Bremer Koalition im Anti-AfD-Eifer / Scholz und Länderchefs gaukeln Tatendrang bloß vor

08.03.2024 6 Von Axel Schuller

Menno, arme Bremer r-g-r-Koalition. Da will man endlich mal wieder ganz weit vorne sein. Im „Kampf“ gegen die AfD. Und dann, gemein, funken Kanzler und Ministerpräsidentenrunde einfach dazwischen, sprich: Liefern der verhassten AfD regelrecht Wahlkampf-„Munition“. Da wird der Start des heroischen Bremer Kampfes gegen die „Alternative“-Partei womöglich doch nicht so glorreich enden.

Doch der Reihe nach: SPD-Fraktionschef Mustafa Güngör freute sich unbändig: „Bremen nimmt bundesweit eine Vorreiterrolle im Kampf gegen Rechtsextremismus ein“. Soll meinen: Die Koalitionäre von SPD, Grünen und LINKEN werden in der nächsten Landtagssitzung den Senat verpflichten, als erstes Bundesland auf ein Verbot der AfD zu drängen. Und fast gleichzeitig befeuerten die Ministerpräsidenten und der Kanzler – natürlich ungewollt und indirekt – die Wahlkampfmaschinerie der AfD: Der Berliner „Migrationsgipfel blendete nämlich die Lebenswirklichkeit vieler Wähler und Wählerinnen aus, tat so, als gäbe es plötzlich keinerlei Probleme mit der Migration mehr. 

Manchmal passen Ereignisse – vornehm ausgedrückt – wie Deckel auf Topf. Diese Woche war es so. Da preschten einerseits die drei Bremer Koalitionsfraktionen vor, um die Speerspitze gegen Rechtsradikale zu bilden. Toll. Die Demokratie müsse gerettet werden. Die Fraktionschefs von SPD, LINKEN und Grünen lieferten sich einen Überbietungs-Wettbewerb im Gut-sein(-wollen). 

SPD-Güngör mahnte, es sei „fünf vor Zwölf“, ein AfD-Verbot müsse umgehend vorbereitet werden. Die Spitzenfrau der LINKEN, Sofia Leonidakis, sekundierte: „Die AfD ist eine reale Gefahr für die Gesellschaft, die Demokratie und ihre Institutionen.“ 

Lediglich die Grüne Fraktionschefin Henrike Müller nahm den Fuß etwas vom Gas: „Ob der demokratiefeindliche Charakter der AfD ausreicht, um politisch einschränkende Folgen zu haben, muss im strengen rechtsstaatlichen Verfahren geklärt werden.“   

Zur Erinnerung: Die AfD spielt in Bremen aktuell keine Rolle, hatte nicht einmal eine Kandidatur bei der vorigen Bügerschaftswahl zustande gebracht. Und noch eins: Die AfD-Niedersachsen fordert inzwischen sogar, man möge endlich ein Verbotsverfahren gegen sie einleiten – natürlich in der Hoffnung/Erwartung, dass am Ende ein „Freispruch“ herauskommen möge. Tipp: Sollte einem zu denken geben.

Jetzt ein Blick nach Berlin. Dort traf sich jüngst die Runde der Ministerpräsidenten mit Kanzler Olaf Scholz zu einem weiteren „Migrationsgipfel“.

Beschlüsse: keine. Der Kanzler machte mal wieder den Grinsemann, und die beiden Sprecher der MP-Runde – Stephan Weil (Niedersachsen, SPD) und Boris Rhein (Hessen, CDU) – ließen ihn gewähren. Ausgerechnet der hessische Regierungschef jubelte, bereits im vorigen Jahr habe man wichtige Maßnahmen gegen den ungesteuerten Zustrom von Migranten auf den Weg gebracht. 

Das freute den Kanzler so sehr, dass er mit dem Kopf nickte.

Bloß einen Tag später meldeten sich die Wirklichkeit, also die Spitzenverbände der Kommunen und Landkreise, zu Wort: „Das Treffen in Berlin hat erneut keinen wirklichen Fortschritt in der Migrationspolitik gebracht.“ Und der Städte- und Gemeindebund warnte, die Zahl der in Deutschland aufgenommenen Flüchtlinge müsse rasch sinken, sonst wisse man nicht mehr, wo und wie man die hunderttausenden Flüchtlinge unterbringen und betreuen solle.

Diese Analyse gilt übrigens auch für Bremen. Aktuell sind in „Gemeinschaftsunterkünften“ der Stadt rund 6.600 Flüchtlinge untergebracht unter anderem in teuren Behelfshallen auf dem Gelände des Klinikums Mitte und in der Zeltstadt im Überseehafengebiet.

Wie, um Himmels Willen, kommen die meisten Ministerpräsidenten (unserer Bürgermeister, Andreas Bovenschulte, fehlte aus familiären Gründen) in dieser Situation zu dem Schluss, die Migrationspolitik sei bereits umgesteuert worden. Stichwörter: Abschiebe-Beschleunigungsgesetz, Bezahlkarte statt Bargeld. 

Dabei muss man wissen: An der Abschiebepraxis hat sich noch nix geändert. Die Bezahlkarte lässt auf sich warten. Und die Frage, ob Deutschland die Bearbeitung der zigtausend Asylanträge an den Rand der EU verlagern könne, müsse noch geprüft werden. „Geprüft“ wird zwar bereits seit vorigem November, aber prüfen kann man ja auch länger – beispielsweise bis Ende Juni. Mindestens.

Welche Überraschung. Am 9. Juni findet die Wahl zum Europaparlament statt. (Im September werden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neue Landtage gewählt).

Diese Daten könnten den Kanzler und die Länderchefs inspiriert haben, sich handzahm zu verhalten und beschönigend zu äußern. Offenbar treibt die Vertreter der etablierteren Parteien von CDU, SPD, Grünen, FDP die Angst um, dass jeder offene Streit als Wahlturbo für die AfD wirken könnte.

Ist dem so? Oder profitiert die AfD nicht sogar eher davon, wenn die Etablierten es nicht schaffen, die Migrationspolitik fühl- und sichtbar zu ändern? Im Sinne von: Wir lassen künftig nur noch ins Land, dessen Arbeitskraft wir benötigen. Selbstverständlich: Plus die politisch und religiös Verfolgten.

Die Strategen von CDU, SPD, Grünen, FDP meinen wohl, dass sie die Bevölkerung mit langen Reden und Grinsen davon abhalten könnten, die Wirklichkeit wahrzunehmen: Überfüllte Notunterkünfte, fehlende Kindergärten, fehlende Schulen, Zunahme der Kriminalität, auch durch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

Ausgerechnet in dieser widersprüchlichen Situation entdeckt die Bremer Koalition das Verbot der AfD als höchstes, gemeinsames Ziel.

In diesem Punkt schließen die Bremer Landespolitiker dann doch mal zur „Bundesliga“ um Kanzler Scholz auf – und blenden die Sorgen und Wünsche vieler Bürgerinnen und Bürger konsequent aus.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller