Bürgerschaftsabgeordnete wollen im Alter wieder mehr Geld kriegen als Normalbürger

14.03.2024 7 Von Axel Schuller

Spaaaanend: Der mächtigste Ausschuss der Bremische Bürgerschaft berät am Freitag, 15.3., ob die Abgeordneten das Rad der Geschichte wieder zurückdrehen. Es geht um die Altersversorgung der Volksvertreter. 2010 hatte das Parlament einen lichten Moment, wollte sich bewusst nicht länger besser stellen als die Mehrheit der Wähler. Daraus resultierte eine Änderung der Rentenansprüche – weg vom Beamten-ähnlichen Pensionssystem (in der Spitze bis zu 72 Prozent des letzten Einkommens) hin zu einer halbwegs normalen (also deutlich niedrigen) Altersversorgung. Doch das ist den Bürgerschaftsabgeordneten zu wenig. Sie wollen wieder mehr.

Was man menschlich verstehen kann (wer wollte nicht mehr von allem haben), hat natürlich ein Geschmäckle, weil die Parlamentarier jede Änderung (für sich) selbst beschließen müssen. Damit man eine „objektive“ Grundlage fürs eigene Tun erhält, hat die Bürgerschaftsverwaltung einen Gutachter eingeschaltet.

Philipp Austermann, Professor für Staatsrecht. Die Vita des Unabhängigen durfte die Bürgerschaft zumindest auf Mitgefühl hoffen lassen. Austermann war vor seinem Ausflug ins Professorale als Jurist in der Bundestagsverwaltung tätig. Da erfährt man die Nöte von Abgeordneten.

Das merkt man dem aktuellen Gutachten förmlich an.

Zuvor die Fakten: Bremische Bürgerschaftsabgeordnete sind laut Gesetz Halbtagsparlamentarier, damit sie – prima Gedanke – weiterhin halbtags im angestammten Job tätig sein können, also den Kontakt zur Wirklichkeit behalten.

Erhielten Bremens Abgeordnete früher eine steuerfreie Diät, eine zu versteuernde Pauschale für ihren besonderen Aufwand, Sitzungsgelder für die Teilnahme an der Landtags-, Fraktions-, Deputatinssitzung und so weiter, kam 2010 ein radikaler Schnitt. Seitdem erhält jeder Abgeordneter eine zu versteuernde Aufwandsentschädigung von (aktuell) 5.698,45 Euro – für ihre (offiziell) Halbtagsbeschäftigung.

Die alte Altersversorgung, die nach Dauer-Zugehörigkeit im Parlament nahezu 72 Prozent betrug, wurde auf private Beine gestellt: Aktuell erhält jeder Abgeordnete monatlich 932,54 Euro, die man für eine private Altersvorsorge verwenden muss.

Dieses System stößt in den Reihen der Abgeordneten zunehmend auf Verärgerung: Es verschlechtert die zu erwartende Rente im Vergleich zum alten System maßgeblich.

Der mitfühlende Gutachter Austermann schreibt in seinem Werk, ein Bremer Abgeordneter habe aktuell nach vierjähriger Parlamentszugehörigkeit bloß einen Anspruch auf eine monatliche Rente von 120-130 Euro. Dabei beruft er sich auf „Angaben von Abgeordneten gegenüber der Bürgerschaftskanzlei“.

Was Austermann und andere womöglich außer Acht lassen, ist, dass es jedem Abgeordneten freisteht, die von der Bürgerschaft zur Verfügung gestellten 932 Euro aufzustocken. Beispielsweise aus seinen Diäten.

Ferner bezieht sich der Prof. (nach meiner Recherche) lediglich auf die von Privatversicherern „garantierte Rente“. Hinzu kommt jedoch beim Erreichen des Rentenalters die „Beteiligung am Überschuss“.

Zur Info des Geschäftsordnungs– und Verfassungsausschusses der Bürgerschaft, der morgen tagen wird, ein Rechenbeispiel.

Ein Leser hat mir freundlicherweise seine persönlichen Finanzdaten zur Verfügung gestellt. Er schreibt:

„Ich habe von 2007 bis 2021 eine Basisrente angespart. Ab 2015 wurde mir dabei Angst und Bange. Die Zinsen in der Ansparphase ließen auf eine später dürftige Rente schließen.

In den 14 Jahren hatte ich etwa 100.000 Euro eingezahlt, aus denen sind letztlich 160.000 Euro geworden. Diesen Betrag habe ich in eine Sofort-Rente umgewandelt.

Aktuell beziehe ich daraus monatlich 498 Euro Garantierente und 164 Euro aus der Überschussbeteiligung. Auf das ganze Jahr gerechnet entspricht das einer jährlichen Verzinsung von ca. 5% des eingelegten Kapitals. Das finde ich okay.“

Soweit der Bericht aus der Wirklichkeit.

Gutachter Austermann empfiehlt der Bürgerschaft nun ein System, dass Abgeordneten nach drei Legislaturperioden (12 Jahre) eine Rente von 24 Prozent der Diät, also aktuell von 1.367,63 Euro verspricht.

Dabei orientiert er sich an den Versorgungssystemen von Schleswig-Holstein und McPo, die ebenfalls Haushaltsnöte hätten. Außerdem säßen dort ähnlich wenige Abgeordnete im Parlament.

Sorry, jetzt kommen mir gleich die Tränen.

In SHS sitzen 69 Abgeordnete im Landtag, sind jedoch für 2,9 Millionen Menschen zuständig. In McPo sind es 79 Abgeordnete für 1,6 Millionen Bürger.

Unser Bremchen leistet sich 87 Abgeordnete für sind es 684.864 Bürgerinnen und Bürger; im Saarland sind es 51 Parlamentarier für 992.666 Bürger m/w.

By the way ein weiterer Hinweis aus der Wirklichkeit: Ein Arbeitnehmer muss (laut Bundesarbeitsministerium) ein Arbeitsleben lang 2.800 Euro brutto verdienen, um auf eine Rente von 1.300 Euro zu kommen.

Nahezu mitfühlend gibt sich der Gutachter noch auf anderem Feld. Die (Bremer) Abgeordneten seien durch Anfeindungen in „sozialen Medien“ persönlich sehr belastet.

Ach Gottchen, jetzt bemüht der Gutachter auch noch die „MimimiEbene“, um mehr für die Abgeordneten herauszuholen.

Statt an der Abgeordneten-Versorgung herumzuschrauben sollte der Bremische Gesetzgeber im Bundesrat seine Rolle als Land nutzen, um endlich die maßlos hohen Pensionsregelungen für Beamte und Regierungsmitglieder (max. fast 72 Prozent) auf ein Normalmaß zu reduzieren.

Bis es soweit (also nie) ist, können die Bremer Abgeordneten ja einen Teil der Halbtagsdiäten auf die zur Verfügung gestellten 932 Euro draufpacken, um so später mehr Geld zu erhalten.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Nach geltendem Recht dürfen Abgeordnete, die neben dem Mandat weiterhin halbtags abhängig beschäftigt sind, die Beiträge des Arbeitgebers zur Rentenversicherung nicht selbst aufzustocken (Sozialgesetzbuch 6, Paragraf 7). Auch diese unsinnige Regelung kann Bremen, solange es noch ein Bundesland ist, im Bundesrat zur Änderung vorlegen.