Für den Frieden, gegen den Krieg – offener Brief bekannter Sozialdemokraten an Olaf Scholz
Zwei Jahre nach Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine haben mehrere bekannte Bremer Sozialdemokraten Mut gefasst und ihre vom Mainstream abweichende Meinung an Bundeskanzler Wolf Scholz (SPD) in Form eines Offenen Briefes geschrieben. Unterschrieben haben: Arno Gottschalk (Bürgerschaftsabgeordneter), Willi Lemke (Ex-Werder-Manager, Ex-Senator und Ex-UN-Sonderbeauftragter für Sport), Joachim Schuster (Abgeordneter im Europaparlament), Carsten Sieling (Ex-Bürgermeister) und Reinhold Wetjen (SPD-Landesvorsitzender). Hier sehen Sie, liebe Leserschaft, dieses Dokument, über das In Bremen lediglich Radio Bremen (“butenunbinnen um 6”, am 23.2.) berichtet hat.
Sehr geehrter Bundeskanzler Scholz, lieber Olaf,
der Überfall Russlands auf die Ukraine jährt sich am kommenden Samstag zum zweiten Mal. Auch wenn die Entwicklungen an der Frontlinie weiterhin nur mit Einschränkungen zu
beurteilen sind, so deuten die verfügbaren Informationen doch darauf hin: die ukrainischen
Streitkräfte befinden sich ni der schwierigsten Situation seit dem Beginn des Krieges vor zwei Jahren.
Die mit großen Erwartungen verknüpfte Gegenoffensive, mit der die russisch besetzen Gebiete zurückerobert werden sollten, ist gescheitert. Und nicht nur das. Sah es lange Zeit nach einem Stellungskrieg aus, bei dem keine der beiden Seiten nennenswerte militärische Fortschritte erzielen konnten, so hat sich das Bild zuletzt zuungunsten der Ukraine gewandelt. Den Medien lässt sich entnehmen, dass die russischen Truppen wieder zum Angriff übergegangen sind und zumindest an Teilen der Fronten Geländegewinne erzielen.
Vor allem der Kampf um besonders umkämpfte Stellungen und Städte ist dabei von einem immens hohen Blutzoll begleitet. Auch wenn keine konkreten Zahlen veröffentlich werden, müssen wir davon ausgehen, dass ni diesem Krieg bisher mehrere 100.000 Soldatinnen auf beiden Seiten schwer verwundet oder getötet worden sind und mit jedem weiteren Tag Hunderte von Soldatinnen ihr Leben verlieren oder grausam verstümmelt werden. Die materiellen Schäden sind ebenfalls desaströs.
Die Ukraine wurde und wird von Deutschland und vielen anderen europäischen Staaten wie
auch der USA militärisch massiv unterstützt, damit sie diesen Krieg nicht verliert. Die Unterstützung seitens der USA ist infolge der innenpolitischen Blockade durch die Republikaner ni letzter Zeit nahezu versiegt. Die Hoffnung richtet sich deshalb umso stärker auf eine Fortsetzung und Ausweitung der Hilfe seitens der europäischen Länder. Aber auch dort werden Grenzen sichtbar. Die EU-Staaten haben zwar jüngst auch durch Deinen Einsatz ein eindrucksvolles finanzielles Hilfspaket verabschiedet. Bei der aktuell viel dringenderen Lieferung von Artilleriemunition werden die Zielmarken der angestrebten Hilfen aber weit verfehlt. Gleichzeitig zeichnet sich immer deutlicher ab, dass es der Ukraine nicht nur an Waffen und Munition mangelt. Wie die intensivierten Rekrutierungen und die Pläne für erweiterte Mobilisierungen ni der Ukraine signalisieren, fehlen der ukrainischen Armee nach den immens hohen Verlusten inzwischen vielerorts Soldaten.
