Ein “Kartellamt” hätte Groß-Gewerkschaft wie “Verdi” nie zugelassen / Streikgesetz nötig

21.03.2024 7 Von Axel Schuller

Ungleiche Arbeitswelt:  Wollen sich zwei große Unternehmen – Verlage, Autobauer oder Lebensmittel-Produzenten – zu einem womöglich marktbeherrschenden Konzern zusammenschließen, muss das Kartellamt zustimmen. Die Gewerkschaft „Verdi“ verleibte sich mehrere andere Arbeitnehmer-Vertretungen ein, so dass sie sich inzwischen aufgrund ihrer Größe wie ein gesellschaftlicher Kampfverein aufführen kann. Noch schlimmer: Das Streikrecht ist verfassungsrechtlich abgesichert, aber ohne rechtlichen Rahmen. Die Folge: “Verdi” drangsaliert aktuell auch Kunden der „sensiblen Infrastruktur“ mit übertriebenen Streiks. Siehe ÖPNV, Flugabfertigung etc.

In diesem Zusammenhang auffällig und extrem bedenklich: Weder der öffentlich-rechtliche Rundfunk, noch Zeitungsredaktionen (jedenfalls in Bremen) stellen die Macht und deren Missbrauch der „Verdisten“ in Frage. Der Grund: Sie wollen es sich mit diesem Gewerkschafts-Monster vermutlich nicht verderben. Ist ja auch nicht auszuschließen, dass man selbst mal wieder streikt. 

Liebe Leserschaft, was nicht alle wissen: Viele Journalisten m/w sind selbst Gewerkschaftsmitglieder. Sie gehören in Wahrheit direkt/indirekt zur “Verdi“-Welt. 

Es gibt die Deutsche Journalisten Union (dju), früher Teil der DGB-Gewerkschaft IG Medien (früher Druck+Papier), heute: in “Verdi” aufgegangen. Selbst der Deutsche Journalistenverband (DJV), früher eher mental angelehnt an die gemäßigte Deutschen Angestellten Gewerkschaft DAG, ist beim Übergang der DAG zu “Verdi” zwar nicht Teil des neuen Großreichs geworden, aber: DJV und dju, wohlgemerkt zwei unterschiedliche Organisationen, bilden bei Tarifverhandlungen mit Verlagen und ÖRR jedenfalls „Tarifgemeinschaften“.  

Verdi” ist 2001 aus dem Zusammenschluss folgender Einzelgewerkschaften entstanden: ÖTV (Öffentlicher Dienst, Transport und Verkehr), DPG (Deutsche Post Gewerkschaft), HBV (Handel, Banken und Versicherungen), IG Medien (Druck und Papier, Publizistik und Kunst) – alle waren Bestandteil des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB, der als Dach fungiert. Hinzu gesellte sich die DAG (Deutsche Angestellten Gewerkschaft mit DJV) – zuvor außerhalb der DGB-Welt.

Die Lehrergewerkschaft GEW wollte/sollte zunächst auch unters “Verdi-Dach, doch die Pädagogen wollten letztendendes lieber für sich bleiben. Unterm DGB-Dach befinden sie sich ohnehin. Und die ebenfalls zum DGB gehörende Gewerkschaft der Polizei (GdP) war und ist vielen in der eher linken DGB-Welt ohnehin suspekt. Bei “Verdi” wollte man die Ordnungshüter seinerzeit nicht haben.

Verdi” ist heute mit 1,9 Millionen Mitgliedern Deutschlands zweitgrößte Gewerkschaft – hinter der (noch) größeren IG Metall (ebenfalls unter dem DGB-Dach) mit 2,3 Millionen Mitgliedern.

Brauchte die alte ÖTV bei Streitereien mit „Vater Staat“ für bessere Bezahlung in den Amtsstuben stets die Unterstützung der (damals noch) kommunalen Stadtwerker, Müllmänner, Straßenbahn- und Busfahrer, so verfügt “Verdi” heute über die geballte Macht quer durch nahezu alle Dienstleistungsbranchen.   

Viele Kommunen haben im Laufe der Zeit ihre Stadtwerke, Stadtreinigungen, Wasserwerke, ÖPNV-Unternehmen „privatisiert“.

Dieser Verkauf hatte zwei Effekte. Er brachte den klammen Kommunen Geld in die Kassen, und trennte die streikfreudigen Arbeiter und Angestellten (vorerst) vom Reich des Öffentlichen Dienstes ab. Mit der Nebenwirkung, dass Streiks in kommunalen und Landes-Ämtern deutlich geringe Auswirkungen hatten. (Leider gehen Länder wie Bremen dazu über und „re-kommunalisieren“ privatisierte Dienstleistungen teilweise oder ganz. Prognose: Die Streiktage werden wieder zunehmen.)

