Sollte ein kulturpolitischer Sprecher so viel Unfug über die Stadtbibliothek reden, Herr Bolayela?
Liebe Leserschaft, heute muss ich aufpassen, dass die Pferde nicht mit mir durchgehen. Aber: Der SPD-„Kulturpolitiker“ Elombo Bolayela entblödete sich diese Woche nicht zu sagen: „Besonders freue ich mich über die Ablehnung des FDP-Antrages zum Thema Sonntagsöffnung der Bibliotheken“. Denn: „Sonntage sind Ruhetage“. Ich hoffe, der Herr muss nicht irgendwann einmal sonntags in Krankenhaus – und niemand wäre da, weil’s ja Sonntag ist… Frage: Würde die SPD ihrem Abgeordneten Bolayela vielleicht einen großen Dienst erweisen, indem sie ihn von der Last des „kulturpolitischen Sprechers“ befreien würde?
Bremen ist das Land, in dem prozentual die meisten Kinder aller Bundesländer wohnen, die in der Grundschule am schlechtesten lesen und schreiben können. Bremen ist das Land mit der höchsten Armutsquote. Bremen ist das Land mit dem Dauer-letzten-Platz von Bildungsvergleichen. Bremen ist (leider auch) das Land mit dem höchsten Grad an ideologischer Verbohrtheit.
In diesem Ländchen Bremen wird seit über 12 Jahren darum gerungen, ob die niedrigstschwelligen, außerschulischen Bildungs– und Kultureinrichtungen – eben die Stadtbibliotheken – sonntags geöffnet sein dürfen.
Die FDP-Opposition hatte bereits im November 2023 dankenswerterweise den Antrag im Landtag eingebracht, sich für die Sonntagsöffnung der Stadtbibliothek auszusprechen. Und: Bremen möge sich bei der auf Bundesebene anstehenden Novellierung des Arbeitszeitgesetzes dafür einsetzen, dass in diesem Paragrafenwerk der Begriff „wissenschaftliche Präsenzbibliotheken“ um das Wort „Bibliotheken“ ergänzt werde.
Die ehemalige Chefin der Stadtbibliothek Bremen und Ex-Bibi-Weltverbandspräsidentin, Barbara Lison, hatte über Jahrzehnt lang dafür geworben, die „Büchereien“ sonntags zu öffnen. Einen Probelauf genehmigte man ihr. Dann war aber auch Schluss.
DGB-Gewerkschaften, SPD-Hardliner und Kirchen hatten erfolgreich dagegen gestänkert. Tenor: Der Sonntag ist als freier (heiliger) Tag zu schützen.
Dabei sind sonntags (selbstverständlich) u.a. geöffnet: Krankenhäuser, Pflegeheime, Feuerwehren, Polizei, Bäckereien, Fitness-Studios. Werder spielt auch sonntags, und auf allen Sportplätzen sind Sanitätsdienste anzutreffen. Außerdem haben sonntags geöffnet: Museen, Schwimmbäder, Theater, Diskotheken – und Universitätsbibliotheken.
Öffentlichen Bibliotheken ist dies jedoch verwehrt. Museen wie Übersee- oder Focke-Museum ist wiederum gestattet, sonntags Publikum zu empfangen. Familien mit Kindern sind dort besonders wochenends häufig anzutreffen.
Doch das interessiert die rot-grün-rote Koalition in ihrer Herrlichkeit keinen Funken. Folglich lehnte die Regierungstruppe den FDP-Antrag ab. Statt sich still in die Ecke zu trollen, prahlte Herr Bolayela auch noch damit – und das als kulturpolitischer Sprecher.
Die Grünen und LINKEN, Koalitionspartner der Sozis, taten sich hörbar schwer, gegen die Sonntagsöffnung zu stimmen. Beide äußerten zwar Sympathie für den FDP-Antrag von Ole Humpich – zogen sich dann aber doch auf die Koalitionsdisziplin zurück. Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD) bezog – als Kultursenator – nicht eindeutig Stellung, führte aber immerhin ins Feld, eine offene Bibliothek könne die Innenstadt sonntags beleben.