Gegen diese bedrohlichen Entwicklungen werden keine neuen „Wunderwaffen” wie die
„Taurus-Marschflugkörper helfen. Selbst wenn diese die russische Raketenabwehr überwinden und punktuelle Schäden im Rückraum der russischen Truppen verursachen, werden sie kaum Einfluss auf die Verläufe an der militärischen Front haben. Viel eher ist zu befürchten, dass sie eskalierend wirken und harte Vergeltungsschläge durch russische Raketen auslösen. Wir begrüßen daher ausdrücklich deine besonnene Haltung zur Lieferung dieser Waffe.
Statt weiterhin nur auf militärische Hilfen zu setzen, ist es deshalb höchste Zeit, diplomatische Initiativen zu verstärken, um einen Waffenstillstand zu erreichen. Weiterhin darauf zu orientieren, der Ukraine erst zu einer militärisch vorteilhaften Position für Verhandlungen zu verhelfen, ist angesichts der militärischen Lage keine realistische Alternative.
Nicht nur bei den Waffen, auch und gerade in der Frage der Diplomatie kommt es jetzt mehr denn je auf die Europäer an. Deutschland sollte deshalb energisch gemeinsam mit Frankreich sein politisches Gewicht einbringen, um gemeinsam mit anderen Staaten wieetwa China, Indien, Brasilien und Südafrika den politischen Druck auf Russland erhöhen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Und ebenso muss Deutschland seinen Einfluss aufdie Ukraine nutzen, damit die ukrainische Regierung zu Verhandlungen ohne unrealistische Vorbedingungen bereit ist.
Wir leben in bedrohlichen Zeiten und wir erleben wahrlich eine Zeitenwende. Umso notwendiger ist es, dass die Sozialdemokratie – aufbauend auf ihrer umfassenden entspannungspolitischen Tradition – politische Alternativen zu einer brandgefährlichen und einseitig auf militärische Konfliktlösungen und Aufrüstung setzende Politik aufzeigt und Schritt für Schritt umsetzt. Wir brauchen eine aktualisierte Politik der „Gemeinsamen Sicherheit”, die auch die Herausforderung der globalen Zusammenarbeit zur Bekämpfung des Klimawandels und der Reduzierung von Armut im Blick hat. Wir brauchen neue Anstrengungen zu europäischer Abrüstung und Rüstungskontrolle. Wir fordern Dich als Bundeskanzler auf, entsprechend initiativ zu werden.”
Arno Gottschalk, Willi Lemke, Joachim Schuster, Carsten Sieling, Reinhold Wetjen
Zum einen ist bei diesem Brief nicht der „Mut“ erkennbar, den die Verfasser für sich reklamieren. Zum anderen verkennen die Herren die Ziele des anderen Herren. Dieser nämlich will nicht nur die gesamte Ukraine unterwerfen, sondern auch die baltischen Länder sowie Länder wie Georgien, die ehemals Teile der Sowjetunion waren. Den „mutigen“ Herren ist zu empfehlen, sich die Ängste und Befürchtungen der Nachbarn des Aggressors anzuhören. Diese nämlich sind tatsächlich mutig, unterstützen die Ukraine und bereiten sich auf das Schlimmste vor.
Eine wirklich hilfreicher offener Brief, der die Gedanken formuliert, die viele Deutsche haben, die Krieg, Flucht, Zerstörung ihrer Lebensgrundlage und Vertreibung im letzten Krieg erlebt und deren Folgen erlitten haben. Es ist nur knapp 80 Jahre her.
Die psychischen Verletzungen sind bis in die 3. Generation zu spüren. Deshalb hieß es in Deutschland über Jahrzehnte „nie wieder Krieg!“ Nicht nur die Psychologen wissen,, dass Konflikte nicht mit Aggressionen zu lösen sind, weil das in der Regel zu Eskalation führt. Nur Verhandlungen – lang, zäh, geduldig – führen zu Lösungen, die friedensfähig sind. Russland gehört zu Europa. Deutschland muss mit diesem Nachbarn wieder in ein friedensfähiges Zusammenleben hinein wachsen. Insofern ist dieser Appell an den Bundeskanzler genau richtig und entspricht dem Wunsch vieler Deutschen an unsere jahrzehntelange Tradition der Nachkriegszeit, Entspannungspolitik auf diplomatischem Wege zu machen. Ich hoffe, dass der Mainstream sich nicht weiter vor den Karren der Verteufelung eines einzelnen Politikers spannen lässt, sondern wir wieder die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten erkennen lernen. Dann kann man wieder verhandeln.
