsschulungen gelernt hat: herumholzen. Das hört sich unter anderem so an: „Die CDU-Klage (gegen den Haushalt) ist Verrat an den Interessen unserer Stahlindustrie.“
Weitsicht, Herr Stahmann, ist vermutlich etwas anderes.
Ach, Herr „Bovi“, da haben Sie wohl ausgesprochen strategische Intelligenz an Ihrer linken 🙂 Seite.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
Der letzte Politiker, den ich ein „Ehrenwort“ habe geben hören, war Dr. Dr. Barschel. Der hätte danach allerdings nicht baden sollen!
Endlich! Die Opposition wacht auf und unterlässt es, sich bei den ROTEN und vorallem den GRÜNEN anzubiedern. Richtig ist: Der Senat muss erstmal die Einsparmöglichkeiten aufzeigen. Einige sind bereits umrissen durch AS, doch auch der Zuwendungsbericht des Finanzsenators macht deutlich, alles und jedes muss nicht mit Steuergeld abgesichert werden. Das geschiet in anderen Bundesländern auch nicht und auch hier wäre eine politische Debatte ohne Tabus angezeigt.
Sparen ist in Bremen schon lange ein Fremdwort! Der Länderfinanzausgleich (Bayern) wird´s schon richten! Und die CDU will natürlich nicht als Bremser dastehen. Mit Schulden kennen wir uns ja aus! By the way: Es ist schon sehr merkwürdig und anmaßend, ja frech, wenn der Bürgermeister die Belegschaft der Hütte mit „Liebe Kolleginnen und Kollegen “ anspricht!
Der Hinweis der CDU, man könne in Bremen auch mal sparen, ist sicher berechtigt, fällt aber auf sie zurück. Dem jahrelangen Gedrängel der CDU verdanken wir eine erhebliche Aufstockung der Bremer Heimaufsicht. Was sich gut anhören mag, ist aber nicht gut, führt die Aufstockung doch lediglich zu einer inflationären Mehrung von sinnentleerten bürokratischen Kontrollen der Heime durch – wohlgemerkt – Verwaltungskräfte, die von stationärer Altenpflege keine Ahnung haben. Was kontrollieren sie stattdessen? Das korrekte Wiehern des Amtsschimmels in den Heimen, z.B. ob die Ernennungsurkunden der von den Heimen selbst ausgebildeten Pflegekräfte im Original vorhanden sind oder in Dienstzimmern Regalbretter noch über intakte Kantenumleimer verfügen. Wie gut oder schlecht die Pflege läuft, sind sie unfähig zu ermessen. Das wirklich Wichtige, die Qualität der Pflege, müssen sie weiterhin dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen überlassen, der die Heime ohnehin jährlich aufsucht. Für eine Partei wie die CDU, die sich die Entbürokratisierung auf die Fahnen geschrieben hat, ist dies peinlich und wahrlich keine Demonstration ihres Sparwillens.
Ich glaube, dass mit dem Umbau die Arbeitsplätze weg sind. Mit Wasserstoff erzeugter Stahl ist rd 60% teurer. Das bezahlt niemand.
Wieder einmal trifft Ideologie auf Wirklichkeit.
Und Deutschland rettet nicht das Weltklima
Macht es Sinn, der unerbittlichen Logik des Marktes entgegenzuwirken, durch Subventionen, durch protektionistische Maßnahmen? Natürlich wäre es tragisch, den Stahlstandort Bremen zu verlieren, auch wird man sich auf nationaler und europäischer Ebene bemühen müssen, bei der Stahlproduktion nicht in Abhängigkeit zu Systemkonkurrenten wie China oder Russland zu geraten.
Aber selbst dann stellt sich über kurz oder lang die Frage, ob es für die Stahlproduktion nicht strategisch sinnvolle und wirtschaftlichere Standorte als Bremen gibt, die eine verlässliche wie finanzierbare Energieversorgung gewährleisten können.
Auf klimafreundlichen Wasserstoff zu setzen, ist aktuell eine Luftbuchung. Er wird in (zu) vielen Bereichen als Problemlösung für die nähere Zukunft gehandelt, ohne dass eine Massenproduktion in Aussicht steht.
Angesichts der Bremer Erfahrungen mit Strukturwandel und Werftenkrise wäre es richtig, den Blick rechtzeitig nach vorn richten.
So gesehen ist also gar nicht sichergestellt, dass ArcelorMittal die Bremer Hütte auf Wasserstoff umrüstet.
Dann ist aber auch nicht sichergestellt, dass das Stahlwerk in Bremen erhalten bleibt.
Wäre es dann nicht angebracht gewesen, die Fördermittel an die Bedingung zu knüpfen, dass das Stahlwerk und die Arbeitsplätze mindestens x Jahre erhalten bleiben? Ist es politisch klug, Fördermittel bedingungslos zuzusagen? Oder ist das heutzutage die falsche Frage?
Andreas Bovenschulte kann viel versprechen, aber nichts umsetzen. Er ist „Primus Interpares“. Entscheident wären Signale der Wirtschaftssenatorin, die sich in dieser Frage aber extrem bedeckt hält.
Nein, im Gegensatz zu vielen Optimisten behaupte ich, dass es das Stahlwerk in sehr kurzer Zeit heftig trifft! Meine Prognose ist der Abbau von rund 1500 Arbeitsplätzen in 2024 / spätestens 2025. Da kann auch die IG Metall nichts mehr retten (auch nichts durch Streiks den Abbau verhindern).
Woher sollen denn die Millionen Fördergelder kommen, die der Bund bereits indirekt bereits abgeschrieben hat?
Liebe Politiker kommt endlich zur Wahrheit zurück und sagt Beschäftigten und Bevölkerung was uns erwartet.