Bremen am Scheideweg: Investoren für BSAG und GeNo, oder aber Sparkommissar des Bundes

07.04.2024 7 Von Axel Schuller

Für die einen der blanke Horror, für die anderen die ultima ratio: Beteiligung privater Investoren z.B. an der GeNo, der BSAG und der Gewoba. Allen Wissenden gemeinsam ist die nackte Angst vor dem Herbst. Dann erstellt der Stabilitätsrat des Bundes und der Länder seine Bilanz für Bremen. Und die droht gruselig zu werden. Jetzt rächt es sich, dass Bremen seit Jahren sein Personal aufgebläht statt konzentriert hat. Jetzt haut es rein, dass sich die Landesregierung der notwendigen „Aufgabenkritik“ verweigert hat.

Liebe Leserschaft, die Wahrheit sieht eigentlich noch schlimmer aus: Bremen ist einfach zu klein, um als Land selbstständig zu überleben. Noch schlimmer: Keiner will uns haben! 

Und eine Fusion mehrerer Bundesländer ist laut Grundgesetz nur möglich, wenn die beteiligten Länder-Bevölkerungen mehrheitlich zustimmen.

Und mal ehrlich: Wer will ein Land haben, dass mittlerweile das Verschuldungsniveau eines Dritte-Welt-Staates hat? Bremen steht mit rund 22,5 Milliarden Euro bei den Banken in den Büchern. Der Jahresetat des Landes beträgt dagegen nur rund 5,6 Milliarden. Faktor 4! So tief hockt kein anderes Bundesland im Defizit-Keller.

Und was tut der Senat? Er bläht den eigenen Apparat (Wasserkopf) auf. Missachtet regelmäßig die Forderung des Rechnungshofes, einen gemeinsamen Plan aufzustellen, bevor neue Stellen geschaffen werden.

Es spricht Bände, dass frühere Senate mit 13 Staatsräten auskamen, heute aber 18 dieser Topbeamten (jedenfalls, was das Gehalt angeht) auf der Payroll des Landes stehen, das ja nicht größer geworden ist. 

Und weil zusätzliches Geld manchmal zu nützlichen Seilschaften beiträgt, gibt es scharenweise „Beauftragte“ für: Frauen, Tierschutz, Behinderte, Kontrolle der Polizei und Feuerwehr, Förderung der Musikszene, Opferschutz, Datenschutz usw.

Bremen hat seit 2018 über 2.200 zusätzliche Stellen im öffentlichen Dienst geschaffen. Dies sieht mittlerweile auch Finanzsenator Björn Fecker (Grüne) als Problem an. 

Zumal die Qualität der öffentlichen Verwaltung teilweise weiterhin grottenschlecht ist.

Selbst der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen Regierungspartei, Philipp Bruck, urteilt entwaffnend über den Etat-Entwurf des Senats: „Die aktuelle Haushaltsaufstellung zeigt, dass die Steuereinnahmen Bremens nicht ausreichen. Wir können damit nicht einmal die wichtigsten Aufgaben wie Bildung und Klimaschutz so finanzieren, wie wir uns das wünschen und konzeptionell sinnvoll finden. … Und einsichtig, aber folgenlos formuliert Bruck: „In so einer Lage kommt es darauf an, sorgfältig Prioritäten zu setzen.“

Brutale Wahrheit: Genau daran hapert es. Es werden eben keine Prioritäten im Sinne von „unbedingt nötig und bezahlbar?“ gesetzt.

Blicken wir ein wenig zurück. Das Bremer Finanzelend geht zweifelsohne auf die Lohnsteuerzerlegung von Anfang der 70er Jahre zurück. Danach bezahlen die Arbeitnehmer Lohn- und Einkommenssteuer am Wohnort, nicht mehr am Arbeitsort. Seitdem geht’s Bremen aufgrund der hohen Pendlerzahl finanziell an den Kragen.

Das Thema juckt auf Bundesebene aber niemanden. Der Zwei-Städte-Staat Bremen existiert zwar, wird aber nicht so richtig ernst genommen.

Bremen muss mit seinen Problemen selbst klarkommen. Und dennoch leben wir seit Jahren ohne Rücksicht auf die Finanzierbarkeit der Zukunft – man könnte auch sagen: Es wird munter mit dem Geld herumgeaast.