Das ist ja eine ganz schlimme Gang! Die Ukrainer kämpfen um ihre Freiheit! Frieden und Freiheit können aber ganz verschiedene Dinge sein! Der Angriff Putins gilt nur vorerst der Ukraine, er hat aber weitergehende Ziele skizziert. Deswegen sind wir und unsere Nachbarn direkt davon betroffen. Was diese sechs Sozen propagieren ist Kollaboration! Sie ist das Gegenteil von Freiheit. Aber diese Kollaboration und die Unterwerfungspolitik dieser Friedensfreunde ist eine alte Leier. Diese sechs sollten mal lieber Herrn Gauck zuhören. Ansonsten sollten diese hinlänglich bekannten sechs sich schämen!
Wie kann ich etwas verstärken, was angeblich gar nicht gegeben ist? Für mich ist er nicht besonnen, sondern feige, unser Bundeskanzler.
Ein Brief, der. Mut macht. Danke! Natürlich hetzen jetzt die Kriegsfreunde mit doppelter Wut. Wird Zeit, dass endlich Vernunft einkehrt in die politische Debatte. Ich bin da vorsichtig optimistisch.
Herr Gomöry, Ihre Argumentation erinnert mich an die denkwürdige ausgedachte Anekdote von Watzlawick, dem auch hierzulande gut bekannten austroamerikanischem Psychologen. In dieser Anekdote benötigt ein Mann einen Hammer. Er entschließt sich, seinen Nachbarn um einen solchen zu bitten. Auf dem Weg zum Nachbarn fällt ihm ein, dass dieser ihn letzthin nicht gegrüßt hat, ohnehin irgendwie überheblich ist, ihn selber bestimmt nicht mag und bestimmt keinen Hammer verleihen wird. An der Tür des Nachbarn angelangt und als dieser dieselbe öffnet, schleudert er dem Mann entgegen: „Behalten Sie doch Ihren Hammer!“
Mit vergleichbarer Sicherheit behaupten Sie zu wissen, was auf russischer Seite in den Köpfen vor sich geht. Wie wäre es stattdessen mit der Probe auf‘s Exempel? Einfach mal – auch öffentliche – Vorschläge machen und damit den politisch-diplomatischen Druck auf Russland erhöhen. Wenn der Kreml sich völlig hartleibig erweisen sollte, kann man immer noch an der militärischen Eskalationsschraube drehen und die Ukraine weiter aufrüsten.
Wie nachteilig es sein kann, statt des diplomatischen Spatzes hinter der militärischen Taube herzujagen, konnte die Ukraine ja schon erfahren. Vor 2 Jahren hätte sie im März/April einen Waffenstillstand zu deutlich besseren Bedingungen als jetzt haben können. Der von Ihnen vorgeschlagene Schuss kann also auch sehr nach hinten losgehen.
Lieber Herr Paul, Danke für Ihren Kommentar. Ich bin mir ziemlich sicher zu wissen, wie der Autokrat und seine Entourage „ticken“. Ganz einfach, man muss ihnen nur aufmerksam zuhören. So wie ich Wladimir Grinin 2015 zugehört habe, als er in Bremen wortreich erklärte, dass der kollektive Westen – auch historisch gesehen- an allem schuld sei, Kriege und Verderbtheit, Dekadenz und alles Schlechte in die Welt hineingetragen hat. Im Gegensatz zu Russland und seiner Politik. Ich antwortete ihm:“ Jetzt wissen wir endlich ,wer die Guten und die Bösen sind. Nur: wie erklären Sie sich, dass alle Ihre Nachbarn Angst vor Ihnen haben. Und sogar neutrale Länder wie Finnland und Schweden der NATO beitreten wollen?“ Grinin konnte diese Frage wortreich nicht beantworten.. Nicht zuletzt: die Lösung des schrecklichen Krieges scheint mir im Kissinger Plan vorgezeichnet. Die historische Blaupause liefert die Beendigung des Koreakriegs – bei allen Unterschieden.
Die fünf Sozialdemokraten fordern, das Deutschland seinen Einfluss auf die Ukraine ausüben solle, damit dieser von Putin abgegriffene unabhängige Staat ohne unrealistischen Vorbedingungen zu Verhandlungen bereit sei.
Gleiches wird von Russland nicht verlangt. Und dies in Kenntnis der Tatsache, dass Putin und Co mehrfach formuliert haben, man würde nur dann mit der Ukraine verhandeln, wenn dieses Land bereit sei, seine Niederlage zu akzeptieren.
Ich bin mehr als erschrocken über diese einseitige Sichtweise der fünf Sozialdemokraten bzw. man kann sogar sagen über deren Parteinahme zugunsten Russlands.
Warum sollte Putin verhandeln?
Warum plötzlich China, Brasilien, Indien und Südafrika dies unterstützen wollen? Diese Länder spielen ihr eigenes Spiel. Die Fakten sind eine Kette von russischen Eroberungen, beginnend 2014 (Krim) und die Schädigungen vieler Länder des „Westens“ durch diverse finanzielle und materielle Unterstützungen der Ukraine. Deutlich geworden ist inzwischen, dass die Ukraine nicht obsiegen wird und Russland nicht mittels bisheriger Strafmaßnahmen (Sanktionen) eingeschüchtert oder ruiniert werden kann. Und drastische Aktionen militärischer Art empfehlen sich grundsätzlich nicht.
Es ist deshalb angesagt, realistisch-pragmatische Lösungen zu finden, obgleich es keine Garantie dafür gibt, dass Putin danach im wahrsten Sinne befriedigt ist. Aber ein Angriff auf NATO-Länder hätte absehbar den 3. Weltkrieg zur Folge, den dann keiner gewinnen kann.
Unsere Politiker:innen sind nicht darin geübt, militärisch-strategisch zu denken, wie einst General Sharon – aber das ist ein ganz anderes Thema! Ehrenwerte Appelle an demokratische Verteidigungspflichten helfen derzeit leider nicht weiter. Angesichts der vielfältig-katastrophalen Lage nach zwei Jahren Krieg gegen die Ukraine ist eine drastische Kehrtwende wohl möglich unvermeidbar gworden.
Also folgendes: Waffenstillstandsvereinbarung und einige Frontbegradigungen auf der Grundlage, dass die Ukraine erklärt, als neutral-unabhängiges Land weder der Nato noch der EU angehören zu wollen. Der kleine Mann im großen Kreml mit den längsten Tischen hat dann etwas vorzuweisen, bleibt ein mächtiger Staatsmann, dem weltweite Aufmerksamkeit gewiss sein kann. Die Ukraine-Führung muss das leider akzeptieren, weil es keine zusätzlichen Waffen, jedoch umfangreiche finanzielle Hilfen für den Wiederaufbau zugesagt bekommt. Das rettet Menschen und die Existenz des selbständigen, aber neutralen Staates Ukraine, deren Einwohner dann friedlich und künftig in neuem Wohlstand leben können.
Das würde keine Freude in ukrainischen Kreisen herbeiführen, sie werden sich verraten fühlen. Aber was wäre die kriegerische Alternative, die nur den weltweiten Waffenfabriken nutzen würde, jedoch unabsehbar viele Tote, zerstörte ukrainische Städte sowie zunehmend geschwächte Volkswirtschaften der Unterstützer zur Folge hätte.
Das ist wie im alltäglichen Leben, manchmal muss man fundamental-frustriert zurückstecken, wenn andere stärker sind, sei es körperlich, wirtschaftlich oder rechtlich. Klug ist, wer dies hoffentlich rechtzeitig erkennt und seine Existenz retten kann, auch wenn es bitter ist.
