Ernst-Heiteres aus dem Bremer Senat: Ein Mann ohne/mit Stimmrecht wird AR im Stahlwerk

11.04.2024 1 Von Axel Schuller

Heute mal etwas Ernst-Heiteres: Bremens Bevollmächtigter beim Bund und Europa, Dr. Olaf Joachim (SPD), soll auf Wunsch der IG Metall in den Aufsichtsrat des Bremer Stahlwerkes von ArcelorMittal einziehen. Kommt vor. Ungewöhnlich ist allerdings auf den ersten Blick, dass der Senat dem zustimmen musste. Das hängt damit zusammen, dass der „Staatsrat“ Joachim kein gewöhnlicher Spitzenbeamter, sondern formal Mitglied des Senats (dort übrigens ohne Stimmrecht) ist. Und was ist daran nun lustig? Warten Sie’s kurz ab.

Zunächst die Formalitäten in Kürze: Bremens Senat besteht in dieser Legislaturperiode (2023 bis – geplant – 2027) aus 9 Mitgliedern. Dazu gesellt sich auf dem „Familienfoto“ der „Bevollmächtigte beim Bund und Europa, Staatsrat für Bundesangelegenheiten“.

Offiziell ist der Bevollmächtigte also „Mitglied des Senats der Freien Hansestadt Bremen“. Aber, wie gesagt (laut internem Agreement), ohne Stimmrecht.

Sobald ein Senatsmitglied neben dem Amt ein anderes – wie etwa in einem Unternehmensvorstand oder Aufsichtsrat – übernehmen möchte, greift Artikel 113 der Bremer Landesverfassung. Darin ist festgelegt, dass der Senat dem – salopp formuliert – Nebenjob zustimmen muss. Außerdem ist der Bürgermeister gehalten, dies offiziell dem Landtagspräsidenten m/w mitzuteilen.

Dieser Pflicht ist Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD) diese Woche per Brief an Bürgerschaftspräsidentin Antje Grotheer (SPD) nachgekommen.

Damit steht Olaf Joachims Einzug in den Aufsichtsrat von ArcelorMittal Bremen nichts mehr im Weg. 

Halt, doch ein Mitglied muss dafür zunächst aus dem AR ausscheiden.

Dies wird im Sommer Bremens Europaabgeordneter Joachim Schuster (SPD) sein, der bei der Europawahl nicht mehr antreten wird. Somit hat sich die IG Metall nach einem anderen Vertreter der Arbeitnehmer-Interessen im AR umgeschaut. Und die Wahl ist auf Olaf Joachim gefallen. Aufsichtsräte auf IGM-Ticket sind gehalten, die Hälfte ihrer AR-Bezüge bei der Hans-Böckler-Stiftung abzuliefern. Im vorliegenden Fall 50 Prozent von 10.000 Euro Jahres-Salär. Joachim könnte es freilich widerfahren, dass er die verbleibenden 5.000 Euro bei der Landeskasse abgeben muss. Schließlich alimentiert ihn das Land ja als Staatsrat de Luxe ausreichend.

Wie dem auch sei.

Kommen wir zum amüsanten Teil der Story. Bremen leistet sich,  anders als andere Länder, keinen Bundessenator, sondern nur einen Staatsrat im Range des Bevollmächtigten.

Der Hintergrund: Henning Scherf hatte in seiner Zeit als Bürgermeister (1995 bis 2005) wenig Lust, alle Nase lang nach Berlin zu Bundesratssitzungen zu reisen. Um dort dann, oft rein formal,  bei Abstimmungen für Bremen die Hand zu heben

So sorgte Scherf dafür, dass der bremische Statthalter beim Bund, der damalige Staatsrat Erik Bettermann (SPD) zum „Bevollmächtigten beim Bund“ erhoben wurde. Scherf konnte im Rathaus bleiben, und Bettermann durfte in Berlin abstimmen. So war allen geholfen.

Der Bevollmächtigte gilt seitdem als „Staatsrat deluxe“, weil er anders als die übrigen Staatsräte über einen eigenen Dienstwagen verfügt. Dieses Recht steht im Senat außer den „Bossen“ bloß dem Chef der Senatskanzlei (Thomas Ehmcke, SPD) zu.

Ein Nachtrag zu Erik Bettermann. Er war (von 1992 bis 2001) einer, wenn nicht der Beste, den Bremen auf diesem Berliner (bis 1999 Bonner) „Vorposten“ je hatte. Sein Top-Ruf als Bremens-Interessenvertreter in der jeweiligen Bundeshauptstadt brachte Bettermann anschließend einen top-bezahlten Job ein: Er war Intendant der Deutschen Welle (2001 bis 2013).

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Nachtrag zum vorigen Blog. Dem Rechercheur ist nix zu schwer. Auch, wenn Sie, liebe Leserschaft, bislang nirgends erfahren haben, die neue Lehrküche im Haus der VHS hat tatsächlich 1,3 Millionen Euro gekostet. So viel hat das nicht gerade reiche Bremen springen lassen, damit Köche, Hauswirtschaftsmeisterinnen (alle m/w und umgedreht) von Mensen in Uni, Behörden, Schulen, Kitas, Krankenhäusern endlich lernen, mehr mit Bio-Produkten zu bruzzeln.Ob die staatlichen Küchen künftig auch mehr Geld für die teueren Waren erhalten, konnte ich leider  nicht herausfinden.