Bovenschultes Coup – Bausenatorin Ünsal, die Anti-Schaefer, kommt gut an
Aktuell geben speziell die Oppositionsparteien Bewertungen des ersten Regierungsjahres der neuen/alten Bremer rot-grün-roten Koalition heraus. Die „ARGE* Freier Wohnbau“ hatte mich jüngst für ihre Verbandszeitschrift „Bauen in und um Bremen“ um einen Gastkommentar gebeten. Darin sollte ich das erste Regierungsjahr der aus Kiel importierten Bausenatorin Özlem Ünsal (SPD) bewerten. Diesen Text möchte ich Ihnen, liebe Blog-Leserschaft, nicht vorenthalten. Meinungen im Kommentarfeld sind willkommen!
Das Stück handelt im wesentlichen – thematisch passend zum ARGE-Medium – von Ünsals Rolle beim Thema Bauen. Den „Verkehr“ hatte ich weitgehend ausgeklammert. Obwohl dazu eine Menge zu sagen wäre. Und: Auf diesem Feld muss sich die neue Ressortchefin erst noch behaupten.
Nehmen Sie zum Beispiel das „Anwohnerparken“ im Hulsbergviertel. Das Klinikum Mitte soll um wesentliche Teile des zu schließenden Krankenhauses Links der Weser erweitert werden. Und damit um Unmengen an Verkehr. Viele Mitarbeiter m/w und Patienten werden das KBM mit dem Auto ansteuern. Das wird den Parkdruck in den angrenzenden Vierteln dramatisch erhöhen. Dort einfach „Anwohnerparken“ zu verordnen, wird die tausende zusätzlichen Pkw nicht in Luft auflösen.
Nun aber zum Gastkommentar für die Wohnungsbauer von der ARGE.
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Die Anti-Schaefer kommt gut an
„Özlem Ünsal – mit dieser Personalie hatte Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD) im vorigen Frühsommer das „politische Bremen“ überrascht. Viele „Polit-Kaffeesatzleser“ waren sich so sicher gewesen: Falk Wagner, baupolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, werde „mit Sicherheit“ auf Bausenatorin Dr. Maike Schaefer (Grüne) folgen, welche die Wähler – zum Glück – von der Senatsbühne verwiesenen hatten.
Wagner wurde’s nicht, der junge Mann (34) greift nach dem SPD-Landesvorsitz und später womöglich nach mehr.
So kam eine gewisse Frau Ünsal aus Kiel zum Zug.
Bovenschulte tat damit nicht nur etwas für die Quote bei der Ämtervergabe, sondern er landete offenbar auch inhaltlich einen Coup – sofern die Sozialdemokratin denn so weiter macht, wie sie begonnen hat: kraftvoll.
Bovenschulte war übrigens schlau genug, der neuen Ressortchefin einen Kenner der Bremer Szene an die Seite zu stellen: Dr. Ralph Baumheier. Der Mann hatte lange Zeit im Bauressort gearbeitet und zuletzt direkt in Bovenschultes Regierungszentrale.
Das Gespann Ünsal/Baumheier verschafft sich seit vorigem Juni rasch Respekt. Die Kielerin fiel sofort durch ihre unkonventionelle Arbeitsweise auf. Damit hatte sie fast im Handstreich wichtige Kräfte der Wirtschaft auf ihrer Seite.
Man kann auch sagen: Viele, die den Kontakt zu Ünsals Vorgängerin Dr. Maike Schaefer (Grüne) auf das absolut Notwendige reduziert hatten, stellten erfreut fest: Die „Neue“ ist ja eine Art Anti-Schaefer: hört zu, undogmatisch, offen für Ratschläge von außen und mit einem Blick für das Wesentliche ausgestattet.
Ünsal war sehr rasch klar, was es bedeutet, in einem Haushalts-Notlageland Politik zu machen. Mit dem wenigen Geld möglichst viel für die Bevölkerungsmehrheit und für die Wirtschaft zu tun.
So wurde – endlich – die Sanierung der Bremer Weser-Brücken mit höchster Priorität versehen. Die von den Grünen versprochenen Fahrradbrücken liegen – wegen Geldmangels – zunächst auf Eis.
Das Gespann Senatorin/Staatsrat beendete auch sehr rasch die Dauerfehde zwischen den Behördenabteilungen „Stadtentwicklung“ und „Verkehrsplanung“, indem eine Koordinierungsstelle eingerichtet wurde. Planten früher beide Abteilungen des Ressorts munter vor sich hin, als würden sie ihre Kollegen nicht einmal kennen, erzwingt der Koordinator nun – mit senatorischem Segen – zum gemeinsamen Handeln.
Ünsal liegt viel daran, möglichst rasch bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Dabei stören aus ihrer Sicht – unter anderem – Bremens übertriebene Sonderregelungen für Neubauten („Bremer Standard“).
Es wird sich zeigen, ob sie über genügend Power verfügt, um teure – über das Bundesrecht hinausgehende – Forderungen an Neubauten auf ein vernünftiges, also mit anderen Ländern vergleichbares, Level abzusenken.
(Ergänzung des Original-Textes: Die Entschlackung der Landesbauordnung hat der Senat gerade beschlossen. Jetzt gilt es, die „Bremer Standards“ anzupacken, um die Bautätigkeit zu fördern.)
Özlem Ünsal ist dabei übrigens nicht allein auf weiter Flur. Auch in Niedersachsen und Hamburg will man die überzogenen Standards für Wärmedämmung, lärmgeschützte Balkone etc. reduzieren, damit mehr bezahlbarer Wohnraum entstehen kann.
Bremens Bausenatorin kann natürlich weder Zinsen noch Preise für Baumaterial senken.
Aber sie kann die Rahmenbedingungen für Bauwillige verändern, ja deutlich verbessern. Die Branche stöhnt speziell in Bremen seit Jahren über die schleppende Bearbeitung von Bauanträgen durch die Behörde.
Auf Staatsrat Ralph Baumheier kommt die Spezial-Aufgabe zu, seine Chefin zu unterstützen – mit Kraft, Finesse und Überwindung des behördlichen Beharrungsvermögens.
Das Ziel aller Behörden, und insbesondere jener, die fürs Bauen zuständig sind, muss lauten: Wir konzentrieren uns auf das Lösen von Problemen – und nicht mehr auf die – krampfhaft erscheinende – Suche nach ihnen.
Mitarbeiter bauender Ämter sollten verpflichtet werden, jene Seiten des Koalitionsvertrages unter die Schutzhüllen ihrer Schreibtische zu legen, auf denen die „deutliche Verkürzung der Verfahren“ versprochen wird.
Es darf sich nicht wiederholen, was seit 2019 (!) dem Borgfelder Baumarkt-Unternehmer Jörg Viohl widerfährt. Ich würde es als behördliche Bau-Verhinderungs-Aktion bezeichnen. Wer 70 Wohnungen und neben einem überschaubaren, modernen Baumarkt lokale Einkaufsflächen schaffen will, muss unterstützt und nicht ausgebremst werden!
Fazit: Die neue Ressortchefin und ihr „Copilot“ Baumheier haben noch mehr als genug zu tun.
Die Senatorin hat sich in ihrem ersten Bremer Jahr viele Sympathien durch ihr offenes und zupackendes Wesen erworben. Aber: Nach vier Jahren wird man sie an ihren Taten messen.
Ünsals Behörde ist nach 16jähriger Grüner „Regentschaft“ – freundlich formuliert – nicht im besten Zustand.
Möge die Senatorin über ausreichend Kraft und Ausdauer verfügen, ihrem Apparat eine neue Denke zu vermitteln: Wir sind für die Bürger da – und nicht umgekehrt.“
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Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
*Der „ARGE Freier Wohnbau“ gehören an: Detlef Hegemann, nordbau, Asset, HO Immobilien, Parcbau, bautelier nord, Immogrund, Procon, Baugrund, Interhomes, Gebr. Rausch, Brebau, Kathmann, von Rahden, Bremische Volksbank, Koehnen, Sparkasse Bremen, buhlmann, M Projekt, Specht, Justus Grosse, Müller&Bremermann, Weser-Wohnbau, GWB, Niendorf, Zech.
Nach Schäfer konnte es ja wirklich nicht mehr schlechter werden. Doch ja, Frau Ünsal ist ein wirklicher Lichtbick. Ich wünsche ihr gutes Gelingen und immer genug Wind in den Segeln.