‘Hartmut Paul: allen Kommentatoren, die so sehr nach einer Friedenslösung drängen, muß leider entgegengehalten werden, dass eine solche mit hoher Warscheinlichkeit *
1. den Status der jetzt russisch eroberten Gebiete dauerhaft festschreibt
2. Putin eine unverhoffte Chance zur Optimierung von Truppen/Waffenproduktion/Nachschub/Propaganda eröffnet
3. einen “Sieg der milit. Spezialoperation” rechtzeitig zur Neuwahl beschert
4. Ihn im Erfolg seiner aggressiven Geopolilitik bestärkt
5. Die Bereitwilligkeit weiterer Unterstützung der Ukraine nicht nur mit Waffen/Finanzmittel/Solidarität durch den Westen massiv einschränken wird
6. die Warscheinlichkeit weiterer hybrider Infiltrations/Destabilisierungsmassnahme auch in anderen angrenzenden Ländern massiv erhöht
7. das Vertrauen auf den Westen und den Unterstützungwillen durch die Nato in Polen, dem Baltikum, Finnland Schweden, und anderen angrenzenden Ländern massiv untergräbt
8 Putin zu weiteren geopolitischen Schritten nach einer gewissen “Latenzzeit” geradezu ermutigt
9. andere geopolitische Abenteuer (China-Taiwan/Iran-Israel/Türkei-Aserbeidschan-Armenien/Nord-Südkorea etc.) wegen dieser als “westliche Schwäche” gedeuteten Haltung geradezu provoziert.
10. das Ende der westlichen Verlässlichleit auf Unterstützung/Solidarität und Eintreten für Menschenrechte/Völkerrecht bedeuten wird.
11. die bisherigen mutigen Anstrengungen und den Willen der Ukraine zum Erhalt ihrer staatlichen Souveränität
aus Gründen der eigenen Bequemlichkeit mißachtet!
Wer aber immer noch verharmlosnede Zweifel an Putins geopolitischen Vorhaben und seinem historischen Narrativ eines neuen großrussischen Reiches unter seine Herrschaft hat, sollte folgende Literatur zur Hand nehmen und eingehend lesen:
1. Putins Netz von Catherine Belton
2. Der Weg in die Unfreiheit von Timothy Schnyder
3. Chinesisches Roulette von Desmond Shum
4. Die Interviews mit Michail Chodorowski und sein Buch ” Wie man einen Drachen tötet”.
Für alle SPD-Granden unter den Kommentatoren/Unterzeichnern zudem das Buch “Die Moskau-ConneKtion” der beiden investigativen Journalisten Reinhard Bingener und Markus Wehner. Diese beiden haben sehr sorgsam die schon frühen Verstrickungen gerade von nahmhaften Vertretern dieser Partei in Putins sorgsam ausgelegte KGB-Leimruten einer deutschen Energieabhängigkeit mit daraus resultierendem Misstrauen der westlichen Bündnis-partner aufzeigt und belegt. Dies sollte allen zur Einsicht und Wiederholungsprävention dienen.
In Anbetracht der gerade vor erst 10 Tagen erfolgten, endgültigen staatlichen “Liquidierung” des letzten nahmhaften Oppositionspolitikers Navalny, sollten die Unterzeichner ernsthaft über ihren Realtätssinn nachdenken!
Aus NZZ vom 23.02.2024:
“Ende Januar landete auf dem Flughafen Ouagadougou eine Gruppe von hellhäutigen Männern in militärischen Tarnanzügen und mit Stapeln von Kriegsmaterial. Ihre Herkunft verschleierten sie keineswegs – an ihrem Transportflugzeug prangte eine grosse russische Flagge. Auch die Moskauer Staatsmedien machten kein Geheimnis aus der Militäraktion. «Die ersten 100 russischen Soldaten sind in Burkina Faso gelandet», lauteten die Schlagzeilen, ergänzt durch Hinweise darauf, dass die Bewaffneten die dortige Militärjunta schützen sollen..”
Das zum Thema Putins Vorhaben !
Aus NZZ vom 23.02.2024: Forts.