Und der kulturpolitische Sprecher der SPD, Elombo Bolayela? Der Mann postet nach der Bürgerschaftssitzung auf LinkedIn ernsthaft folgende Sätze:
„Wir sind überzeugt, der Sonntag muss Sonntag bleiben. Unser Ziel ist es, den Sonntagsschutz nicht weiter aufzuweichen. Ich bin überzeugt, dass die Sonntage, unabhängig von Glaubensfragen, für alle wichtig sind. Sonntage sind Ruhetage und müssen als solche bestehen bleiben. Nur die Sonntage geben uns gemeinsame Zeit mit Familie und Freunden, daher muss der Sonntag verlässlich frei für alle bleiben…“
Nähme man Bolayela und auch sein Credo ernst, die „Zeit für Familie und Freunde“ seien das wichtigste, müssten – dieser Logik folgend – alle heute sonntags geöffneten Einrichtungen umgehend schließen.
Was Bildungs- und insbesondere Kulturpolitiker bedenken sollten: Kinder wären gerade sonntags in Bibliotheken gut aufgehoben – statt zu Hause vor Spielkonsolen und Fernsehgeräten „geparkt“ zu werden…
Völlig abseitig kommt es mir vor, dass ausgerechnet ein „kulturpolitischer Sprecher“ die Argumentationskette von Gewerkschaftern und Arbeitnehmervertretern vorträgt.
Möglicherweise ist dies mit Bolayelas Herkunft zu erklären.
Der Sohn eines evangelischen Pastors aus dem Kongo wurde 2009 stellvertretender Betriebsratsvorsitzender in einer Bremer Baumarktkette und gehört der Gewerkschaft Verdi an.
Möglicherweise meinte Bolayela auch, sich mal als aufrechter Sozi-Kämpfer aufführen zu müssen. Die SPD hatte ihn nur auf Platz 35 ihrer Bürgerschaftsliste gesetzt. Doch der in seiner Community bestens vernetzte Mann errang mit 3.117 die viertmeisten Personenstimmen für die SPD. Zum Vergleich: Die heutige Bürgerschafts-Präsidentin Antje Grotheer wurde zwar mit Listenplatz 4 hofiert, sammelte aber lediglich 1.465 Personenstimmen.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Unter diesem Stück zum Bibliotheksthema können Sie eine Dokumentation anklicken. Ich habe bereits gestern die Presseerklärung der Innenbehörde zur 2023er Kriminalpolizeiliche Statistik plus Original-Stellungnahmen der Parteien dokumentiert. Lediglich SPD und Linke fehlen. Denen hatten die teilweise katastrophalen Zahlen der jüngsten Statistik offenbar die Sprache verschlagen. Sogar dem innenpolitischen Sprecher der SPD, Kevin Lenkeit. Das (angenehme) Schweigen dieses Abgeordneten war Bremen bislang nur selten vergönnt.
Lesestoff für Kids am Sonntag? Nicht in Bremen, wo eine Sonntagsöffnung der Stadtbibliotheken mehr als angebracht wäre.
Warum?
»Die Ergebnisse bei der Lesekompetenz und im Textverständnis der Schülerinnen und Schüler zeigen, dass 75 Prozent derjenigen mit der höchsten sozialen Belastung die Regelstandards für das Ende der 4. Jahrgangsstufe nicht erreichen. 44 Prozent bleiben sogar unter dem Mindeststandard. Diese Kinder haben große Schwierigkeiten beim Lesen und können einen Text noch nicht als Ganzes erfassen.«
https://www.weser-kurier.de/bremen/ursache-pandemie-schlechtere-lesekompetenz-in-bremer-grundschulen-doc7k4tlkueiqf151cfc8nx
Um die (wenigstens gelegentliche) StaBi-Sonntagsöffnung hatte ich mich als damaliger kulturpolitischer Sprecher der Bremer CDU-Fraktion im Einklang mit Frau B. Lison als deren seinerzeitige Leiterin bereits zwischen 2007-11 in der Bürgerschaft vergeblich bemüht.. Scheinbar hat man im bildungsschwachen Bremen seitdem wenig bis nichts dazugelernt. Bezeichnend dazu auch in der letzten ZDF-heute-Show, dass man dem vom Menschen unterschätzten Schwein immerhin doch soviel Intelligenz zuschrieb, „dass es wahrscheinlich in Bremen Abitur machen könne“. Darüber lacht zu recht die ganze restliche Republik. Nur hier zieht die Politik keine richtigen Schlüsse aus einem solchen blamablen Image.