Die seinerzeit durch Privatisierung reduzierte Power hat “Verdi” längst durch Zugriff auf andere Branchen überkompensiert.

Achtung, jetzt wird’s geradezu fatal!

Zu der Moloch-artigen Verdi-Größe gesellt sich das Riesen-Problem des fehlenden rechtlichen Rahmens. Streikrecht und die Arbeitgeber-Gegenmaßnahme (Aussperrung) sind im Grundgesetz verankert. Doch leider existiert bis heute kein Ausführungsgesetz.

Der Sozialdemokrat Dr. Arnold Knigge, viele Jahre Staatsrat (stellv. Senator) im Bremer Arbeitsressort und zuvor im Bundesarbeitsministerium zuständig für „Arbeitsrecht“, hat vor zwei Wochen im Weser-Kurier einen bemerkenswerten Gastkommentar veröffentlicht.

Er rät dringend dazu, dass der Bund das Streikrecht endlich verbindlich regelt.

Knigge begründet seine Forderung so:

„Es ist immer mehr zur Gewohnheit geworden, dass Gewerkschaften während laufender oder teilweise sogar schon vor Beginn der eigentlichen Tarifverhandlungen zu Warnstreiks aufrufen. An die Stelle ernsthafter Verhandlungen zwischen den Tarifparteien treten frühzeitige Machtdemonstrationen mit erheblichen negativen Konsequenzen für die Bevölkerung und die Wirtschaft.“ 

Der Experte spricht in seinem WK-Text außerdem das Thema Schlichtung an:

„Weiterhin muss der schon von den Arbeitsgerichten entwickelte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit so konkretisiert werden, dass Arbeitskampfmaßnahmen ernsthaften Tarifverhandlungen folgen müssen und nicht umgekehrt schon vorher stattfinden können. Außerdem sollten gesetzlich auch Schlichtungsverfahren vorgesehen werden, damit Arbeitskampfmaßnahmen wieder das werden, was sie sein sollten, das letzte Mittel zur Beilegung von Tarifauseinandersetzungen.“

Ergänzend zu Knigge füge ich an: Für Teile der „kritischen Infrastruktur“ müssen gesonderte Regeln aufgestellt werden.

Es ist doch ein Unding, dass die Gesellschaft (angeblich) unbedingt die Mobilitätswende herbeisehnt, Bus- und Bahnfahrer aber – wie diese Woche erneut bei der BSAG – zum xten Mal per Warnstreik den Verhandlungsdruck erhöhen – und alle Umweltfreunde für den Weg zur Arbeit ins (angeblich) verhasste eigene Auto steigen müssen.

Generell halte ich es für einen Skandal, dass sich fünf Gewerkschaften – vom Staat – völlig ungebremst zu der gesellschafts-bestimmenden Großgewerkschaft “Verdi” zusammenschließen konnten. 

Man stelle sich vor, VW und Opel hätten zu einem Konzern fusionieren wollen. Das Kartellamt hätte Alarm geschlagen. Golf und Astra aus einer Firma – undenkbar. 

Im Fall “Verdi” kräht jedoch kein Hahn danach, dass der Laden zu groß ist und eine ungesunde Machtfülle erlangt hat. Für zu mächtige Firmen-Moloche aus der US-Tech-Welt fordern Politiker gerne die “Entflechtung“. Muss das nicht auch für für “Verdi” gelten?

Ein weiterer Aspekt: “Verdi” stellt zuweilen Forderungen auf, die nicht in die Wirklichkeit passen. Etwa, 15 Prozent mehr Lohn, mindestens 500 Euro pro Monat mehr. Und dies bloß für 12 Monate festgeschrieben.

Das Gemeine: Verdi kann Forderungen aufstellen, bis der Notarzt kommt. Der Arbeitgeber, die von uns Steuerzahlern gewählten Regierungen, können sich kaum wehren. Ein Passamt oder auch die Verladung von Flug-Gepäck kann man schließlich nicht ins Ausland verlagern.

Die Automobil– oder Chemieindustrie hingegen hat mittelfristig durchaus die Möglichkeit, Arbeiten im Ausland erledigen zu lassen. Aus diesem Grund agieren IG Metall  und IG Bergbau-Chemie-Energie deutlich verantwortungsbewusster als “Verdi”-Verhandlungsführer m/w es tun.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Bei der Beschreibung der Zusammenhänge/Abhängigkeiten zwischen “Verdi”, dju, DAG und DJV hatte ich einen Fehler gemacht, den ich korrigiert habe. Auffällig bleibt weiterhin, die zurückhaltende bis gar nicht stattfindende Kommentierung der zahlreichen “Verdi”-Streiks durch Medien.