Bovenschultes Coup – Bausenatorin Ünsal, die Anti-Schaefer, kommt gut an

17.05.2024 6 Von Axel Schuller

Aktuell geben speziell die Oppositionsparteien Bewertungen des ersten Regierungsjahres der neuen/alten Bremer rot-grün-roten Koalition heraus. Die „ARGE* Freier Wohnbau“ hatte mich jüngst für ihre Verbandszeitschrift „Bauen in und um Bremen“ um einen Gastkommentar gebeten. Darin sollte ich das erste Regierungsjahr der aus Kiel importierten Bausenatorin Özlem Ünsal (SPD) bewerten. Diesen Text möchte ich Ihnen, liebe Blog-Leserschaft, nicht vorenthalten. Meinungen im Kommentarfeld sind willkommen! 

Das Stück handelt im wesentlichen – thematisch passend zum ARGE-Medium – von Ünsals Rolle beim Thema Bauen. Den „Verkehr“ hatte ich weitgehend ausgeklammert. Obwohl dazu eine Menge zu sagen wäre. Und: Auf diesem Feld muss sich die neue Ressortchefin erst noch behaupten. 

Nehmen Sie zum Beispiel das „Anwohnerparken“ im Hulsbergviertel. Das Klinikum Mitte soll um wesentliche Teile des zu schließenden Krankenhauses Links der Weser erweitert werden. Und damit um Unmengen an Verkehr. Viele Mitarbeiter m/w und Patienten werden das KBM mit dem Auto ansteuern. Das wird den Parkdruck in den angrenzenden Vierteln dramatisch erhöhen. Dort einfach „Anwohnerparken“ zu verordnen, wird die tausende zusätzlichen Pkw nicht in Luft auflösen.

Nun aber zum Gastkommentar für die Wohnungsbauer von der ARGE.  

———————————————————————  

Die Anti-Schaefer kommt gut an

Özlem Ünsal – mit dieser Personalie hatte Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD) im vorigen Frühsommer das „politische Bremen“ überrascht. Viele „Polit-Kaffeesatzleser“ waren sich so sicher gewesen: Falk Wagner, baupolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, werde „mit Sicherheit“ auf  Bausenatorin Dr. Maike Schaefer (Grüne) folgen, welche die Wähler – zum Glück – von der Senatsbühne verwiesenen hatten.

Wagner wurde’s nicht, der junge Mann (34) greift nach dem SPD-Landesvorsitz und später womöglich nach mehr. 

So kam eine gewisse Frau Ünsal aus Kiel zum Zug.

Bovenschulte tat damit nicht nur etwas für die Quote bei der Ämtervergabe, sondern er landete offenbar auch inhaltlich einen Coup – sofern die Sozialdemokratin denn so weiter macht, wie sie begonnen hat: kraftvoll.

Bovenschulte war übrigens schlau genug, der neuen Ressortchefin einen Kenner der Bremer Szene an die Seite zu stellen: Dr. Ralph Baumheier. Der Mann hatte lange Zeit im Bauressort gearbeitet und zuletzt direkt in Bovenschultes Regierungszentrale.

Das Gespann Ünsal/Baumheier verschafft sich seit vorigem Juni rasch Respekt. Die Kielerin fiel sofort durch ihre unkonventionelle Arbeitsweise auf. Damit hatte sie fast im Handstreich wichtige Kräfte der Wirtschaft auf ihrer Seite.

Man kann auch sagen: Viele, die den Kontakt zu Ünsals Vorgängerin Dr. Maike Schaefer (Grüne) auf das absolut Notwendige reduziert hatten, stellten erfreut fest: Die „Neue“ ist ja eine Art Anti-Schaefer: hört zu, undogmatisch, offen für Ratschläge von außen und mit einem Blick für das Wesentliche ausgestattet.

Ünsal war sehr rasch klar, was es bedeutet, in einem Haushalts-Notlageland Politik zu machen. Mit dem wenigen Geld möglichst viel für die Bevölkerungsmehrheit und für die Wirtschaft zu tun.

So wurde – endlich – die Sanierung der Bremer Weser-Brücken mit höchster Priorität versehen. Die von den Grünen versprochenen Fahrradbrücken liegen – wegen Geldmangels – zunächst auf Eis.