Donnerwetter! Was für ein ungewohntes Schuller-Lob! Schaun wir mal, ob sie auch die autofeindliche Verkehrspolitik bewältigt…
Frau Ünsal ist tatsächlich ein echter Glücksgriff für den aktuellen Senat. Wir als Unternehmerverband der privaten, mittelständischen, Inhaber geführten Wohnungswirtschaft haben sie als eine sehr kompetente und gesprächsbereite Gesprächspartnerin kennen gelernt. Ihr Terminkalender ist randvoll. Trotzdem hat sie sich die Zeit genommen, zum Hannover Forum zu kommen, um dort Grußworte zu sprechen die statt der üblichen Floskeln tatsächlich wirkliche Inhalte zu bieten hatten.
Ich denke, mit Frau Ünsal ist in Bremen zumindest im Bauressort eine echte Zeitenwende geglückt.
Hallo Axel Schuller, beim Lesen dieses Blogs und dem vielfältigen Lob, was Frau Ünsal durch die befragten Bauunternehmer zuteil wird, habe ich mich doch gefragt, ob auch jemand sich die Mühe gemacht hat, mal mit “normalen” Bremer Bürgern zu sprechen? Und wie deren Urteil wohl ausfallen würde? Ich bin kürzlich, vom Flughafen kommend, notgedrungen über den Osterdeich nach Hause gefahren und war schockiert, dass man dieser Torheit eines sogenannten Premium Fahrradweges weiter festhält. Nicht nur, dass es schon einen Fahrradweg gibt, nein, das Geld für Projekte ist so knapp wie nie! Aber in der Östlichen Vorstadt gehen die Grünen Baupläne weiter, als sei Frau Schaefer immer noch da, ein Hinterfragen findet auch jetzt nicht statt, obwohl die Mehrheit der Bürger gegen dieses Projekt war. Die Situation für Autofahrer auf dem Osterdeich als einer Hauptstraße zum Flughafen kann nur als absolutes Chaos bezeichnet werden! Und dass sich die “Kampfradler” durch diese Premiumriute davon abhalten lassen werden, nicht mehr den Weg entlang der Weser zu nehmen, steht nicht zu erwarten. Ein gleiches sollte ja mit der Premium Fahrradroute Am Wall gelingen, um die Wallanlagen zu entlasten, trotzdem fährt die Mehrzahl durch die Wallanlagen und der €1 Million teure Fahrradweg liegt einsam da.
Auch am Vorhaben, die 137 Platanen zu entfernen hält man weiter fest, obwohl es andere praktikable, und billigere Lösungen gäbe.
Den positiven Zuspruch von Bremens Bürgern wird sich Frau Ünsal wohl erst noch verdienen müssen. Wie wäre es denn damit, die Anstrengungen der Bürgerinitiativen für verschiedene Projekte ernst zu nehmen, statt sie durch juristische Winkelzüge auszuhebeln?
Es stimmt: Frau Ünsal hört zu. Nun kommt es darauf an, ob sie die vielfach geäußerten Bedenken der .Bevölkerung gegen Bauprojekte, u.a. auch die der Nordbremer, berücksichtigt und auch das Umweltressort und die Stadtplaner in ihre Entscheidungen einbezieht. Ad-hoc-Entscheidungen, die ihre Vorgängerin im Alleingang getroffen hat, sollte sie vermeiden. Unternehmerinteressen und Bürgerwünsche sollten unbeeinflusst gegeneinander abgewogen werden. Nur so wird sie Wählerschaft überzeugen können .
Ich muss meinen Kommentar zu den Kosten des Fahrradweges Am Wall korrigieren. Hörte sich €1 Million schon unverschämt teuer an, so wurde ich doch mehrfach darauf hingewiesen (danke Fact-Checker!) dass es tatsächlich €3 Millionen sind.
Hier ein Auszug von BuB:
Die Fahrrad-Premiumroute entlang der Bremer Wallanlagen wird für die Stadt wesentlich teurer als geplant. Statt 400.000 Euro muss Bremen nun gut drei Millionen Euro selbst finanzieren. Das geht aus einer Vorlage für die Sitzung des Senats am Dienstag hervor, die buten un binnen vorliegt.1 Mar 2023