2007 stand das kleinste Bundesland – mal wieder – an einem Scheideweg – und bog falsch ab.

Die Große-Koalition hatte kurz vor der Wahl beschlossen, den Teil-Ersatz-Neubau des Klinikums Mitte als „Public Private Partnership  anzugehen. Nach der Wahl 2007 (jetzt regierte Rot-Grün) gab der zu schwache Bürgermeister Jens Böhrnsen der Grünen Finanzsenatorin Karoline Linnert und dem Betriebsrat der GeNo-Klinik Mitte nach, kippte das PPP-Vorhaben. Schließlich wollte man keinem Unternehmer unnötig viel Geld in den Rachen werfen. „Das können wir selbst genauso gut – und sparen dabei.“ 

Welch teurer Trugschluss: Der Bau hat am Ende mit rund 450 Millionen Euro mehr als das Doppelte gekostet.

Bremen ist auch beim Thema BSAG falsch abgebogen. Es wurde lange an einem „Kontrakt“ herumgeschaubt, damit Bremen die Leistungen des ÖPNV (europarechtlich) nicht ausschreiben musste. Dieser Kontrakt von 2001 sah freilich nicht nur vor, die städtische BSAG vor dem europaweiten Wettbewerb zu schützen. Sondern auch, dass im Gegenzug der staatliche Zuschuss (1999 waren es 170 Millionen MARK) auf 138 Mio MARK sinken müsse.

Und heute? Die BSAG verlangt, dass Bremen das Defizit von 150 Millionen Euro mal eben ausgleiche. Nach dem Motto: Wir können ja eh machen, was wir wollen. Bremen zahlt immer. 

Dazu kommt strafverschärfend: Der Betrieb kann nicht überall den regulären Fahrplan einhalten, weist bei Fahrern m/w teilweise Krankheitsquoten von 20 Prozent auf.

In jedem normalen Unternehmen würde sich der Aufsichtsrat einschalten und nach dem Zustand der Unternehmenskultur fragen…

By the way: Fürs BSAG-Defizit ist im Etat für 2024 und 2025 Nullkommanix eingeplant. 

Das selbe gilt für ein weiteres, für das kommende drohende GeNo-Defizit von an die 50 Millionen Euro.

Bremen hat zu wenig Sozialwohnungen, mittlerweile aber zwei Wohnungsbaugesellschaften. Brebau und Gewoba.

Der CDU-Finanzpolitiker Jens Eckhoff hat dem Weser-Kurier jüngst ein kluges Interview zur Haushaltspolitik des Senats gegeben. Darin schlägt er u.a. die Privatisierung der Brebau vor.

Gegenvorschlag: Bremen gehören von der wertvolleren Gewoba 75 Prozent. Reichen nicht – z.B. – auch 55 Prozent aus, um weiter Einfluss auf die (dank hoher Sanierungsinvestitionen) nahezu segensreiche Geschäftspolitik des Unternehmens zu nehmen?

Größtes, weil teuerstes Problem Bremens ist und bleibt aber die beschriebene Aufblähung der öffentlichen Verwaltung. Und zwar des – freundlich – Overhead.

Am Ende, genauer im Herbst, muss der Stabilitätsrat des Bundes und der Länder beurteilen, ob Bremen genügend Sanierungsanstrengungen unternommen hat, um weiterhin neben den 900 Millionen aus dem Länderfinanzausgleich zusätzlich 400 Millionen Euro als Sonderzuschuss zu erhalten – jährlich.

Wenn das Urteil – was aktuell zu befürchten ist – NEIN lauten wird, dann, ja dann zieht wohl der Sparkommissar des Bundes an die Weser. Arbeitswerkzeuge: Mistgabel und Stahlbesen

Bislang hat sich nämlich kein anderes Land bereit erklärt, das überschuldete Bremen zu übernehmen.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller 

P.S.: Ich empfehle dringend, den Kommentar des Bundestagsabgeordneten Volker Redder (FDP) zum vorigen Blog (u.a. Bahnwerkstatt Oslebshausen) zu lesen. Sie werden sich wundern…