Tja, erneut ein Beweis dafür, dass beim Thema Bildung in Bremen alles beim Alten 🤦♀️ bleiben soll, statt dass alle, wirklich und wörtlich ALLE erdenklichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um endlich endlich die bildungspolitische Kurve zu kriegen. Das fängt nun mal mit Sprache und Lesekompetenz an. Das zu verstehen ist wirklich keine Raketenphysik. Apropos Raketenphysik. Zwei meiner drei Kinder haben in Bremen ihr Abitur gemacht, ohne in ihrer Schullaufbahn jemals eine Stunde Physik genossen zu haben. 🤦♀️
Wenn schon nicht in der Schule, dann wäre eine Bibliothek schon ein geeigneter Ort, um über derartige Themen etwas zu entdecken und Interesse zu entwickeln.
Schade schade für die betroffenen Kinder und Jugendlichen, dass in Bremen eine Chance nach der anderen vertan wird, um das immer wieder aufs Neue manifestierte Defizit zu beheben.
Wie schön wäre es, wenn z.B. Familien sonntags in die Bibliotheken gehen könnten – eine gute, sinnvolle und hilfreiche Freizeitgestaltung.
Bremen muss aus guten Gründen alles dafür tun, Bildungseinrichtungen wie auch die Stadtbibliothek attraktiv zu öffnen. Und übrigens ein Wort an den kulturpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion: Bremen wurde im Oktober 2023 der Titel „Stadt der Literatur“ verliehen. Damit können nicht nur Veranstaltungen für das Bildungsbürgertum adressiert worden sein!
Die Stadtbibliothek beweist z.B. mit ihrem guten Ferienprogramm, dass sie sehr gut in der Lage ist, etwas anzubieten, was auch bildungsferne Familien in die Bibliothek lockt. Und wir wissen durchaus, dass es auch Mitarbeitende gibt, die gerne am Sonntag arbeiten würden und dafür in der Woche frei bekommen könnten.
Ulrike Hauffes Kommentar kann ich voll und ganz unterstützen. Seit 25 Jahren arbeitet die BremerLeseLust komplett ehrenamtlich für die so notwendige Leseförderung der Kinder und Jugendlichen in Bremen. Wir sorgen für Klassenbibliotheken und fördern den Zugang zu Büchern . Ich frage mich: Wo bleiben tragfähige, glaubwürdige und wirksame Konzepte der Verantwortung Tragenden??? Ja, ich bin frustriert über diese Worthülsen und wie Monstranzen getragene wortgewaltige Sprechblasen von „Sonntagsschutz für Familien“ etc. Das alles geht mir so gegen die Überzeugung, dass ich mich nun entgegen meinen langjährigen Vorsätze doch öffentlich äußere… Viele Kinder hängen nämlich sonntags unbestreitbar vor irgendwelchen Bildschirmen und lassen sich von fragwürdigen und Demokratie zerstörendem Müll berieseln und beeinflussen. Eine Alternative: Lesen guter Bücher. Die sind aber bekanntlich richtig teuer. Gerade sozial Engagierte sollten wissen: Der Zugang zu Bücher ist für Kinder aus nicht so privilegierten Haushalten eben nicht selbstverständlich.. Mein dringlicher Appell : Öffnet endlich die Bibliotheken, aus meiner Sicht übrigens seit vielen, vielen Jahren eine absolute Selbstverständlichkeit!
Nicht nur Familien mit Kindern nutzen die Stadtbibliothek. Man kann dort beobachten, wie viele Jugendliche alleine oder in Gruppen die Räumlichkeiten nutzen, um zu lernen. Darunter sind auch viele schwarze Jugendliche. Möglicherweise haben diese Zuhause kein eigenes Zimmer, keinen Schreibtisch oder keine Ruhe, um zu büffeln. Herr Bolayela schreibt auf seine Webseite „Als Mensch mit Migrationshintergrund verstehe ich aus eigener Erfahrung, welche Anstrengungen für eine erfolgreiche Integration notwendig sind und welche Verantwortung jede Person dabei trägt.“
Tja. Aber wo sollen diese lern- und integrationswilligen Jugendlichen am Sonntag lernen? Jedenfalls möchte Herr Bolayela nicht, dass die Stadtbibliothek dazu nutzen.
Ich hatte mich gefreut als Herr Bolayela in die Bürgerschaft eingezogen ist, weil er eigene Erfahrung als Migrant und außerdem noch in einem Beruf gearbeitet hat, was ja auch in der SPD nicht mehr selbstverständlich ist. Ich dachte allerdings, er würde sich viel mehr für die Integration von solchen Jugendlichen einsetzen. Es wäre wichtig, PR dafür zu machen, dass diese integrationswilligen Jugendlichen sichtbar werden. Fehlanzeige. Es ist leider im Moment so, dass die schwarzen Drogendealer eher wahrgenommen werden.