Ist die BSAG so wichtig, wie gesagt wird? / Einspar-Potenzial von 40 Millionen Euro?
Die Bremer Straßenbahn AG ist aktuell in aller Politiker-Munde. Erstens, weil das Unternehmen die „Verkehrswende“ wuppen soll. Und zweitens, weil sie in 2024 Steuergelder in Höhe von mindestens 115 Millionen Euro benötigt, um nicht pleite zu gehen. Von der Verkehrswende ist das städtische Unternehmen mit einem Verkehrsanteil in der Stadt von gerade mal 15 Prozent meilenweit entfernt. Und auf dem Feld der Produktivität ist die BSAG um Längen schlechter als beispielsweise die hannoversche ÜSTRA.
Politiker aller Couleur reden alle Nase lang von der Verkehrswende, für welche die BSAG eine entscheidende Rolle spiele. Die TU Dresden analysiert alle drei Jahre den sogenannten Modal Split deutscher Großstädte. In Bremen schaffen die 232 Busse und 121 Straßenbahnen gerade mal einen Anteil von 15 Prozent am Verkehr. Das bedeutet: Bremer legen täglich lediglich 15 Prozent all ihrer „Wege“ in der Stadt per BSAG zurück. 25 Prozent sind Radfahrer, ebenfalls 25 Prozent bewegen sich in der Stadt als Fußgänger fort und 36 Prozent fahren mit dem Auto.
Betrachtet man diese Zahlen – die nächsten werden erst 2025 veröffentlicht – wundert man sich, welche zentrale Rolle der BSAG eingeräumt wird: Verkehrsraum wird durch Schienen blockiert, Vorrang-Steuerung an Ampeln, BSAG als wichtigster Teil der Verkehrswende.
Der CDU-Haushaltspolitiker Jens Eckhoff hatte Anfang April während seiner Pressekonferenz zum Etat-Entwurf des Senats darauf hingewiesen, dass die ÜSTRA (Überlandwerke und Straßenbahn) in Hannover effizienter arbeite.
Zahlen, welche der engagierte Christdemokrat und frühere Geschäftsführer von Eduscho, Kay Middendorf, beim Vergleich der Bilanzen 2022 beider Unternehmen zusammengestellt hat, belegen deutliche Unterschiede zwischen BSAG und ÜSTRA.
By the Way: In Hannover haben vor dem jetzigen Grünen Oberbürgermeister stets Sozialdemokraten den Rathauschef gestellt.
Die ÜSTRA beförderte 2022 142 Millionen Fahrgäste, die BSAG hingegen nur 91 Millionen. Die ÜSTRA benötigte dafür 2.344 Mitarbeiter, die BSAG fast genauso viel, nämlich 2.277.
Die hannoverschen Verkehrsbetriebe wiesen am Jahresende ein Defizit von 48 Millionen Euro auf, die BSAG kam bereits 2022 auf 71 Millionen. Weitere Vergleiche: Die BSAG erwirtschaftete pro Fahrgast einen Verlust von 78 Cent, die ÜSTRA jedoch nur von 33 Cent. Ein Mitarbeiter der BSAG legte pro Jahr 9.177 km zurück, bei der ÜSTRA waren es 18.003 Km.
Nachdem der alte Senat die BSAG-Finanzplanung für 2024 inkl. einem Defizitausgleich von 125 Millionen Euro abgesegnet hatte, drängt der aktuelle Senat aufs Sparen. So muss das Unternehmen im laufenden Jahr noch zehn Millionen Euro zusammenkratzen.
„Spar-“Beispiel für das Jahr 2025: So verschiebt die BSAG die Dachsanierung einer Werkstatt und verzichtet auf eine Solar-Anlage (2 Mio.). Ferner hofft der Vorstand auf eine Erhöhung der Fahrscheinpreise um 1 Million Euro. Der Einstieg ab 20 Uhr nur noch Vorne soll 300.000 Euro einbringen, weil weniger schwarzgefahren werde. Die Vorverkaufsstellen müssen aufgrund einer geringeren Provision für den Fahrkartenverkauf 150.000 Euro beisteuern. Intensivere Fahrscheinkontrollen werden mit plus 150.000 Euro kalkuliert. Und eine effizientere Dienstplangestaltung könnte 40.000-130.000 Euro einsparen.
Das große, Geld-sparende Thema, Outsourcing von Arbeit, packt die BSAG in ihren „Spar-Vorhaben“ nicht an. Bislang beschäftigt das Unternehmen für nahezu alle Arbeiten eigenes Personal.
Bis jetzt hat kein Aufsichtsrat und kein Vorstand an dem Prinzip gerüttelt.
Angesichts immer größerer Geldnot des Landes Bremen könnte sich dies ändern.
In den Aufsichtsräten hat das Thema Effizienz bislang kaum eine Rolle gespielt. Dabei würde es vermutlich einen Batzen Geld sparen, indem die Werkstattarbeiten – zumindest teilweise – ausgelagert würden. Man denke nur an die vielen Reifen der Busflotte.
