Lesestoff: Ex-Lehrerin beschreibt, wie sehr die Kinder in Finnland im Vordergrund stehen
Heute eine Premiere bei bremensogesehen.com : der wunderbar fundierte Text einer pensionierten Lehrerin, Mutter und engagierten Bürgerin. Hilde Kohake hat sich erfreulicherweise überreden lassen. „Schreib bitte deine Erfahrungen mit den unterschiedlichen Bildungssystemen auf“, lautete der „Auftrag“. Das hat sie gemacht. Für alle Lesemuffel, die es auf dieser Blog-Seite zum Glück nicht gibt, mein Tipp: Halten Sie durch. Auch, wenn’s heute viel länger dauert. Notfalls können Sie ja in Etappen lesen. Für alle Bremer m/w, die irgendwie mit Bildung zu tun haben, gilt übrigens: LESEPFLICHT. 🙂
Hilde Kohake über ihre Erfahrungen und Erkenntnisse (inkl. Finnland):
„Eigentlich taucht das Thema „Bildung“ in Bund oder Land immer nur kurz vor den Wahlen auf. Dann hört man Politikerinnen und Politiker aller Parteien im Land der Dichter, Denker und Ingenieure darüber schwadronieren, als handele es sich um eines der wichtigsten Themen überhaupt.
Ist es auch!
Aber leider verschwindet es kurz nach den Wahlen von wenigen Ausnahmen abgesehen, sang- und klanglos wieder in der Versenkung. Bis zu den nächsten Wahlen. Dann wiederholt sich das Schauspiel in verlässlicher Regelmäßigkeit aufs Neue. Völlig überraschend und möglicherweise ausgelöst durch den plötzlichen Rücktritt eines bemerkenswerten Bildungspolitikers ganz anderen Schlages aus Hamburg, Ties Rabe, ist das Thema jetzt aktuell auf dem Tisch.
Wohl wissend, dass dieses Thema eines mit Sprengkraft ist – dazu komplex, mit vielschichtigen Facetten, unterschiedlichen Akteuren – direkt und indirekt Betroffene hat. Außerdem Widerspruch auslöst, pauschale und verallgemeinernde Aussagen immer falsch sind, eine bis ins letzte Detail vorgenommene Differenzierung in diesem Rahmen nicht möglich ist. Dennoch möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich an dieser Stelle auf Grundlage langjähriger Erfahrung im Bildungsbereich dazu zu äußern, um zu einer dringend notwendigen gesellschaftlichen Debatte über unser Bildungssystem anzuregen und dazu einzuladen.
Ich habe fast 40 Jahre im Bildungsbereich gearbeitet, überwiegend in der beruflichen Bildung, habe vornehmlich Erzieherinnen und Erzieher, aber auch Lehramtskandidaten in Niedersachsen ausgebildet. Viele von ihnen haben aber in Bremen ihre Praktika bzw. ihr Studium absolviert. So konnte ich Einblick in viele Schulen Bremens gewinnen. Ganz abgesehen davon sind meine drei Kinder in Bremen zur Schule gegangen. Ich habe einige Jahre an einer Europa-Schule gearbeitet und im Rahmen des europäischen Mobilitätsprogramms die Möglichkeit gehabt, andere Bildungssysteme in Europa kennenzulernen.
Vor diesem Hintergrund sage ich:
Wer Ungleiches gleichbehandelt, zementiert die Ungleichheit!
Damit meine ich nicht, dass, wie in unserem Schulsystem, Kinder frühzeitig selektiert und auf unterschiedliche Schultypen verteilt werden, sondern dass sie in überschaubaren Gruppen, in denen sich Kinder als unterschiedlich wahrnehmen dürfen und entsprechend ihrer Fähigkeiten gefördert werden und von ihrer Diversität gegenseitig profitieren, unterrichtet werden sollten.
Wer aus einem bildungsfernen Elternhaus und/oder einem mit Sprachbarrieren bspw. aufgrund eines Migrationshintergrundes stammt, hat in Deutschland denkbar schlechtere Bildungschancen als Kinder, die aus einem bildungsnahen Elternhaus stammen. Das weiß inzwischen jede und jeder und ist nicht neu. Die Ergebnisse der Pisa-Studien zeigen es immer wieder aufs Neue. Nun las ich kürzlich, dass der Philologenverband fordert, solange nicht mehr an den Pisa–Schulleistungsstudien teilzunehmen, wie Andreas Schleicher diese als Bildungsdirektor und Studienleiter für die OECD alle drei Jahre durchführt.
Die Ergebnisse sind einfach zu besorgniserregend. In den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften und Lesekompetenz haben sich die Ergebnisse zuletzt noch weiter verschlechtert. Die 15-jährigen Schülerinnen und Schüler Deutschlands können im europäischen Vergleich nicht mithalten.
Will man nicht wissen, wie es um eines der wichtigsten Zukunftsthemen bei uns aussieht? Will man lieber die Augen verschließen? Will man lieber den Studienleiter zum Bösewicht machen? Ist das ein angemessener Umgang mit Realität?
Warum traut sich in Deutschland eigentlich niemand – von Ties Rabe in Hamburg einmal abgesehen – das Bildungssystem grundlegend zu reformieren?
Wie es etwa der Pisa-Primus Finnland gemacht hat. Dort hat man sich auf die Suche nach neuen Wegen gemacht und hat in der polytechnischen Bildung der ehemaligen DDR ein geeignetes Modell für den Umbau des finnischen Bildungssystems gefunden. In Deutschland gab es also bereits ein sehr erfolgreiches System, das nun interessanterweise auf dem Umweg über Finnland wieder nach Deutschland zurückkommt.
Dieses System wurde an die eigenen finnischen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Belange angepasst. Und die hervorragenden Ergebnisse bei Pisa führten dazu, dass auch viele deutsche Bildungspolitiker (auch aus Bremen) nicht nur einmal nach Finnland reisten und sich erklären ließen, was denn der Grund des Erfolges des finnischen Bildungswesens sei.
Endlich wollte man über den Tellerrand schauen und lernen. Eigentlich eine gute, ja sehr gute Idee. Aber was bitte wurde, zurück in Deutschland, aus diesen Erkenntnissen gemacht? Ja, an der einen oder anderen Stellschraube wurde gedreht, nicht nur einmal. Aber immer: Klein Klein.
Grundsätzlich blieb alles beim Alten. Das dreigliedrige Schulsystem gibt es auch weiterhin. Die Lehrpläne sind im Wesentlichen die gleichen geblieben; der Fächerkanon im Wesentlichen auch.
Inklusion nach bremischer Lesart ist eher ein Sparmodell als der große Schritt nach vorne für alle Kinder. Die für Erziehung und Bildung zur Verfügung stehenden Finanzmittel sind in Deutschland deutlich niedriger als in anderen europäischen Ländern.
Die Analyse ist zwar klar. Kaum jemand bestreitet sie. Und fast alle wollen eine Verbesserung. Aber man muss das Wollen auch leben! Wer wirklich etwas ändern will, muss gewonnene Erkenntnisse in konkretes Handeln münden lassen.
Ich habe beispielsweise in Finnland die Erfahrung gemacht, dass die Klassen deutlich kleiner sind als in Deutschland. Beispielsweise waren in der ersten Klasse 7 Kinder. In der Mittelstufe waren maximal 15 Kinder in einer Klasse.
In Finnland gibt es übrigens auch keine Schulpflicht, sondern eine 10jährige Lernpflicht – der Staat verpflichtet sich, den Kindern Bildung zu vermitteln. Dies beginnt im Alter von sieben Jahren und endet nach 10 Schuljahren. Erst in der Oberstufe, also nach Beendigung der 10jährigen Lernpflicht, sind 20 Schülerinnen und Schüler in einer Klasse anzutreffen. Klar, dass die Lehrkräfte da mehr Zeit für jeden Einzelnen haben.
Außerdem gibt es an jeder Schule einen Pool von Lehrkräften, die dafür sorgen, dass Kinder, die aus welchen Gründen auch immer, kürzer oder länger im Unterricht gefehlt haben, schnellstmöglich wieder an den Stand ihrer Klasse herangeführt werden.
Für die Organisation steht eine Verwaltungskraft zur Verfügung, die eine genaue Übersicht darüber hat, wer wann in welchen Fächern gefehlt hat. Ein weiterer entscheidender Unterschied besteht darin, dass in finnischen Schulen nicht nur Lehrkräfte arbeiten, sondern Menschen ganz unterschiedlicher Qualifikation.
Lehrkräfte sind ausschließlich mit Lehre beschäftigt. Jede und jeder kann sich auf seine Aufgaben konzentrieren und so besonders effizient sein.
Wenn die Kinder nach der Pause wieder reinkommen, ziehen sie ihre Schneeanzüge und Schuhe aus, die dank Großtrockner in der nächsten Pause wieder bereitliegen. Zuständig sind dafür Hauswirtschaftskräfte, die sich auch um das Essen in der Schule kümmern.
In Finnland ist es auch ganz normal, dass Kinder zusätzlich gefördert werden. Dafür sind Personen, die am ehesten mit unseren Erzieherinnen und Erziehern bzw. sozialpädagogischen Fachkräften zu vergleichen sind, zuständig. Das gehört zu einem grundlegend anderen Verständnis: Niemand wird zurückgelassen und dafür wird tatsächlich alles Nötige getan.
Keine Sonntagsreden, nach dem Motto „man muss…“, sondern: einfach machen und konkret handeln. Der Gestaltungsspielraum von Lehrkräften in Finnland oder auch den Niederlanden ist deutlich größer als bei uns. Und er wird nicht nur als Möglichkeit geschätzt, sondern auch genutzt.
Ich habe in Finnland erlebt, dass jedes Kind an der Eingangstür mit Namen begrüßt wurde und sich von seinem Elternteil verabschiedet hat. Während das Kind ins Gebäude lief, kam es auch vor, dass einzelne Eltern von der Lehrkraft auf ihr (für das Kind schädliche) Verhalten hingewiesen wurden. Zum Beispiel, wenn die Lehrkraft gesehen hatte, dass Vater oder Mutter im Auto geraucht hatte, als er/sie das Kind brachte.
Das stelle man sich mal in Deutschland vor. Da würden Eltern gleich mit dem Anwalt drohen. Das hat in den vergangenen zehn Jahren hierzulande ohnehin deutlich zugenommen. Viele Eltern lassen sich nicht einfach etwas von einer Lehrkraft sagen.
Überhaupt: Beide Gruppen wehren sich aus unterschiedlichen Gründen gegen Neuerungen. Verbände und Gewerkschaften tun ihr Übriges. Viele Eltern erwarten, dass die Schule die Erziehungsarbeit für sie mit erledigen soll. Wenn die Familiensprache nicht Deutsch ist, sind Eltern häufig hoffnungslos überfordert. Oder Eltern sind selbst durch ihre beruflichen Karrieren und die damit verbundenen Anforderungen überfordert und kommen deshalb an ihre Grenzen. Andere verstehen z.B. auf Grund sprachlicher Defizite nicht, was in der Schule läuft und können ihre Kinder deshalb nicht unterstützen. Wieder andere organisieren Nachhilfe für ihre Kinder und delegieren die Problemlösung.
Das können sich insbesondere die vielen Alleinerziehenden aber häufig gar nicht leisten. Desinteresse soll es auch geben, aber eigentlich wollen doch alle Eltern, dass ihre Kinder gut durch die Schule kommen, um ihre Zukunftschancen zu verbessern. Elternbashing ist deshalb unangebracht.
