Ein MUST READ: Hamburgs Ex-Bildungssenator packt aus / Will Bremen gar nicht besser werden?

22.02.2024 6 Von Axel Schuller

Es gibt Sätze, die sind derart niederschmetternd, dass man sie nicht vergisst. Ein aktueller lautet: „Manche Länder wollen gar nicht besser werden.“ Ausgesprochen hat ihn Hamburgs Ex-Schulsenator Ties Rabe (SPD); nachzulesen im „Handelsblatt“. Rabe zierte sich, Ländernamen zu nennen. Meine Kollegen retteten sich mit der Formulierung: „Aus Kreisen der Wissenschaft verlautet jedoch, dass die Lage in Bremen, Berlin und Niedersachsen besonders aussichtslos sei“. Zu einem kurzen Freuden-Juchzer von Bremens Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) dürfte der nächste Satz geführt haben.

„Das liege nicht immer an der Politik, teilweise sei das System so chaotisch wie widerspenstig, dass es auch ambitionierte Politiker ausbremse“ – hieß es.

Ties Rabe hat diese Woche bei einer OECD-Veranstaltung reinen Tisch gemacht. Der Mann war jüngst nach 13 Jahren als erfolgreicher Hamburger Bildungspolitiker zurückgetreten. Ihm fehle die Kraft für weitere Kämpfe. In der Szene munkelt man, er habe angesichts eines drohenden Burn-Out die Reißleine gezogen.

Zur Erinnerung: Der Sozialdemokrat hat das – ähnlich wie in Bremen – daniederliegende Bildungssystem so radikal umgesteuert, dass Hamburg nunmehr im ersten, statt im letzten Drittel des Bildungs-Rankings angekommen ist. 

Was Rabe aus dem Maschinenraum der Hamburger Bildungspolitik berichtet, ist im Grunde ungeheuerlich – und wohl leider auf andere Länder übertragbar.

Seine Kernaussagen: Die deutlichen Verbesserungen des Lernniveaus sei „nur gegen den massiven Widerstand von Lehrern und Eltern möglich gewesen“. Es sei extrem mühsam, „ein riesiges System zu überzeugen, das … jeden Kultusminister abblocken kann“. Bildungsverbände – Lehrer, Gewerkschaften und Eltern – hätten in seinen 13 Amtsjahren „fast nie Anstöße gegeben, die damit zu tun hatten, dass Kinder besser lesen, schreiben und rechnen lernen“.

Rabe setzte dennoch Ganztags-Grundschulen in nahezu allen Stadtgebieten durch (Rechtsanspruch bundesweit erst 2026). Den Leistungsstand der Jungen und Mädchen prüft Hamburg häufiger als andere Bundesländer. Rabe setzte durch, dass die Basics Lesen, Schreiben, Rechnen in den Vordergrund gerückt wurden (siehe auch im Blog-Archiv).

Dabei rieb er sich offenbar an Pädagogen auf: Von denen meinten viele, man solle die Ganztags-Kinder nachmittags „lieber spielen lassen“. Sein Credo dagegen lautet: Nachmittags sind alle Kinder in der Schule. Sie werden beim Hausaufgaben-machen betreut. Kinder mit Defiziten besuchen zur gleichen Zeit spezielle Förderkurse.

Fast schon sarkastisch klingt Rabes Rückschau auf die Phase der Umsteuerung. Sehr mühsam sei es gewesen, Lehrer m/w zu „überzeugen, mehr Zeit ihres wertvollen Deutschunterrichtes zu opfern, um die schlechte Rechtschreibung der Kinder zu verbessern“. Er habe „wütende Briefe der Verbände mit dem Slogan ‚Diktat kommt von Diktatur‘ bekommen“. 

Rabe beendete die Debatte, setzte sich durch und änderte den Lernplan. Fünf Jahre habe es anschließend gedauert, Hamburg in bundesweiten Rechtschreib-Vergleichen von Platz 13 auf Rang 5 zu heben.

Leider gäbe es noch immer Widerstand gegen die von ihm betriebene Rückbesinnung auf die Grundlagen schulischen Lernens. Das hängt laut Rabe unter anderem damit zusammen, dass sowohl Lehrkräfte und Elternvertreter meist selbst aus „bildungsnahen Elternhäusern“ stammten. Er habe drei Jahre benötigt, damit endlich alle Grundschüler jeden Tag 20 Minuten lesen üben – „wie uns das die Wissenschaft seit Jahren empfiehlt“.

Aus dem Ruhestand ätzt Rabe gegen Lehrer- und Elternverbände. Statt sich für eine Verbesserung der Lerninhalte einzusetzen, hätten diese eher intensiv „für Unisex-Schultoiletten, Geschlechter-Ansprache und  Schulobstprogramme“ gefochten.

Womit Rabe vermutlich am wenigsten klarkommt, ist das Verhalten vieler seiner Kultusminister-Kollegen m/w. Mehrere Bundesländer ließen sich zwar mittlerweile von Hamburger Experten beraten. Jedoch: Seine Leute hätten anschließend häufig entmutigt berichtet: „Das wird da nichts, die wollen gar nicht besser werden. Die sagen, die Kinder sind eben so.“

Da Rabe sich zu den schlimmsten Ländern nicht äußern wollte, mutmaßte das Handelsblatt wohl nicht zu unrecht, dass es sich dabei auch um Bremen handele.

Ein Blick zurück auf die vorige Sitzung der Bremischen Bürgerschaft unterstreicht diese Einschätzung. Dort lehnte die lernresistente Koalition von SPD, Grünen und LINKEN den CDU-Antrag ab, nach Hamburger Vorbild Vorschulklassen für Kinder mit sprachlichem Förderbedarf (47 Prozent aller Bremer Kinder!) einzurichten. Die Begründung der Nein-Sager war nicht: haben kein Geld, haben keine Räume, haben keine Lehrer

Nein, diese ewigen Besserwisser, aber Falschmacher von Rot-Grün-Rot wollen keinen verpflichtenden Sprachunterricht für die massenhaft betroffenen Kinder, weil dies (laut Radio Bremen) die Jungen und Mädchen „ausgrenzen würde“.

Was grenzt diese Kinder in der ersten Klasse wohl mehr aus als das Nicht-Beherrschen der Unterrichtssprache Deutsch?

Der Großteil der ignoranten Bremer Bildungspolitiker ist einfach zum Verzweifeln. Das Ausgrenzungs-„Argument“ wird bereits bei der gut-gemeinten, aber schlecht-gemachten Inklusion permanent überstrapaziert.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Dänemark kämpft gegen unkonzentrierte, mittlerweile weniger empathische und zunehmend aggressive Schüler an. Dafür wird (laut NDR Info) die Digitalisierung de Schulbetriebes zurückgedreht. Papier und Bleistift spielen wieder eine wichtigere Rolle. Bedeutet: Computer nur dann einsetzen, wenn sie punktuell sinnvoll genutzt werden können. Schüler müssen ihre Handys vor Unterrichtsbeginn abgeben; bleiben auch in der Pause weggeschlossen! Zur Erinnerung: Bremen ist stolz wie Bolle, dass seit Corona alle Schüler m/w über ein I-Pad verfügen.