Ein Bürgermeister auf der Flucht vor der rauen Bremer Wirklichkeit?

27.05.2024 4 Von Axel Schuller

Was ist mit Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD) los? Der Mann postet sich in sozialen Netzwerken schier die Finger wund. Aber dabei geht es (fast) nie um die wichtigsten Bremer Problem-Themen, sondern beispielsweise um Einkommensentwicklung der Reichen, die aus seiner Sicht geringe Steuerlast von Firmen und angeblich niedrige Strompreise. Stets schreibt da ein offensichtlich überzeugter, aber unter der Realität leidender Alt-Linker. Auch wenn er sich der Wählerschaft gern als der bürgerliche Versteher aus dem Rathaus präsentiert.

Bevor jetzt ein Schlaumeier anmerkt: Na, vor seinen Posts bei X oder LinkedIn steht zwar Bovenschulte. Aber das schreiben doch bestimmt andere für ihn. Falsch! Unter „Andreas Bovernschulte“ greift nur einer, nämlich der Regierungschef himself, in die Tasten. Sobald „Bürgermeister“ oder „Senatskanzlei“ als Absender auftreten, war sein Stab aktiv.

Heute abend treten die Spitzenvertreter von SPD, Grünen und LINKEN zum Koalitionsausschuss zusammen. Auf der Tagesordnung stehen Regularien wie Grundsätze zur Aufstellung des Haushaltes 2025. Und, der Kollege Theiner hat im WK bereits kopfschüttelnd darauf hingewiesen, Bremens Haltung zur Bezahlkarte für Migranten und Asylbewerber. Die notleidende Bildung, die ungenügende Sicherheit für die Bevölkerung und die Zunahme immer größerer finanzieller Löcher unseres Ländchens – geschenkt, wird heute ausgeblendet.

Das Thema „Bezahlkarte“ verfügt seit Monaten über koalitionsinternen Sprengstoff. Viele Sozialdemokraten unterstützen den Beschluss aller Ministerpräsidenten und des Kanzlers, den Anreiz für eine ungebremste Zuwanderung via Bezahlkarte zu steuern. 

Aber die LINKEN machen massiv Front dagegen. Sie vertreten die aberwitzige Meinung, Bezahlkarte ja, aber man müsse sich die gesamte Summe auszahlen lassen können. Die LINKE Fraktionschefin Sofia Leonidakis setzt bei diesem Thema gerne auf die sprachliche Vollverschleierung, wenn sie fordert, die Karte müsse „barrierefrei“ (also auszahlbar) sein.

Bovenschulte denkt ausweislich seiner Zustimmung in der Ministerpräsidenten-Runde anders darüber. Aber statt öffentlich seine Meinung zu sagen und dafür einzustehen, taktiert er herum, verbiegt sich Weiden-gleich und redet sich mit dem schwächsten aller „Argumente“ heraus. Den allgemeinen Regeln von Koalitionen, wonach sich alle enthalten, wenn einer der Partner Einspruch einlegt.

So beim Thema Flüchtlinge mehrfach im Bundesrat geschehen. 

Bovenschulte ist zwar (in dem Job notwendig) ein Machtmensch, aber den LINKEN gegenüber ein Softie.

Ich frage mich bereits länger: Warum lässt dieser – ja nun wirklich nicht dumme – Mensch es zu, dass ihn die LINKEN wie einen Tanzbären durch die Senatsmanege ziehen?

Weshalb hat Bovenschulte gegenüber den LINKEN solche Beißhemmungen? Schließlich hatten die Grünen nach der Wahl  Bovenschultes brutale Härte kennengelernt, als er den Ökos das Bau- und Verkehrsressort weggenommen hatte. Wenn er will, kann er also.  

Wie also ist sein Kuschelkurs den Linken gegenüber zu erklären.

Je länger ich Bovenschultes viele Posts bei X und LinkedIn auf mich wirken lassen, umso eindeutiger wird die Sicht.

Bremens Bürgermeister ist durch und durch ein Linker, der es versteht, sich Firmenchefs und Wählern gegenüber zu verstellen. Der Mann genießt ja in bürgerlichen Kreisen durchaus Ansehen. Sei es dank seiner verständigen Art in der Gesprächsführung oder durch sein kumpelhaftes Auftreten. Sei es durch seinen Termin-Marathon, bei dem er alle, wirklich alle Institutionen, Vereine und Firmen beglückt. Kein Festakt ohne den Bürgermeister.

Allein die Tatsache, dass auch Nicht-Sozis von „Bovi“ sprechen, lässt auf seine Akzeptanz in Bremen schlleßen.

Dennoch denke ich: Der Mann ist ein anderer als er vielen erscheint. Schauen Sie sich seine Posts u.a. bei LinkedIn an. Die Strompreise sind demnach angeblich gar nicht so hoch, der Anteil der Rentenkosten am Bruttoinlandsprodukt seien gar nicht gestiegen. Manchmal fabriziert er aus seinem linken Kämmerchen auch klassische Eigentore.

Ein Beispiel: „In der jedes Sozialismus unverdächtigen Schweiz tragen Unternehmenssteuern 15 % und Vermögenssteuern 7% zum Gesamtsteueraufkommen bei. In Deutschland sind es nur 10% bzw. 0%.“

Mag sein, aber bei uns kommen höhere Einkommenssteuern, die höhere Mehrwertsteuer dazu. Unterm Strich ist die deutsche Steuerlast deutlich höher

Jüngst veröffentlichte  Bovenschulte einen – sagen wir mal – seltsam anmutenden Post: „2005 machten die Rundfunkgebühren noch 0,31% des Bruttoinlandsproduktes aus, heute sind es nur noch 0,22%. Da lassen wir uns als Gesellschaft die Subventionierung von Flugbenzin mehr kosten als den gesamten ÖRR.“

Hä, was soll das denn jetzt? Will er sich den ÖRR-Redaktionen an die Brust schmeißen? Ein Teil der Bevölkerung motzt doch nicht über die tatsächliche Gebührenhöhe, sondern kritisiert die Moloch-artigen Ausmaße der öffentlich-rechtlichen Anstalten, die Zwangsgebühr sowie über die teilweise als einseitig empfundene “Berichterstattung”. 

Es kommt mir so vor, als wolle Bremens Bürgermeister allmählich aus der rauen Bremer Wirklichkeit entfliehen, indem er sich mit Unmengen Statistiken beschäftigt, die sein linkes Weltbild stützen.

Ich fürchte jedoch, Herr Bürgermeister, mit dieser Haltung ist Bremen nicht zu retten – damit kann man sich allenfalls selbst beduppen. Oder aber sich für andere Jobs “empfehlen”.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller