Höhere Kredite, aber: CDU ringt dem Senat dafür Zugeständnisse ab / „Sandkasten“-FDP
Donnerwetter, wer hätte das gedacht: Die rot-grün-rote Bremer Regierung und die CDU-Opposition, die ja „normalerweise“ ständig miteinander im Clinch liegen, haben sich zusammengerauft und – für das Land – einen sinnvollen Kompromiss ausgehandelt. Die Union kann wahrlich stolz darauf sein, dem Senat mehr abgerungen zu haben, als auch nur ein Realist zuvor für möglich gehalten hätte. Erschütternd: Die andere Opposition, die Boygroup von der FDP, begibt sich auf unterstes Debatten-Niveau – und stänkert (schon fast riechbar) herum.
„Ehrlich“ (übrigens ein blödes Modewort): Senat und CDU-Groß–Opposition verhandeln hart miteinander, um – unter anderem – die Zukunft des Bremer Stahlwerkes von ArcelorMittal abzusichern. Und die FDP? Deren Abgeordnete (vier nach Eigen-Wahrnehmung sehr-smarte Jungs plus ein honoriger Professor) benehmen sich, als sei die Bürgerschaft ein Spielplatz mit Sandkasten. Nach dem Motto: Wenn wir nicht mitspielen dürfen, bewerfen wir die anderen mit Sand und unseren Schäufelchen. Leute – passt das wirklich?
Zunächst möchte ich die Verdienste der handelnden Personen würdigen. Die Reihenfolge entspringt bewusst der Wichtigkeit bei diesem Ringen: Fraktionschef Frank Imhoff, Finanzsprecher Jens Eckhoff und Landeschef Heiko Strohmann (alle CDU). Und zwar auf der „Geber“-Seite.
Als „Nehmer“, die der Union unbedingt das Zugeständnis abringen mussten, gegen den geplanten Haushalt bitte nicht zu klagen, das Spitzenpersonal von rot-grün-rot: Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD), Finanzsenator Björn Fecker (Grüne) und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (LINKE).
Die Koalition hätte am liebsten die CDU-Zustimmung erhalten, Kredite in Höhe von 2,5 Milliarden Euro für allerlei Klima-Aktivitäten des Landes zu erhalten – für die Umstellung der Stahlwerke auf Wasserstoff, Herrichten des Hafens für die Wasserstoff-Technologie, Wärmedämmung öffentlicher Gebäude sowie zum Defizit Ausgleich bei der Straßenbahn AG und des Klinik-Konzerns GesundheitNord.
Herausgekommen ist dank Verhandlungsgeschick aller Beteiligter: Für die kommenden vier Jahre dürfen insgesamt 450 Millionen Euro unter Umgehung der Schuldenbremse bei Banken gepumpt werden. Dieses Geld soll ausreichen, ArcelorMittal zu unterstützen, Stahl künftig mit Hilfe von Wasserstoff-Energie herzustellen; außerdem die Infrastruktur für den neuen Zauberstoff zu bauen. Auch im Hafen.
Ich will nicht unken: Aber vielleicht werden 250 Millionen Euro davon gar nicht benötigt. ArcelorMittal weist mittlerweile an anderen Standorten (wie Belgien) deutlich darauf hin, Wasserstoff verteuere den Stahl aktuell so sehr, dass man weltweit kaum konkurrenzfähig wäre. Einzige Hoffnung für Stahlwerke in Deutschland und Europa: Falls es gelingt „grünen“ Wasserstoff in rauen Mengen herzustellen und damit billiger zu machen, könne die Rechnung womöglich doch aufgehen.
Soweit die Abteilung: Vorsichtige Skepsis.
Die CDU hat für das Kredit-Zugeständnis der Regierung nahezu sensationelle Gegenleistungen herausgehandelt: Der Kredittopf namens „Sondervermögen“ für Klima-Transformation wird in der Verfassung (mit Zweidrittel-Mehrheit) verankert. Und, ja dafür braucht RGR die Stimmen der CDU. Über die jährliche Vergabe der Mittel entscheidet ein Parlamentsausschuss. Bedingung: Auch dort muss eine Zweidrittel-Mehrheit zustimmen. Also entscheidet die Opposition gemeinsam mit der Regierung über jedes anstehende Klima-Projekt.
Ferner hat die Union die Zusage ausgehandelt, dass die Gewerbesteuer bis Ende der Legislaturperiode (Mai 2027) nicht erhöht wird. Dem Einnahmen-Hunger von Rot-Grün-Rot wird somit zumindest vorerst ein Riegel vorgeschoben.
Außerdem stimmte die Koalition zu, dass 60 Hektar Gewerbeflächen geschaffen werden. Aus Wirtschaftssicht: Wie cool ist das denn!
Jens Eckhoff darf sich zudem freuen, dass die von ihm vor Monaten ins Spiel gebrachte Umwelt-Anleihe für Privatanleger zur Finanzierung der Klima-Vorhaben ernsthaft geprüft wird.