Das Gespann Senatorin/Staatsrat beendete auch sehr rasch die Dauerfehde zwischen den Behördenabteilungen „Stadtentwicklung“ und „Verkehrsplanung“, indem eine Koordinierungsstelle eingerichtet wurde. Planten früher beide Abteilungen des Ressorts munter vor sich hin, als würden sie ihre Kollegen nicht einmal kennen, erzwingt der Koordinator nun – mit senatorischem Segen – zum gemeinsamen Handeln.

Ünsal liegt viel daran, möglichst rasch bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Dabei stören aus ihrer Sicht – unter anderem – Bremens übertriebene Sonderregelungen für Neubauten („Bremer Standard“).

Es wird sich zeigen, ob sie über genügend Power verfügt, um teure – über das Bundesrecht hinausgehende – Forderungen an Neubauten auf ein vernünftiges, also mit anderen Ländern vergleichbares, Level abzusenken.

(Ergänzung des Original-Textes: Die Entschlackung der Landesbauordnung hat der Senat gerade beschlossen. Jetzt gilt es, die „Bremer Standards“ anzupacken, um die Bautätigkeit zu fördern.)

Özlem Ünsal ist dabei übrigens nicht allein auf weiter Flur. Auch in Niedersachsen und Hamburg will man die überzogenen Standards für Wärmedämmung, lärmgeschützte Balkone etc. reduzieren, damit mehr bezahlbarer Wohnraum entstehen kann.

Bremens Bausenatorin kann natürlich weder Zinsen noch Preise für Baumaterial senken. 

Aber sie kann die Rahmenbedingungen für Bauwillige verändern, ja deutlich verbessern. Die Branche stöhnt speziell in Bremen seit Jahren über die schleppende Bearbeitung von Bauanträgen durch die Behörde

Auf Staatsrat Ralph Baumheier kommt die Spezial-Aufgabe zu,  seine Chefin zu unterstützen – mit Kraft, Finesse und Überwindung des behördlichen Beharrungsvermögens

Das Ziel aller Behörden, und insbesondere jener, die fürs Bauen zuständig sind, muss lauten: Wir konzentrieren uns auf das Lösen von Problemen – und nicht mehr auf die – krampfhaft erscheinende – Suche nach ihnen.

Mitarbeiter bauender Ämter sollten verpflichtet werden, jene Seiten des Koalitionsvertrages unter die Schutzhüllen ihrer Schreibtische zu legen, auf denen die „deutliche Verkürzung der Verfahren“  versprochen wird. 

Es darf sich nicht wiederholen, was seit 2019 (!) dem Borgfelder Baumarkt-Unternehmer Jörg Viohl widerfährt. Ich würde es als behördliche Bau-Verhinderungs-Aktion bezeichnen. Wer 70 Wohnungen und neben einem überschaubaren, modernen Baumarkt lokale Einkaufsflächen schaffen will, muss unterstützt und nicht ausgebremst werden!  

Fazit: Die neue Ressortchefin und ihr „Copilot“ Baumheier haben noch mehr als genug zu tun.

Die Senatorin hat sich in ihrem ersten Bremer Jahr viele Sympathien durch ihr offenes und zupackendes Wesen erworben. Aber: Nach vier Jahren wird man sie an ihren Taten messen.

Ünsals Behörde ist nach 16jähriger Grüner „Regentschaft“ – freundlich formuliert – nicht im besten Zustand. 

Möge die Senatorin über ausreichend Kraft und Ausdauer verfügen, ihrem Apparat eine neue Denke zu vermitteln: Wir sind für die Bürger da – und nicht umgekehrt.“ 

———————————————————————–

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller 

*Der „ARGE Freier Wohnbau“ gehören an: Detlef Hegemann, nordbau, Asset, HO Immobilien, Parcbau, bautelier nord, Immogrund, Procon, Baugrund, Interhomes, Gebr. Rausch, Brebau, Kathmann, von Rahden, Bremische Volksbank, Koehnen, Sparkasse Bremen, buhlmann, M Projekt, Specht, Justus Grosse, Müller&Bremermann, Weser-Wohnbau, GWB, Niendorf, Zech.