Kein Unternehmen behandelt seine Führungskräfte so schlecht wie der Senat

09.05.2024 2 Von Axel Schuller

„Dem Bürgermeister ist es wichtig, sich regelmäßig mit den Führungskräften öffentlicher Unternehmen und Behörden auszutauschen“ – so wurde es im Juni 2023 aus den Koalitionsverhandlungen kolportiert. Und tatsächlich: Der Koalitionsvertrag enthält eine entsprechende Absichtserklärung. Aber: Andreas Bovenschulte hat bis jetzt offenbar nicht den übermäßigen Drang verspürt, die Top-Leute des „Konzerns Bremen“ zu einer Klausur einzuladen.

Kein Wirtschaftsunternehmen würde sein Spitzenpersonal jemals so schlecht behandeln wie der Bremer Senat dies tut (bis auf die Bezahlung). Mit der „anderen Seite“ ist der sozialdemokratische Regierungschef dagegen fortlaufend in engem Kontakt.  So hatte Bovenschulte im November 2023 – traditionell – Betriebs- und Personalräte zu einem Empfang ins Rathaus eingeladen. Im Januar 2024 eilte er ins DGB-Gewerkschaftshaus zum Neujahrsempfang der IG Metall – und huldigte den Gewerkschaftern. Zum 1. Mai sprach er beim Mahl der Arbeit (des DGB) in der Oberen Rathaushalle. An der 1.Mai-Kundgebung hat er (auch als „Verdi“-Mitglied) teilgenommen.

Der Regierungschef will es sich augenscheinlich nicht mit den Gewerkschaften verderben. Stets betont er, wie wichtig die Arbeit der Betriebs- und Personalräte und ihrer Gewerkschaften sei. Mit der Ausbildungs-Zwangsabgabe entspricht der Senat übrigens der Forderung des DGB.

Die Leute, die der Senat anheuert, damit öffentliche Betriebe und Behörden im Sinne der Landesregierung funktionieren, würdigt dieser rot-grün-rote Senat bislang jedoch nicht – außer bei Top-Leuten per Gehaltshöhe.

Der aktuell geltende Koalitionsvertrag ließ Hoffnung keimen. Unter dem Begriff „Personal“ ist dort zu lesen:

„Wir werden künftig einmal im Jahr eine Strategieklausur mit den Führungskräften im Konzern Bremen durchführen.“

Gibt gebrüllt, Löwe Bürgermeister. Bloß: Passiert ist im ersten Koalitionsjahr 2023 nichts. Und im laufenden Jahr haben die Führungskräfte dazu bislang auch noch nichts von ihren Dienstherren gehört.

Immerhin teilte Senatssprecher Christian Dohle auf Anfrage von bremensogesehen mit: „Die Koalition bereitet das Führungskräfteseminar derzeit vor. Ein konkreter Termin steht aber noch nicht fest.“

Aus der Klausur (klingt nach einer mehrtägigen Veranstaltung) soll nun offenbar ein Seminar werden – was hoffentlich nicht auf eine Stundenveranstaltung hindeutet.

Zum offiziellen Führungskräftekreis der senatorischen Behörden gehören „bis zur Ebene ‚Referatsleitung’ rund 300 Personen“, so Matthias Makosch, Sprecher des Finanzsenators. 

Dazu kommen wohl auch die Vorstände und Geschäftsführungen bremischer Firmen wie: Bremer Straßenbahn AG, Bremer Aufbau-Bank, Gewoba, Brebau, GeNo, Die Bremer Stadtreinigung, Bremische Bäder, Theater, Brepark, Flughafen, Wirtschaftsförderung mit Bremen-Marketing, Lotto GmbH, BremenPorts, BLG und viele andere. 

Das gute Funktionieren öffentlicher Betriebe und auch Verwaltungen hängt bekanntlich auch davon ab, wie diese staatlichen Einheiten geführt werden. Wie die Rahmenbedingungen sind, wie das Leitungspersonal mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgeht, ob eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Führung und Personal von Außen beeinflusst wird.

Womit wir beim – aus Sicht mehrerer Vertreter der Leitungsebene – Bremischen Personalvertretungsgesetz wären. Dieses spricht Belegschaftsvertretern im öffentlichen Dienst eine „Allzuständigkeit“ zu; in dieser Form deutschlandweit einmalig. Dazu später mehr.   

Während privatwirtschaftliche Unternehmen sich fortlaufend mit Zielen und dem Schmieden von Zukunfts-Strategien beschäftigen, herrscht in einigen staatlichen Unternehmen zuweilen eher die Sicht vor: Was soll’s, notfalls gleicht ja der Senat unser Defizit aus. 

Die Aufnahme jährlicher Klausurtagungen in den Koalitionsvertrag hatte Hoffnungen genährt, dass die Landesregierung endlich zu unternehmerischen Werkzeugen greifen will. Bislang aber, gibt es nicht mehr als Ankündigungen.

Mal sehen, ob es der Senat im laufenden Jahr schafft, den Führungskräftezirkel zusammenzutrommeln. Vielleicht reicht es ja auch, zunächst Vorstände, Geschäftsführer und Amtsleiter (alle m/w) an einen Tisch zu holen. In dieser kleineren Runde könnte es (im besten Fall ) gelingen, die bislang fehlenden Visionen für das – in Wahrheit – ums Überleben kämpfende Land Bremen zu entwickeln.   

Nochmal zum einzigartigen Bremer Personalvertretungsgesetz: Laut Koalitionsvertrag will man darüber ebenfalls sprechen. Allerdings haben sich SPD, Grüne und LINKE bereits vorab geschworen, das nix daran geändert wird…

In der Vereinbarung heißt es:

„Die Koalition sieht in der Mitbestimmung der Personalräte einen wichtigen Faktor für die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Gemeinsam mit dem Gesamtpersonalrat und den Gewerkschaften werden wir erörtern, wo Mitbestimmungsprozesse in beiderseitigem Interesse gestrafft werden können. Das BremPersVG soll dabei unverändert bestehen bleiben.“

Ich vermute, einige Führungskräfte, die irgendwann doch noch zur „Klausur“ oder „Seminar“ eingeladen werden, müssen angesichts dieser Textpassage innere Schreikrämpfe unterdrücken…

Gespräche mit vorab feststehendem Ausgang – und zu diesem Thema ausgerechnet nur mit Gewerkschaftern – zu führen, sind so überflüssig wie ein Kropf.

Ganz unverhohlen: Solch ein blödsinniges Verfahren kann ich mir gerade noch in einem Dorfparlament vorstellen. Einer Landesregierung, die von Wählern m/w ernst genommen werden möchte, ist es jedoch zutiefst unwürdig.

Dass der Senat so scheuklappenmäßig vorgeht, deutet auf einen anderen, bedeutenden Misstand in der Bremer Landesregierung hin. 

Jeder gute (selbstbewusste) Firmenchef m/w verfügt über einen Beraterstab, dem nicht nur Ja-Sager, sondern auch mindestens ein Querdenker angehört – um scheinbar auf der Hand liegende Entscheidungen in Frage zu stellen. Könnte es sein, dass es daran im „Hause Bovenschulte“ hapert?

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Kann mir mal jemand erklären, weshalb bislang keine Oppositionspartei (CDU, FDP und BD) das Bremische Personalvertretungsgesetz auf den rechtlichen Prüfstand gestellt hat?