Das Thema Sprache wähle ich deswegen als Anknüpfungspunkt, weil sie die Grundlage für alles ist. Schülerinnen und Schüler scheitern bspw. in Mathematik an Textaufgaben, weil sie diese einfach nicht verstehen.
Es gab in Bremen übrigens auch schon mal Vorschulklassen für solche Kinder, die insbesondere Sprachdefizite hatten. In einigen Bundesländern, z.B. Hessen, gibt es sie noch immer. In Bremen leider nicht. Sie sollten aber unbedingt wiedereingeführt werden, damit die Ausgangslage für die Kinder von Beginn an, nicht allzu unterschiedlich ist. Ein Weg zu mehr Chancengerechtigkeit also.
Hausaufgabenbetreuung und Förderung sind in Finnland normaler Bestandteil des Schulalltags. Da muss kein Kind mehr zu Hause noch Aufgaben erledigen.
In Finnland werden im Jahr 2024 6,19% des BIP für Erziehung und Bildung aufgewandt. In Deutschland waren es 2020 gerade einmal 4,7%. In Finnland waren es 2020 5,9 %, in Estland 6,6%, in Frankreich 5,5, in Schweden 7,2 %.
Wenn mehr Geld im System ist, sind natürlich auch die Möglichkeiten größer, sich um jedes Kind zu kümmern.
In Deutschland ist das deutlich anders. Hier müssen Lehrkräfte in deutlich größeren Klassen, (bis zu 33 in der 1. Klasse !!!) ihre Lehrtätigkeit verrichten.
In welchem anderen Beruf muss man eigentlich zeitgleich so viele unterschiedliche „Kunden” „bedienen“?
Viele Lehrkräfte sind überfordert, werden krank oder reduzieren ihr Stundendeputat, weil ihnen verständlicherweise ihre Gesundheit am Herzen liegt. Der Beruf ist hierzulande relativ unattraktiv, was sich darin äußert, dass es zu wenig Menschen gibt, die diesen Beruf ergreifen wollen. Dabei ist die Bezahlung in Deutschland – im Vergleich zu anderen europäischen Ländern – ausgesprochen gut.
Es gibt auch nicht wenige Lehrkräfte, die, um Stress aus dem Wege zu gehen oder aus Angst vor den Eltern, in ihrer Notengebung eher „großzügig“ sind. Die Inflation von 1,. Abitur-Durchschnittsnoten spricht Bände. Ich hatte Kolleginnen und Kollegen, die nur Zweien und Dreien verteilten. Eine Kollegin gab allen Schülerinnen und Schülern einer Klasse eine 1. Eine 4 zu geben, war schon für einige ein Problem, von einer 5, die eine Leistung mit Mängeln bescheinigt, einmal ganz zu schweigen.
Es gab auch solche Kolleginnen und Kollegen, die lieber Freundin und Kumpel für die Schülerinnen und Schüler waren. Ich denke, dass ein solch fehlgeleitetes Rollenverständnis nicht dazu beiträgt, die im späteren Ausbildungs- und Lebensverlauf notwendigen Kompetenzen zu vermitteln. Und: Die ebenfalls unbedingt erforderliche Arbeitshaltung bleibt auf diese Weise gänzlich auf der Strecke. Beliebt waren diese Kollegen aber natürlich sehr wohl. Gute Noten, ohne etwas dafür tun zu müssen, sind aus Schülersicht natürlich cool. Jedenfalls für (zu) viele. Trotz dieser „Leistungssteigerung“ auf dem Papier, kommen von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern zunehmend Klagen, dass die Ausbildungsfähigkeit von Schulabsolventen stetig abnimmt. Ob da eine Ausbildungsabgabe die richtige Konsequenz ist, darf getrost bezweifelt werden. Die fällt eher unter die Rubrik sinnfreier Aktionismus.