Diese für eine Opposition erstaunlichen Verhandlungserfolge kommentiert die FDP geradezu kläffend: „Die CDU hat sich vom rot-grün-roten Schuldenrausch anstecken lassen.“
Da merkt man zwar, dass die Liberalen nunmehr auf einen Pressesprecher mit Boulevardzeitungs-Erfahrung setzen. Aber, im Zuge dessen ist ihnen offenbar das Augenmaß für realistische Politik abhanden gekommen. (Kein Mensch hat doch ernsthaft damit gerechnet, dass der Senat mal eben „im Vorbeigehen“ hunderte Millionen im Haushalt findet und fürs Stahlwerk umwidmen kann.)
Derartige Unfugs-Politik á la FDP beherrschen in Bremen allerdings auch andere Akteure.
So begab sich jüngst der CDU-Innenpolitiker Marco Lübke auf Debattenniveau hart am Rand der Nachweisgrenze. Er ätzte gegen Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), weil dieser das Kleidergeld der Polizei entgegen früherer Pläne nicht erhöhen kann. „Innensenator Mäurer bricht damit wieder eines seiner Versprechen gegenüber den Polizistinnen und Polizisten. Es ist ein weiteres Zeichen von fehlender Wertschätzung für die unverzichtbare Arbeit unserer Polizei.“
Ja, soll ein Senator Geld vom Privatkonto abheben, wenn der Senat den Ressortetat kürzt, um irgendwie den Haushalt 2024 aufzustellen? Oder soll Mäurer das SEK ins Sozialressort schicken und dort nach Millionen fahnden lassen?
Freilich muss man feststellen: Auch die Landesregierung lässt die Wirklichkeit gerne mal vor den Türen des Senatssaales.
Da beschließt das Kabinett in bester Gut-Mensch-Manier: Mehrweg-Verpackungen und –Geschirr gelten künftig selbst für Kleinst-Stände auf Osterwiese und Freimarkt. Bremen führt als erstes Bundesland diese strengste Regel ein.
Was veranlasst diesen Senat und seine Verwaltung bloß immer wieder, höhere Maßstäbe als alle anderen Bundesländer anzulegen?
Ist es mangelnder Durchblick, fehlende Weitsicht? Oder will man – wem auch immer – ganz besonders gut gefallen – oder was?
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Trotz des „Deals“ mit der CDU hängen dem Senat die zwei Mega-Probleme GeNo- und BSAG-Defizit weiter wie Mühlsteine am Hals. Noch eine Geldspritze von CDU-Gnaden wäre allenfalls denkbar, wenn die SPD die Koalition-Pferde wechseln würde. Ansonsten muss man womöglich doch noch eine Privatisierung dieser städtischen Firmen, zumindest Teilen davon, ins Auge fassen.
Sehr informativ, guter Kommentar
Auf die Frage, warum der Senat und seine Verwaltung immer wieder höhere Maßstäbe als alle anderen Bundesländer anlegt, gibt es drei Antworten : 1. Ideologie, 2. Ideologie und 3. Irgendwo möchte der rot grün rote Senat auch mal Spitze sein. Leider muss festgehalten werden, dass dies in aller Regel an der falschen Stelle passiert und häufig genug eben bei grundlegenden Anliegen der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger nach Sicherheit, funktionierender Infrastruktur, guter Bildung, gut ausgebautem ÖPNV , durchdachte Stadtplanung (Domshof, Domsheide) etc. kein erkennbarer Ehrgeiz festzustellen ist.
Der CDU muss man zu diesem Verhandlungsergebnis echt gratulieren, weil sie die grenzenlose Schuldenmacherei deutlich eingeschränkt hat und sich ein Mitspracherecht gesichert hat. Geld ausgeben ist immer einfach, aber solide Haushaltsführung erfordert Verantwortung auch für die Zukunft.
Eindeutig besser für Bremen wäre eine Koalition aus SPD und CDU gewesen, wie man an diesem Beispiel deutlich erkennen kann. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Zu hohe Schulden, aber sonst achtbarer Kompromiß! Die FDP ist ratlos überrascht!
Dieser Deal zwischen dem rot-grün-roten Senat und der CDU als stärkste Oppositionspartei wirft doch gerade verfassungsrechtlich Fragen auf. Kann man zuerst überlegen, für was man Geld ausgeben will und danach eine Argumentation bezüglich der Notlage formulieren?! Die Klimakrise rechtfertigt laut Verfassungsgericht eine solche Notlage nicht und kann man zudem wirklich im Jahr 2024 bereits erklären, für die folgenden Jahre eine Notlage festzustellen? Hat man die CDU ausschließlich deshalb mit ins Boot geholt, damit die Opposition keine Klage gegen den Haushalt einreicht? Die CDU hat ein Mitspracherecht beim sogenannten Sondervermögen (Schulden), keine Erhöhung der Gewerbesteuer, neue Gewerbeflächen und dass Nachdenken über eine Umwelt-Anleihe erreicht. Aber wird sie damit ihren eigenen gesetzten Positionen, besonders zu verfassungsrechtlich unbedenklichen Haushalten, gerecht?
Die eigentliche Frage im Bremer Haushalt bleibt ungeklärt. Gibt es den Willen, Prioritäten auf der Ausgabenseite zu setzen, Einsparungen vorzunehmen und die Verwaltungsstrukturen effizienter aufzustellen, was letztlich auch den Mitarbeiter:innen innerhalb der Verwaltung helfen würde? Zudem bleiben die großen Baustellen BSAG und Gesundheit Nord ungelöst.