Vom Mittelmeer bis Westafrika
Neben Vizeverteidigungsminister Junusbek Jewkurow ist der General Andrei Awerjanow
der zweite Verhandlungsführer des russischen ” Africa-Korps”
“Es handelt sich um jenen geheimnisumwitterten General Andrei Awerjanow, von dem es bis letzten Sommer nicht einmal ein offizielles Bild gab. Bekannt geworden war Awerjanow 2019 als Leiter der berüchtigten Einheit 29155 des russischen Militärgeheimdiensts GRU. Seine Einheit war unter anderem für die Vergiftung des Doppelspions Sergei Skripal und diverse Attentate in Osteuropa zuständig. Dieser General scheint nun die geheimdienstliche Seite der russischen Afrika-Operationen zu betreuen.
“Ebenfalls von «African Initiative» kommt die Angabe, dass das Afrika-Korps auf 40 000 Mann anwachsen soll. Dieses Ziel wirkt unrealistisch, nimmt man Dimensionen der bisherigen Gruppe Wagner zum Massstab: Deren Afrika-Präsenz hatte laut Schätzungen die Marke von 10 000 Mann nie überschritten.
Die Zahl verdeutlicht jedoch die russischen Ambitionen. Bis zum Sommer soll das Afrika-Korps in mindestens fünf Ländern aktiv sein, mit einem Schwerpunkt in der Sahelzone. Russland scheint dabei einen geopolitischen Block von Staaten bilden zu wollen, der vom Mittelmeer bis weit nach Westafrika reicht.”
Aber was empfehlt denn nun Dr. Wewerka nach dieser Analyse? Wie sollte es weitergehen?
@Dr. Wewerka: Haben Sie ernsthaft erwartet, dass sich Russland – es geht nicht nur um Putin – eine von den USA militärisch aufgepäppelte und zunehmend bis hin zum Beitritt in die NATO integrierte Ukraine bieten lässt? Und das, ohne an irgendwelches Hegemoniebestreben der USA zu denken? Nicht wirklich, oder?
Ich empfehle dringend allen Diskutanten den Zeitungsartikel der letzten Woche aus der amerikanischen Zeitung “The Hill” von Douglas MacKinnon (ehemaliger Präsidentenberater von Reagan und George H. W. Bush) zu lesen. Titel: “Raise your privileged hand if you’re wiling to fight to the last Ukrainian.” Im Netz zu finden, allerdings auf Englisch.. Eine kluge, zutreffende Analyse der aktuellen Situation, so bitter das Ergebnis ist.
@ K. Kellner + H. Paul:
Halten wir uns die mögliche (es nützt hier nichts, mit “wünsch Dir was” zu argumentieren) Zukunft vor Augen:
1. ein von Putin bereits kompromittierter D. Trump wird nächster US-Präsident. Ein zwischen Russland und der Ukraine aufgedrängter Frieden führt zu einer mittelfristigen Machtübernahme des Kremls in der Ukraine. Moldawien wird über Transnistrien und russische Destabilisierung ebenfalls zum russischen Einflußbereich. Russland vollzieht eine Besetzung der Schwarzmeerküstenregion (mit Ölförderung dort) Die baltischen Staaten erleben eine hybride Neuauflage russischer Infiltration bei immerhin ca 35 % russischstämmiger Bevölkerung mit anschließendem “Volksentscheid” für Rußland und gegen die Nato (Die Krim läßt grüßen!). Russland schließt den Landkorridor zu Kaliningrad (größter russischer Militärstützpunkt in seiner westl. Ostsee). Finnland und auch Schweden sind von der militärische Natounterstützung über die mittl. und östl. Ostsee hierdurch abgeschnitten. Die USA werden sich im Falle Art. 5 des Natovertrages ( insbes. unter einer Präsidentschaft der derzeitigen Trump-Republikaner) nicht zwingend zur Verteidigung Europas aufgerufen fühlen, da sie im chinesischen Meer eine Invasion Taiwans verhindern und im Nahen Osten die Existenz Israels gewährleisten müssen. Die Staaten des nahen Ostens allen voran Iran mit seinen diversen Proxies und viele Staaten Mittelafrikas befinden sich schon jetzt in enger Kooperation mit Russland und China. Sie werden den ehemaligen Kolonialmächten Europas keine Träne nachweinen.