An Universitäten werden zunehmend die Lese-, Schreib- und Analysefähigkeiten von Studienanfängern bemängelt. Häufige Folge: Überforderung und Studienabbruch.
Es fehlt an Kontrollen des Lehrerhandelns. Wie sonst ist zu erklären, dass in Bremen über Jahre hinweg unkorrigierte Abiturarbeiten, lediglich mit einer Note versehen, abgegeben werden konnten, ohne dass es aufgefallen ist. Ein Einzelfall wird gesagt. Wer glaubt das?
In diesem System des jahrzehntelangen Mangelverwaltens gibt es als Folge weitere seltsame Erscheinungen. Das Wort „anstrengen“ ist verpönt. Samthandschuhe und In-Watte-packen sind angesagt. Keine Noten, kein Wiederholen einer Klasse, keine Sportwettbewerbe, weil die ja auch etwas mit vergleichen und messen zu tun haben.
Die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit der Schülerinnen und Schüler nimmt stetig ab. In Bremen verlassen 10% eines Jahrgangs die Schule ohne Abschluss. Da ist Bremen mal „Spitze“! Das Problem wird lediglich nach hinten, Richtung weiterführende Schulen und Arbeitsmarkt verschoben.
Warum gibt es eigentlich in Deutschland immer noch 16 verschiedene Bildungssysteme? Wem nützt das? Wer sind die Profiteure? Nirgendwo sonst leistet sich eine Nation 16 verschiedene Bildungssysteme. Die Kultusministerkonferenz bemüht sich nach eigenen Angaben seit Jahren um Angleichung, dabei verhindert gerade dieses Gremium eine Angleichung.
Die Kinder und Absolventen unseres Bildungswesens müssen angesichts der Anforderungen ihres künftigen Lebens besser ausgestattet werden:
Mit der Sicherheit, dass sie Herausforderungen auch meistern können. Mit Lust darauf, sich zu messen. Mit Zuversicht, dass sie eine gute Zukunft vor sich haben, wenn sie sich anstrengen. Mit Vertrauen darauf, dass sie einen guten Ausbildungsplatz bekommen werden, oder ihr Studium auch tatsächlich erfolgreich bestehen werden.
Diese Voraussetzungen wirken positiv und machen stark. Auch wenn man in bestimmten politischen Ecken nicht müde wird, zu behaupten, es handele sich dabei um eine Form der Ausgrenzung. Die wird übrigens durch Lernentwicklungsberichte mit Satzbausteinen (statt Noten) keineswegs verhindert.
Das ist gewiss kein Ruf nach den alten Zeiten, sondern ein Weckruf. Verlierer des jetzigen Systems sind nicht nur viele Kinder, auch viele Lehrkräfte, die sich dem Lehrerbashing nicht mehr aussetzen wollen. Verlierer sind auch die vielen überforderten Eltern, die ihrerseits nicht hören wollen, dass sie ihren Job in Sachen Kindererziehung nicht richtig machen.
Unsere gesamte Gesellschaft ist der Verlierer. Es braucht einen Systemwechsel! Eine Schule mit entrümpelten Lehrplänen, zeitgemäßem Fächerkanon, einem deutlich größeren Personalmix (unterschiedliche Qualifikationen), einen echten Ganztag, nicht nur betreutes Spielen am Nachmittag.
Dass Ties Rabe einen solchen Systemwechsel gegen alle Widerstände in Hamburg hat durchsetzen können, hat ihn sicher ungeheuer viel Kraft gekostet, aber er hat nicht lockergelassen, ist beharrlich drangeblieben. Das nötigt mir sehr viel Respekt ab.
Die Hamburger können sich nur bei ihm bedanken!
Wir in Bremen brauchen genau so eine Person mit Realitätssinn, die sich um die Kompetenzen der nächsten Generationen sorgt und sich traut, das Ruder herumzureißen. Und die sich gegen die festgefahrenen Strukturen in Bremen durchsetzt.
Diese Person benötigt unser aller Unterstützung, über alle Parteigrenzen hinweg. Zum Wohle aller im Erziehungs- und Bildungssystem Beschäftigten, in erster Linie aber zum Wohle der Kinder Bremens, die unsere Zukunft sind. Wir haben keine anderen!
Deshalb, bitte sofort damit aufhören, alles schönzureden nach dem Motto: „Es ist ja schon Vieles besser geworden“ / „Wir machen ja alles, was möglich ist“ / „Das geht aber nicht von heute auf morgen“ / „Man kann sich keine Leute schnitzen, der Markt ist leergefegt“.
So, wie es jetzt ist, reicht es nicht! Also bitte Augen aufmachen, hingucken und konsequent handeln. Nicht Ungleiches gleich behandeln, sondern Ungleiches ungleich behandeln im Sinne der Förderung aller gemäß ihres jeweiligen Bedarfs.
Niemanden verloren geben – das muss die Maßgabe sein. Nur so kann Gleichheit überhaupt entstehen! Umsonst gibt’s das nicht. Dazu gehört zweifelsohne auch, die Priorisierung staatlichen Handelns – auch in finanzieller Hinsicht.
Sind uns unsere Kinder, ist uns unsere Zukunft das wert?
Wir als Gesellschaft müssen diese Debatte unbedingt führen, wenn wir in Europa nicht die rote Laterne tragen wollen, sondern wieder erfolgreich an unser Land der Dichter, Denker und Ingenieure anknüpfen wollen.
Fühlen Sie sich bitte eingeladen und tragen Sie dazu bei, wo und wie auch immer es Ihnen möglich ist.“
Ihre Hilde Kohake.
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Liebe Leserschaft, war lang, hat sich aber gelohnt – oder? Schreiben Sie gerne Ihre Kommentare auf die Seite.
Beim nächsten Mal gibt’s wieder einen Schuller – mal schauen, ob die sachliche Art der vorangegangen Zeilen auf mich abfärbt. 🙂
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Muss jetzt mal sein: Ich bin froh und auch stolz, dass ich durch mein Blogger-Ehrenamt viele interessante und engagierte Menschen unserer Stadt kennenlernen darf. Dazu auch solche, die ich zum „Mitmachen“ bewegen kann. Danke!
Mein Sohn ist Direktor einer Waldorfschule. Da haben Lehrer und Verwaltung mehr Freiheiten in der Gestaltung des Unterrichtes. Ihm habe ich das “finnische Modell” als Anregung weitergeleitet. Mal sehen, ob er die Anregungen von Frau Kohake aufgreifen und umsetzen kann,
Hans Ganten
Die Misere kann sich bis hin zu universitären Abschlüssen fortsetzen – ohne dass es zu „Überforderung und Studienabbruch“ kommt. In meinem Fachbereich (Geisteswissenschaften) ließ sich die Zahl der Kollegen, die bei Leistungsbewertungen das ganze Notenspektrum ausnutzten, an einer Hand abzählen. Darüber hinaus war ein „sehr gut“ oder „gut“ die Regel.
Selbst Schummeln und Abschreiben wurde selten erkannt und geahndet. Nachdem ich als Leiter des Prüfungsausschusses eine Plagiatssoftware eingeführt hatte, waren nicht nur Studenten wenig begeistert. Auch Kollegen gingen merklich auf Distanz, wenn sich von ihnen gut beurteilte Studienleistungen als Plagiate erwiesen. Selbst bei dreisten und offensichtlichen Fälschungen kam es vor, dass eine Note lediglich von „gut“ auf „befriedigend“ herabgesetzt wurde. In „professorale Fürstentümer“ darf halt nicht eingegriffen werden.
Probleme der Leistungsanforderung und -bewertung lassen sich sicherlich nicht umstandslos verallgemeinern. In unserem Fachbereich gab es richtig gute Absolventen, die z. B. als Pädagogen heute gute Arbeit leisten. Aber: die haben ehrliche Leistungsbeurteilungen eingefordert und wären in jedem Bildungssystem ihren Weg gegangen.