Der neue Aufsichtsratsvorsitzende, Verkehrsstaatsrat Dr. Ralph Baumheier, drängt den BSAG-Vorstand aktuell zum Sparen. Der Vorstand arbeitet an einem „Stabilisierungprogramm“. Projektteams müssen Einsparpotenziale aufzeigen und diese abstufen nach: „niedriger, mittlerer und hoher Wahrscheinlichkeit der Umsetzung“. Auf diese Weise will die BSAG das für 2024 geplante Defizit in Höhe von 125 Millionen auf 114, 9 Millionen Euro absenken. 2026 war mit dem alten Aufsichtsrat ein Defizit von 126,9 Millionen Euro abgesprochen. Dieses soll nun auf 115 Millionen fallen.
Ob dies – und mehr – gelingt, wird davon abhängen, ob das Unternehmen dafür die Kraft aufbringt. Insbesondere, ob der Aufsichtsrat künftig mehr auf Ökonomie als auf Ökologie setzt.
Womit wir beim Aufsichtsrat wären: Im gehören an: Als Vorsitzender Dr. Ralph Baumheier, der an die Stelle von Ex-Verkehrssenatorin Dr. Maike Schaefer (Grüne) gerückt ist. Schaefer sagt man nach, sie habe die BSAG als „Trümmerhaufen“ hinterlassen. Neben Baumheier gehören am AR u.a. an: Die Landesfrauenbeauftragte Bettina Wilhelm, Susanne Holsten aus der Senatskanzlei, die ehemalige Finanzsenatorin Karoline Linnert, der Chef der Senatskanzlei Thomas Ehmke, Dr. Dirk Kühling aus dem Wirtschaftsressort sowie Verdi-Bezirks-GF Markus Westermann und Dr. Torsten Ebert (Berater für Energie- und Verkehrswirtschaft.
Kommen wir zurück zur Analyse von Kay Middendorf, jenem Mann, der bei Eduscho und Tchibo hinreichend wirtschaftliche Expertise gesammelt hat. Nach seinem Blick in die Bilanzen verfügt die BSAG – nur im Vergleich zur ÜSTRA – über ein Einsparpotenzial von 40,9 Millionen Euro. Dies setzt allerdings auch das Outsourcen von Tätigkeiten voraus. Auch die alten Grünen-Pläne, wie das komplette Umstellen der Diesel– auf die erheblich teureren Elektrobusse, müssen wohl reduziert werden.
Der Senat ist in einer schwierigen Situation: Die Steuern sinken, die Ausgaben steigen weiter. Da kommen der Regierung enorm hohe Verluste städtischer Unternehmen wie BSAG oder GeNo brutal in die Quere.
An sich eine gute Gelegenheit, darüber nachzudenken, ob man Leistungen anders, also billiger erbringen kann.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
Die BSAG ist über einen heiklen politischen Kontrakt über Jahre konkurrenzlos. Braucht also keinerlei Wettbewerb zu fürchten. Wettbewerb führt zu besseren Leistung bei sinkenden Kosten.
Es gibt auch andere Unternehmen, die Nahverkehr können und wollen. Da wäre die Weser-Ems Busverkehr GmbH und andere, die sicher sofort übernehmen könnten.
Die BSAG jedoch sitzt wie die Made im Speck und muss – dank politischer Führung – um nichts fürchten.
Das führt sogar dazu, dass bei akutem Personalmangel nicht etwa nur Fahrer eingekauft werden, sondern nur ausschließlich Fahrer inkl. Bus.
Kein „fremder“Fahrer darf BSAG Busse bewegen. Die eigenen Fahrzeuge stehen kalt auf dem Hof und kosten weiter während Ergänzungsfahrer umliegender Busbetriebe mit Fahrzeug bezahlt werden müssen. Wer es nicht glaubt kann es in der PM nachlesen.
https://www.weser-kurier.de/bremen/stadtteil-huchting/personalmangel-bremer-strassenbahn-ag-laesst-subunternehmer-fahren-doc7v4j7f7kitvl46bi32d
Vielleicht würde die öffentliche EU-weite Ausschreibung unseres Nahverkehrs zu neuen und erstaunlichen Einsichten verhelfen.
Ich will mal Spoilern: Die Wettbewerber der BSAG können besser und günstiger.
Solange Nahverkehr mit Steuergeld bezahlt wird MUSS er, wie JEDE ANDERE Lieferung/Leistung, gem VOL (Verdingungsordnung für Leistungen) regelmäßig öffentlich frei und EU-weit ausgeschrieben werden.
Björn Tuchscherer ist zuzustimmen. Es ist seit langem geboten, den öffentlichen Personennahverkehr neu auszurichten. Hierzu gehörten die erwähnten EU-weiten Ausschreibungen insbesondere der Busverkehre, die Trennung von Bahnstrecke (Infrastruktur) vom Bahnverkehr, so dass hierfür sowohl Infrastruktur-Investoren als auch private Straßenbahnen-Vermieter zum „Zuge“ kommen können. Das wäre eine zukunftsweisende Transformation, um die eingefahrenen Gleise durch ein Neues Denken auf eine wirtschaftlichere Basis zu stellen. Und wichtiger noch, von den Bedürfnissen der Kunden her zu denken und diese zu bedienen..