Sollte ein kulturpolitischer Sprecher so viel Unfug über die Stadtbibliothek reden, Herr Bolayela?

17.03.2024 6 Von Axel Schuller

Liebe Leserschaft, heute muss ich aufpassen, dass die Pferde nicht mit mir durchgehen. Aber: Der SPD-„Kulturpolitiker“ Elombo Bolayela entblödete sich diese Woche nicht zu sagen: „Besonders freue ich mich über die Ablehnung des FDP-Antrages zum Thema Sonntagsöffnung der Bibliotheken“. Denn: „Sonntage sind Ruhetage“. Ich hoffe, der Herr muss nicht irgendwann einmal  sonntags in Krankenhaus – und niemand wäre da, weil’s ja Sonntag ist… Frage: Würde die SPD ihrem Abgeordneten Bolayela vielleicht einen großen Dienst erweisen, indem sie ihn von der Last des „kulturpolitischen Sprechers“ befreien würde? 

Bremen ist das Land, in dem prozentual die meisten Kinder aller Bundesländer wohnen, die in der Grundschule am schlechtesten lesen und schreiben können. Bremen ist das Land mit der höchsten Armutsquote. Bremen ist das Land mit dem Dauer-letzten-Platz von Bildungsvergleichen. Bremen ist (leider auch) das Land mit dem höchsten Grad an ideologischer Verbohrtheit.

In diesem Ländchen Bremen wird seit über 12 Jahren darum gerungen, ob die niedrigstschwelligen, außerschulischen Bildungs– und Kultureinrichtungen – eben die Stadtbibliotheken – sonntags geöffnet sein dürfen.

Die FDP-Opposition hatte bereits im November 2023 dankenswerterweise den Antrag im Landtag eingebracht, sich für die Sonntagsöffnung der Stadtbibliothek auszusprechen. Und: Bremen möge sich bei der auf Bundesebene anstehenden Novellierung des Arbeitszeitgesetzes dafür einsetzen, dass in diesem Paragrafenwerk der Begriff „wissenschaftliche Präsenzbibliotheken“ um das Wort „Bibliotheken“ ergänzt werde.

Die ehemalige Chefin der Stadtbibliothek Bremen und Ex-Bibi-Weltverbandspräsidentin, Barbara Lison, hatte über Jahrzehnt lang dafür geworben, die „Büchereien“ sonntags zu öffnen. Einen Probelauf genehmigte man ihr. Dann  war aber auch Schluss.

DGB-Gewerkschaften, SPD-Hardliner und Kirchen hatten erfolgreich dagegen gestänkert. Tenor: Der Sonntag ist als freier (heiliger) Tag zu schützen.

Dabei sind sonntags (selbstverständlich) u.a. geöffnet: Krankenhäuser, Pflegeheime, Feuerwehren, Polizei, Bäckereien, Fitness-Studios. Werder spielt auch sonntags, und auf allen Sportplätzen sind Sanitätsdienste anzutreffen. Außerdem haben sonntags geöffnet: Museen, Schwimmbäder, Theater, Diskotheken – und Universitätsbibliotheken.

Öffentlichen Bibliotheken ist dies jedoch verwehrt. Museen wie Übersee- oder Focke-Museum ist wiederum gestattet, sonntags Publikum zu empfangen. Familien mit Kindern sind dort besonders wochenends häufig anzutreffen. 

Doch das interessiert die rot-grün-rote Koalition in ihrer Herrlichkeit keinen Funken. Folglich lehnte die Regierungstruppe den FDP-Antrag ab. Statt sich still in die Ecke zu trollen, prahlte Herr Bolayela auch noch damit – und das als kulturpolitischer Sprecher.

Die Grünen und LINKEN, Koalitionspartner der Sozis, taten sich hörbar schwer, gegen die Sonntagsöffnung zu stimmen. Beide äußerten zwar Sympathie für den FDP-Antrag von Ole Humpich – zogen sich dann aber doch auf die Koalitionsdisziplin zurück. Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD) bezog – als Kultursenator – nicht eindeutig Stellung, führte aber immerhin ins Feld, eine offene Bibliothek könne die Innenstadt sonntags beleben.  

Und der kulturpolitische Sprecher der SPD, Elombo Bolayela? Der Mann postet nach der Bürgerschaftssitzung auf LinkedIn ernsthaft folgende Sätze:  

„Wir sind überzeugt, der Sonntag muss Sonntag bleiben. Unser Ziel ist es, den Sonntagsschutz nicht weiter aufzuweichen. Ich bin überzeugt, dass die Sonntage, unabhängig von  Glaubensfragen, für alle wichtig sind. Sonntage sind Ruhetage und müssen als solche bestehen bleiben. Nur die Sonntage geben uns gemeinsame Zeit mit Familie und Freunden, daher muss der Sonntag verlässlich frei für alle bleiben…“ 

Nähme man Bolayela und auch sein Credo ernst, die „Zeit für Familie und Freunde“ seien das wichtigste, müssten – dieser Logik folgend – alle heute sonntags geöffneten Einrichtungen umgehend schließen

Was Bildungs- und insbesondere Kulturpolitiker bedenken sollten: Kinder wären gerade sonntags in Bibliotheken gut aufgehoben – statt zu Hause vor Spielkonsolen und Fernsehgeräten „geparkt“ zu werden…

Völlig abseitig kommt es mir vor, dass ausgerechnet ein „kulturpolitischer Sprecher“ die Argumentationskette von Gewerkschaftern und Arbeitnehmervertretern vorträgt.

Möglicherweise ist dies mit Bolayelas Herkunft zu erklären.

Der Sohn eines evangelischen Pastors aus dem Kongo wurde 2009 stellvertretender Betriebsratsvorsitzender in einer Bremer Baumarktkette und gehört der Gewerkschaft Verdi an.

Möglicherweise meinte Bolayela auch, sich mal als aufrechter Sozi-Kämpfer aufführen zu müssen. Die SPD hatte ihn nur auf Platz 35 ihrer Bürgerschaftsliste gesetzt. Doch der in seiner Community bestens vernetzte Mann errang mit 3.117 die viertmeisten Personenstimmen für die SPD. Zum Vergleich: Die heutige Bürgerschafts-Präsidentin Antje Grotheer wurde zwar mit Listenplatz 4 hofiert, sammelte aber lediglich 1.465 Personenstimmen.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Unter diesem Stück zum Bibliotheksthema können Sie eine Dokumentation anklicken. Ich habe bereits gestern die Presseerklärung der Innenbehörde zur 2023er Kriminalpolizeiliche Statistik plus Original-Stellungnahmen der Parteien dokumentiert. Lediglich SPD und Linke fehlen. Denen hatten die teilweise katastrophalen Zahlen der jüngsten Statistik offenbar die Sprache verschlagen. Sogar dem innenpolitischen Sprecher der SPD, Kevin Lenkeit. Das (angenehme) Schweigen dieses Abgeordneten war Bremen bislang nur selten vergönnt.