Und ein Blick in europäische Kasernen und insbesondere deutsche Panzer-Hallen wird ein über die Jahre massiv eingespartes “Sondervermögen” Bundeswehr enthüllen, dessen Abschreckungswert ohne geopolitische Konsequenzen bleiben wird.
1. zu H. Paul: sicher ist Putin allein nicht Russland aber (hier C. Belton: Putin`s engster Kreis die (KGB-) Siloviki aus St. Petersburg) Putin ist die “ideologische Macht-Spinne in seinem Netz” und Garant für das Narrativ eines neuen Groß-Russlands. Er ist der “Karajan” dieses Vintage-Orchesters. Zudem hat sich die Ukraine in einer freien Wahl mit über 85 % für eine demokratische Staatsform entschieden, deren souveräne Grenzen nach Völkerrecht für alle bindend sind aber – wie erlebt- nicht von allen Unterzeichnerstaaten respektiert werden!
Wer will eigentlich ein zwischen beiden Seiten ausgehandeltes Friedensabkommen garantieren und ggfs. sank-tionieren? (Altkanzler Schröder?)
2. zu K. Kellner: Wir müssen uns sehr schnell an den Gedanken und die Umsetzung einer abschreckungs-fähigen,inner- europäischen Militär-Streitmacht gewöhnen, um “verteidigungsbereit” und “kriegsfähig” zu werden.
(Boris Pistorius) Aber selbst diese ministerielle Erkenntnis eines langjährig verdienten SPD-(Innen/Verteidigungs-) Ministers ist in seiner Partei und bei den Grünen ja kaum konsensfähig.
Die bitteren Alternativen hierzu habe ich oben in aller gebotenen Kürze skizziert. Und dann sage Niemand, er habe damit nicht rechnen können.
Ansonsten darf ich auf den vorhierigen Block zum gleichen Thema verweisen und auf das Buch von Ben Hodges et alii ” Future War” (2021) verweisen.: Naivität und eine ideologisch-euphemistische Betrachtung der geopolitischen Weltlage bei ihrer absehbaren Fehl-Entwicklung bringen uns hier nicht weiter!
allianz
Dieser Brief der fünf aufrechten Sozialdemokraten schließt nahtlos an an die Entspannungspolitik von Brandt, Bahr, Genscher, Kohl, Teltschik und Schmidt. Diesen Politikern war klar, dass in Moskau keine Engel regieren, sondern brutale Machtpolitiker, mit denen man aber trotzdem verhandeln muss. Diesen Politikern war klar, dass Politik vor allem von Interessen, und nicht von Moral bestimmt wird, man aber dennoch einen moralischen Kompass braucht (Schmidt).
Mit Hofreiter, Baerbock, Strack-Zimmermann und leider auch Merz hat eine merkwürdige Naivität in die Außenpolitik Einzug gehalten (Ukraine gut, Putin böse), die an das Gut-Böse-Schema amerikanischer Vorabendserien erinnert. Die Moral, die verkauft wird, ist absurd: Es ist unmoralisch, von Russland Gas zu kaufen, aber sehr moralisch von Katar und Saudi-Arabien Flüssiggas und Öl zu kaufen, die beide den IS unterstützen, ähnlich wie Putin politische Morde begehen, etwa Khashoggi.
Zudem ist die Politik unrealistisch; Ich glaube nicht, dass Putin sich den Rest Europas einverleiben will, wo er doch schon mit der Ukraine seine Liebe Not hat.
Insofern stimme ich der Einschätzung zu, dass Scholz als Kanzler massvoll handelt und sich nicht von den hysterischen Stimmen leiten lässt.
Insgesamt also freue ich mich über den Brief.
Die Briefschreiber haben völlig Recht. Ich freue mich gerade für den SPD-Linken Carsten Sieling, dass er dabei ist.