Bremen am Scheideweg: Investoren für BSAG und GeNo, oder aber Sparkommissar des Bundes
Für die einen der blanke Horror, für die anderen die ultima ratio: Beteiligung privater Investoren z.B. an der GeNo, der BSAG und der Gewoba. Allen Wissenden gemeinsam ist die nackte Angst vor dem Herbst. Dann erstellt der Stabilitätsrat des Bundes und der Länder seine Bilanz für Bremen. Und die droht gruselig zu werden. Jetzt rächt es sich, dass Bremen seit Jahren sein Personal aufgebläht statt konzentriert hat. Jetzt haut es rein, dass sich die Landesregierung der notwendigen „Aufgabenkritik“ verweigert hat.
Liebe Leserschaft, die Wahrheit sieht eigentlich noch schlimmer aus: Bremen ist einfach zu klein, um als Land selbstständig zu überleben. Noch schlimmer: Keiner will uns haben!
Und eine Fusion mehrerer Bundesländer ist laut Grundgesetz nur möglich, wenn die beteiligten Länder-Bevölkerungen mehrheitlich zustimmen.
Und mal ehrlich: Wer will ein Land haben, dass mittlerweile das Verschuldungsniveau eines Dritte-Welt-Staates hat? Bremen steht mit rund 22,5 Milliarden Euro bei den Banken in den Büchern. Der Jahresetat des Landes beträgt dagegen nur rund 5,6 Milliarden. Faktor 4! So tief hockt kein anderes Bundesland im Defizit-Keller.
Und was tut der Senat? Er bläht den eigenen Apparat (Wasserkopf) auf. Missachtet regelmäßig die Forderung des Rechnungshofes, einen gemeinsamen Plan aufzustellen, bevor neue Stellen geschaffen werden.
Es spricht Bände, dass frühere Senate mit 13 Staatsräten auskamen, heute aber 18 dieser Topbeamten (jedenfalls, was das Gehalt angeht) auf der Payroll des Landes stehen, das ja nicht größer geworden ist.
Und weil zusätzliches Geld manchmal zu nützlichen Seilschaften beiträgt, gibt es scharenweise „Beauftragte“ für: Frauen, Tierschutz, Behinderte, Kontrolle der Polizei und Feuerwehr, Förderung der Musikszene, Opferschutz, Datenschutz usw.
Bremen hat seit 2018 über 2.200 zusätzliche Stellen im öffentlichen Dienst geschaffen. Dies sieht mittlerweile auch Finanzsenator Björn Fecker (Grüne) als Problem an.
Zumal die Qualität der öffentlichen Verwaltung teilweise weiterhin grottenschlecht ist.
Selbst der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen Regierungspartei, Philipp Bruck, urteilt entwaffnend über den Etat-Entwurf des Senats: „Die aktuelle Haushaltsaufstellung zeigt, dass die Steuereinnahmen Bremens nicht ausreichen. Wir können damit nicht einmal die wichtigsten Aufgaben wie Bildung und Klimaschutz so finanzieren, wie wir uns das wünschen und konzeptionell sinnvoll finden. … Und einsichtig, aber folgenlos formuliert Bruck: „In so einer Lage kommt es darauf an, sorgfältig Prioritäten zu setzen.“
Brutale Wahrheit: Genau daran hapert es. Es werden eben keine Prioritäten im Sinne von „unbedingt nötig und bezahlbar?“ gesetzt.
Blicken wir ein wenig zurück. Das Bremer Finanzelend geht zweifelsohne auf die Lohnsteuerzerlegung von Anfang der 70er Jahre zurück. Danach bezahlen die Arbeitnehmer Lohn- und Einkommenssteuer am Wohnort, nicht mehr am Arbeitsort. Seitdem geht’s Bremen aufgrund der hohen Pendlerzahl finanziell an den Kragen.
Das Thema juckt auf Bundesebene aber niemanden. Der Zwei-Städte-Staat Bremen existiert zwar, wird aber nicht so richtig ernst genommen.
Bremen muss mit seinen Problemen selbst klarkommen. Und dennoch leben wir seit Jahren ohne Rücksicht auf die Finanzierbarkeit der Zukunft – man könnte auch sagen: Es wird munter mit dem Geld herumgeaast.
2007 stand das kleinste Bundesland – mal wieder – an einem Scheideweg – und bog falsch ab.
Die Große-Koalition hatte kurz vor der Wahl beschlossen, den Teil-Ersatz-Neubau des Klinikums Mitte als „Public Private Partnership anzugehen. Nach der Wahl 2007 (jetzt regierte Rot-Grün) gab der zu schwache Bürgermeister Jens Böhrnsen der Grünen Finanzsenatorin Karoline Linnert und dem Betriebsrat der GeNo-Klinik Mitte nach, kippte das PPP-Vorhaben. Schließlich wollte man keinem Unternehmer unnötig viel Geld in den Rachen werfen. „Das können wir selbst genauso gut – und sparen dabei.“
Welch teurer Trugschluss: Der Bau hat am Ende mit rund 450 Millionen Euro mehr als das Doppelte gekostet.
Bremen ist auch beim Thema BSAG falsch abgebogen. Es wurde lange an einem „Kontrakt“ herumgeschaubt, damit Bremen die Leistungen des ÖPNV (europarechtlich) nicht ausschreiben musste. Dieser Kontrakt von 2001 sah freilich nicht nur vor, die städtische BSAG vor dem europaweiten Wettbewerb zu schützen. Sondern auch, dass im Gegenzug der staatliche Zuschuss (1999 waren es 170 Millionen MARK) auf 138 Mio MARK sinken müsse.
Und heute? Die BSAG verlangt, dass Bremen das Defizit von 150 Millionen Euro mal eben ausgleiche. Nach dem Motto: Wir können ja eh machen, was wir wollen. Bremen zahlt immer.
Dazu kommt strafverschärfend: Der Betrieb kann nicht überall den regulären Fahrplan einhalten, weist bei Fahrern m/w teilweise Krankheitsquoten von 20 Prozent auf.
In jedem normalen Unternehmen würde sich der Aufsichtsrat einschalten und nach dem Zustand der Unternehmenskultur fragen…
By the way: Fürs BSAG-Defizit ist im Etat für 2024 und 2025 Nullkommanix eingeplant.
Das selbe gilt für ein weiteres, für das kommende drohende GeNo-Defizit von an die 50 Millionen Euro.
Bremen hat zu wenig Sozialwohnungen, mittlerweile aber zwei Wohnungsbaugesellschaften. Brebau und Gewoba.
Der CDU-Finanzpolitiker Jens Eckhoff hat dem Weser-Kurier jüngst ein kluges Interview zur Haushaltspolitik des Senats gegeben. Darin schlägt er u.a. die Privatisierung der Brebau vor.
Gegenvorschlag: Bremen gehören von der wertvolleren Gewoba 75 Prozent. Reichen nicht – z.B. – auch 55 Prozent aus, um weiter Einfluss auf die (dank hoher Sanierungsinvestitionen) nahezu segensreiche Geschäftspolitik des Unternehmens zu nehmen?
Größtes, weil teuerstes Problem Bremens ist und bleibt aber die beschriebene Aufblähung der öffentlichen Verwaltung. Und zwar des – freundlich – Overhead.
Am Ende, genauer im Herbst, muss der Stabilitätsrat des Bundes und der Länder beurteilen, ob Bremen genügend Sanierungsanstrengungen unternommen hat, um weiterhin neben den 900 Millionen aus dem Länderfinanzausgleich zusätzlich 400 Millionen Euro als Sonderzuschuss zu erhalten – jährlich.
Wenn das Urteil – was aktuell zu befürchten ist – NEIN lauten wird, dann, ja dann zieht wohl der Sparkommissar des Bundes an die Weser. Arbeitswerkzeuge: Mistgabel und Stahlbesen.
Bislang hat sich nämlich kein anderes Land bereit erklärt, das überschuldete Bremen zu übernehmen.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Ich empfehle dringend, den Kommentar des Bundestagsabgeordneten Volker Redder (FDP) zum vorigen Blog (u.a. Bahnwerkstatt Oslebshausen) zu lesen. Sie werden sich wundern…
Ja, Bremen ist pleite und man kann es an jeder Ecke dieser Stadt sehen.
@Alle, die sich auskennen: Ist es tatsächlich möglich, ein Bundesland unter die Finanzaufsicht des Bundes zu stellen, so wie das bei Kommunen in Flächenländern auch geht?
Warum haben wir eigentlich keine Opposition, die diese Zustände lautstark anprangert? Wen kann/soll man vernünftigerweise wählen, damit dieses Elend ein Ende hat? Denn auch ein Staatskommisar ist nur eine temporäre Lösung. Langfristig braucht es politische Kräfte, die dieses Elend bewältigen. Und die sehe ich nicht.
Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste:
“Möglichkeiten des Bundeszwangs nach Artikel 37, Grundgesetz.
– Einsetzung eines “Sparkommissars”
Die Einsetzung eines „Sparkommissars“ im Wege des Bundeszwangs in einem Land, das sich in einer Haushaltsnotlage befindet, ist bisher von der Rechtsprechung noch nicht und im einschlägigen Schrifttum lediglich vereinzelt behandelt worden. Insofern können sich Aussagen zu dieser Fragestellung im Wesentlichen auf bisher vorliegende allgemeine Aussagen zum Bundeszwang und zu finanzverfassungsrechtlichen Grundsätzen stützen.
Für die Anwendung von Bundeszwang ist zentrale Voraussetzung das Vorliegen einer Bundespflichtverletzung. Eine solche Pflichtverletzung kann einerseits in einem Ver- stoß gegen Haushaltsgrundsatzgesetze liegen. Ferner kann ein Land, das vor dem Bun- desverfassungsgericht (BVerfG) aufgrund einer extremen Haushaltsnotlage Sanierungs- hilfen erstreitet, zur Durchführung eines Sanierungsprogramms verpflichtet werden. Ein Verstoß gegen ein verbindlich festgelegtes Sanierungsprogramm kann ebenfalls eine Verletzung von Bundespflichten darstellen.
Ob allein in einer extrem verschwenderischen Haushaltspolitik eine Bundespflichtver- letzung i.S.d. Art. 37 Abs. 1 GG gesehen werden kann, ist insbesondere aufgrund der durch Art. 109 Grundgesetz (GG) gewährleisteten Haushaltsautonomie problematisch. Es ist den Ländern aus dem bundesstaatlichen Prinzip heraus jedoch verwehrt, die ande- ren Glieder des Bundesstaats durch gegenläufige Handlungen an der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu hindern. Insofern ist die finanzielle Selbstständigkeit nicht absolut, sondern im Rahmen eines von der Verfassung Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste:
Möglichkeiten des Bundeszwangs nach Artikel 37 Grundgesetz – Einsetzung eines “Sparkommissars”?
zwischen den Gliedern des Bundesstaats vorgegebenen Pflichtenverhältnisses zu verstehen.
Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Bundeszwangs vor, so hat die Bun- desregierung über die Anordnung des Bundeszwangs und die Auswahl der notwendigen Maßnahmen, die zur Beendigung der Pflichtverletzung erforderlich sind, zu entschei- den. Die Einsetzung eines Bundesbeauftragten bzw. eines „Bundeskommissars“ mit umfassenden Befugnissen ist im Rahmen des Bundeszwangs zulässig.
Aufgrund des besonderen Konfliktpotentials, das eine Anwendung des Bundeszwangs beinhaltet, ist dieser aus politischer Sicht erst als ultima ratio anzuwenden. Auch verfas- sungsgerichtliche Schritte zur Abstellung etwaiger Bundespflichtverletzungen sollten in Erwägung gezogen werden.
Vielleicht wäre es doch sinnvoll, einmal ernsthaft darüber nachzudenken, den Föderalismus in seiner jetzigen Form zu überdenken und zu reformieren. Machte es nicht vielleicht Sinn, beispielsweise die Küstenländer mit ihren ähnlichen Themen zu einem oder zwei Bundesländern zusammenzuführen? Wie wäre es, die Bundesländer aus der Mitte und dem Süden Deutschlands ebenfalls zu jeweils ein oder zwei Bundesländern zusammenzuführen? Das würde den Föderalismus erhalten, aber deutlich straffen, unglaubliche Summen zum Beispiel für Abgeordnete sparen, die dann für die wirklich wichtigen, zukunftswichtigen Themen und Belange der Wirtschaft und Bevölkerung eingesetzt werden könnten. Sparpotential gibt es aber auch so schon an vielen Stellen. Leider fehlt es an Politikern, die sich trauen würden, den direkten Weg zum eigenen Wohlergehen gegenüber dem Wohlergehen aller zurückzustellen. Gemeinwesen orientiertes Handeln ist leider total aus der Mode gekommen. Dafür wird das klientelbezogene und das selbstbezogene Tun umso größer geschrieben. Das kann aber auf Dauer nicht gutgehen und trotz dieser Erkenntnis wird nichts geändert. Hauptsache die eigenen Taschen sind voll.
@Axel Schuller: Vielen Dank für die Recherche und die erschöpfende Auskunft.
Warum sollte die BreBau privatisiert werden? Da gibt es einmal Geld von einem Investor und das war es dann. Was wird der machen? Richtig, den eigenen Profit maximieren, also die Mieten im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten nach oben schrauben (das macht die BreBau zwar auch mit schöner Regelmässigkeit, schöpft aber den Rahmen nicht voll aus.). Einiges von dem Geld, was vom Investor bezahlt wurde fließt dann über Wohngeld und Mietzahlungen aus dem Bürgergeld wieder an den Investor zurück. Bleibt die BreBau in Landesbesitz wird zwar auch Gewinn aus Wohngeld und Bürgergeld erwirtschaftet, dieses Geld bleibt aber quasi in Landeshand und wird von der BreBau investiert, in die Rücklagen eingestellt oder an den Landeshaushalt abgeführt.