20.000 Container nun länger unterwegs / Bund behandelt die Häfen schlecht / WK uns auch

25.02.2024 3 Von Axel Schuller

Häfensenatorin Kristina Vogt (LINKE) ist „auf der Zinne“. „Lägen die Seehäfen in Bayern, hätten wir die besten Autobahnen und Schienenverbindungen.“ Ich ergänze: Hätten wir eine gute Bremer Lokalzeitung, hätte diese ihren Lesern spätestens am zweiten Tag nach der Autobahn-Vollsperrung das Ausmaß der logistischen Katastrophe hautnah „erzählt“. Aktuell kann Bremerhaven, zweitgrößter deutscher Seehafen, pro Woche mindestens 20.000 Container nicht pünktlich vom/auf Lkw abfertigen. Außerdem: Die 5 bis 6 Schwertransporte (pro Nacht!) mit überdimensionierter Ladung stecken fest. Wer informiert sein möchte, schaut am besten „butenunbinnen“.

Liebe Leserschaft, wenn Sie wüssten, wie schwer mir der vorige Satz als gelerntem Tageszeitungs-Menschen gefallen ist. Der wichtigste Teil der bremischen Häfen – eben in Bremerhaven – ist seit Mittwoch brutal benachteiligt. Die Deutsche Bahn liefert zwar (wöchentlich) weiter mindestens 20.000 Container nach und von Bremerhaven. Auch tausende von Im- und Exportautos landen via Schiene am Autoterminal.

Aber: Die rund 20.000 von Lastwagen transportierten Container kommen teilweise nur unter großem Zeitverlust am Wilhelm-Kaisen-Terminal an bzw. können nicht nach bisherigen Zeitplänen von Bremerhaven aus in Deutschland und Europa verteilt werden.

In Bremerhaven und im Bremer Häfenressort herrscht hochgradige Alarmstimmung. Die ersten Reeder lenken (angeblich) bereits die ersten Schiffe nach Rotterdam um, um die verabredeten Zeitpläne einzuhalten. Die nahezu panische Sorge: Wenn sich der Warenfluss von dort reibungslos gestaltet (und der Transportpreis halbwegs stimmt), könnte Ware dauerhaft in die Niederlande „abwandern“. Die Vollsperrung der A 27 wird voraussichtlich bis Ende März andauern!

Mal ein paar Zahlen zwischendurch: An den Bremer Häfen in Bremerhaven und Bremen hängen direkt und indirekt knapp 40.000 Arbeitsplätze. Bremerhaven ist mit mit einem Umschlag von 42,7 Millionen Tonnen nach Hamburg (103 Mio To.) in Deutschland die Nummer Zwei. Rechnet man Bremen mit 17 Millionen Tonnen hinzu, schlagen unsere Häfen rund 60 Millonen Tonnen um. Auf Platz 3 liegt Rostock mit 21,5 Millionen Tonnen.

Häfensenatorin Kristina Vogt ist nicht nur wegen der Autobahn-Sperrung sauer auf den Bund. Zwar ist die Unterspülung der A 27  Folge der langjährig übelst vernachlässigten Infrastruktur – und der jahrzehntelangen Brutal-Bevorzugung Bayerns bei Straßenbauprojekten. Bald noch schwerer wiegt freilich das offensichtliche Desinteresse der Ampel-Regierung an der Förderung der deutschen Häfen. Vogt: „90 Prozent aller in und aus Deutschland weltweit gehandelter Güter gehen über die Seehäfen. Aber der Bund stellt aktuell gerade mal 38 Millionen Euro an Fördermitteln zur Verfügung” – für alle Häfen an Nord- und Ostsee. 

Vergleichszahl: Allein Bremen muss in den kommenden Jahren 500 Millionen Euro für neue Kajen ausgeben. Dazu kommen immense Aufwendungen für die Digitalisierung – die in Rotterdam und Antwerpen weit fortgeschritten ist.

Bei der deutschen „Maritimen Konferenz“ vorigen September in Bremen lieferten Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) indes ein Trauerspiel ab. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) kam erst gar nicht und ließ seine Staatssekretärin ausrichten, Bayern werde leider keine grundlegende Änderung der Häfen-Förderung mitmachen. Und fürs Geld sei das Finanzministerium zuständig. Habeck wiederum erklärte, er würde die Häfen ja gerne unterstützen, hätte aber allenfalls ein paar Mittel für die Projektförderung

Was viele Konferenz-Teilnehmer aber richtig auf die Palme trieb: Olaf Scholz reagierte wie so häufig: Er grinste das Thema weg. 

Und zur „Krönung“: Nach seiner Rede ließ er sich zu einem Bauernhof (für die Fotografenschar?) fahren. Wirkte wie arrogante Ignoranz. Dabei weiß Scholz, dass die Länder die Häfen nicht zum Selbstzweck unterhalten, sondern, damit der deutsche Ex- und Import funktionieren.

Zurück zur A-27-Sperrung. Jetzt könnte man sagen: Ja, was sollen Journalisten denn über eine Autobahnsperrung vor dem Bremerhavener Hafen berichten. „Butenunbinnen“ hat’s den schreibenden Kollegen vorgemacht. Während der WK aus Presseerklärungen unterschiedlicher Behörden und Stellen lieblos zu einem blutleeren Artikel zusammenschraubte (Journalisten-Slang), schwärmten Reporter von Radio Bremen sofort aus, drehten auf der Autobahn, interviewten Mitarbeiter von Schwerlastfirmen und Containertransporteuren, standen in Hagen an der Umleitungsstrecke – halt so, wie man das macht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen des Weser-Kurier: Wer ab 1. März monatlich nahezu 50 Euro fürs Abo kassieren will (48,90), muss deutlich mehr bieten und engagierter zu Werke gehen. Die ÖffentlichRechtlichen Sender sind nach meiner Überzeugung personell aufgebläht und in strukturell schwerst reformbedürftig, aber: Für den Empfang aller öffentlich-rechtlicher TV- und Radioprogrammen zahlt man monatlich aktuell 18,36 Euro. Aufs Jahr gerechnet: 220,32 Euro gegenüber von 586,80 Euro fürs Heimatblatt (ab nächste Woche). Da kann man allmählich ins Grübeln geraten. Was will ich, was brauch ich und: was kann ich?

Das Noch-WK-Alleinstellungs-Merkmal (gedruckte Todesanzeigen) reißt’s auf Dauer nicht mehr raus.

Die Tageszeitung beklagt häufig, Radio Bremen produziere täglich mehr online-Meldungen als der Medienstaatsvertrag zulasse. Ich hab’s nicht nachgezählt. Aber: RB ist auch online einfach besser als der WK. Der Verlag erdreistet sich noch immer, mittags Artikel online als „News“ anzupreisen, die bereits morgens in der gedruckten Zeitung erschienen sind. So, liebe Kollegen m/w, kann man keinen Zukunfts-Preis gewinnen.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Bereits seit Sonnabend (24.2.24) können Sie auf meiner Seite den Offenen Brief bekannter Sozialdemokraten (wie Willi Lemke) an den Kanzler zur Ukraine lesen. Mit der vom Mainstream abweichenden Forderung: Jetzt verhandeln! (Dazu bisher im WK: Keine Zeile). Welche Aufgabe hat eine Zeitung: Die Leser zu informieren, oder vor anderen Meinungen zu “beschützen“?