Es gibt bessere Wege, Schüler und Studenten „mitzunehmen“, als sie in Watte zu packen und ihnen damit falsche Lebensrealitäten vorzugaukeln.
Liebe Frau Kohake!
Ihren zugegeben langen Text kann ich nur mit einem Wort würdigen: Bravo! Axel Schuller großen Dank, dass er Ihren Text in volle Länge veröffentlicht hat.
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass ein Umsteuern dringend notwendig ist, dann war dies das blutleere, ganzseitige Gefälligkeitsinterview, das der Weser-Kurier heute mit Bildungssenatorin Aulepp (SPD) geführt hat. Diesen Text einmal durch ein Sieb gekippt – nichts bliebe an Substanz hängen. Und die verantwortliche Politikerin will uns erzählen, wie toll es um die Bildungspolitik in Bremen bestellt ist.
Dazu passt die Aussage eines bekannten Quizmasters. Er sagte kürzlich über das Erlernen von Prozentrechnung: In Sachsen und Bayerrn haben das die Schüler in der 7. Klasse drauf, in Bremen nicht mal zum Abitur.
Wir brauchen ein 100 Milliarden Sondervermögen für Bildung.
Deshalb ist die Schuldenbremse eine Katastrophe.
Frau Kohake beschreibt die Bildungsmisere unserer Republik und die Bremens eindrücklich. Auch richtig der Verweis auf Finnland , wo das Problem mit einer umfassenden Konzeption angegangen wird. Wir sollten trotzdem das näher liegende Beispiel Hamburgs als Vorbild nehmen, andernfalls sehe ich schon die Einwände:Finnland kann zentral steuern,Kulturhoheit der Länder,die Anzahl von Kindern mit Migrationshintergrund ist dort geringer etc..Und auch die Finanzierung wird sofort zum Problem gemacht(s.”100 Mio.Sondervermögen” oben),das ging in Hamburg auch ohne. Bremen könnte nach so langer Zeit des Zauderns und Nichtstuns entscheiden:Wir übernehmen das Hamburger Modell umgehend! Dass Bremen Probleme nach langer Verschleppung konzentriert angehen kann, zeigt jüngst die Gründung einer Stadtentwicklungsgesellschaft(“schneller,effektiver,unbürokratisch”). Eine dem Problem gemäße Lösung und Kraftanstrengung, ein Allemann-Manöver ,benötigte Bremen noch viel dringlicher im Bereich der schulischen und vorschulischen Bildung.
an Herrn Hafner:
Es gibt viele Menschen, die auf den Sozi-Sprech vom Sondervermögen reingefallen sind und immer noch reinfallen. Es handelt sich nicht um Vermögen, sondern ganz profan um Schulden. Wenn ich mir ein Auto auf Pump kaufen, habe ich auch kein Vermögen, sondern – Schulden.
Ein sehr guter Beitrag, der sich zu lesen lohnt! Wohin das Aufweichen der Maßstäbe führt kann man sehr gut in den USA beobachten, Millionen Jugendliche, die nicht richtig lesen und schreiben können, und auch nie den Grundsatz kennengelernt haben, wenn ich etwas will, muß ich dafür arbeiten. Studienabbrecher die bei den ersten Hürden aufgeben und die Schulden für ihr Studium ihr Leben lang abzahlen. Fachwissen wird von außen eingekauft, oder in andere Länder ausgelagert. Man weiß gerade noch soviel, wie es der eigene Arbeitsschritt erfordert. Die Legalisierung von Cannabis macht das Ganze perfekt. Offensichtlich ein System, dem unsere Politiker nacheifern.
Als ich kürzlich bei einem Meeting Notizen machte wurde ich angestaunt, wie ein Einhorn, keiner am Tisch war in der Lage in normaler Schreibschrift zu schreiben.