„Voll daneben“ – Bremens neue Werbekampagne / Lässt sich die City mit solchen Sprüchen retten?
Haben Sie es auch gelesen? Bremens „Projektbüro Innenstadt“ um Carl Zillich, das die City aufpeppen soll, macht auf intellektuell. Die „Werbe“-Kampagne enthält Sprüche wie „Voll daneben“ und „Zappenduster“. Achtung: Die Initiatoren wollen hintersinnig sein, das genaue Gegenteil dessen ausdrücken, was zu lesen ist. Na, da ergänze ich doch mal hintersinnig: „Rolex – her damit“, „Betteln – aber klar“, oder „Messer – aber immer“. Achtung: Alles natürlich doppeldeutig gemeint. Siehe unten.
Bei soviel Intellektualität kann sich die Wirtschaftsförderung mit ihrem bieder-freundlichen „Mein Bremen ist echt“ gehackt legen.
Außenstehende könnten glatt den Eindruck haben, die zwei städtischen Kampagnen – vom Projektbüro Innenstadt (Rathaus) und WFB (Wirtschaftsressort) – seien nicht aufeinander abgestimmt. Ach, was sage ich da bloß wieder…
Die Innenstadt-Entwickler müssen über ihre bisherigen „Erfolge“ so verzweifelt sein, dass sie jetzt zu sehr „mutigen“ Werbe-Methoden greifen. Eine schneidige Agentur, ein 500.000 Euro-Etat – und los geht’s: doppelsinnig, hintersinnig, intellektuell. So spricht man heute Großstädter an. Oder vllt. doch nicht?
Bremer haben wie alle Menschen Grundbedürfnisse. Sie wünschen sich Sicherheit, Arbeit, bezahlbare Wohnungen, gute Schulen, Gesundheit und eine florierende Wirtschaft (tut auch den Sozialkassen gut).
Zur Bremer Innenstadt. Touristen kann man mit unserer wunderbaren Historie meist „einwickeln“. Gut betuchte Einkäufer aus anderen Städten lassen sich damit nicht mehr beeindrucken. Die sind früher hergekommen, auch um etwas Besonderes – luxuriöse, witzige, ungewöhnliche Waren – zu kaufen.
Diese wichtige Kundschaft bleibt zunehmend weg. Fährt lieber nach Hamburg, Oldenburg oder auch zu Dodenhof mit seinen Luxus-Abteilungen.
Woran liegt das?
Bremen pocht unverständlicherweise darauf, dass sich Menschen von Außerhalb ihren Aufenthalt in der Hansestadt erst einmal regelrecht „verdienen“ müssen. Sei es, durch Überwindung einer autofeindlichen Verkehrspolitik; sei es durch die Brutalo-Challenge, am Bahnhof einen Bettler-Drogen-Ring zu durchbrechen; sei es durch das „Hinnehmen“ einer zunehmend verdreckenden Stadt.
Wer sich von dieser (für eine florierende City unbedingt notwendigen) besser gestellten Kundschaft trotz allem nicht „abwehren“ ließ, traf und trifft bei uns auf eine sterbende Konsum-Landschaft.
Sie halten das für übertrieben?
Dann schauen Sie mal, wer im Laufe der Jahre die Segel gestrichen hat.
Roland Moden, Dörrbecker Schreibwaren, Leisyffer, Juwelier Grüttert, L’Uomo, Timberland, Gold&Form Fedelhören, Meinecke Schuhe, Iselin Crass (Dessous), Buchhandlung Geist, Zimmermann am Wall, Peter Horn HiFi, Grashoff, Storm Bücher, Kiefert Bahnhofstraße, Herrenausstatter William, Buchhandlung Geist, usw.
Der Verlust namhafter Geschäfte wirkt auf qualitätsbewusste Käufer – sie bleiben weg. Auch eine Folge: Selbst ein über Jahrzehnte von Loriot und Besserverdienenden angesteuertes Top-Lokal wie „Grashoff“ musste schließen.
Die WFB um Marketinchef Oliver Rau will mit ihrer rührend-freundlichen Kampagne „Mein Bremen ist echt“ Bewohner zu Botschaftern der immer noch schönen Stadt machen.
Die Hansestadt verfügt unbestritten über Vorzüge wie Übersichtlichkeit mit Großstadtangebot, viel Grün, radfahr-freundliches Umland, mehr High-Tech-Firmen und Weltmarktführer als viele Bremer wissen, Fußball-Bundesligisten, Tanz-Weltmeister, überwiegend freundliche Bewohner und, nicht zu vergessen: großzügige Mäzene.
Aber Bremen hat auch politische, strukturelle und finanzielle Probleme.
Senat und Bürgerschaft beschäftigen sich mit der EU-Politik (Haha) oder noch lieber mit Klein-Klein, verlieren das Wichtige und das große Ganze aus dem Blick. Eine Vision für Bremen – Fehlanzeige.
In Flächenländern (mit deutlich größerer Qualitätsauswahl) hätten einige Politiker m/w vermutlich kaum eine Chance, in Landtag oder Landesregierung zu landen.
Und dann der Schlendrian in der Stadt. Mittelmaß wird wie Gott-gegeben hingenommen. Missstände ebenso. Die öffentliche Verwaltung kann über Jahre rummurksen – ja, ein bisschen Verärgerung. Das war’s aber auch. Geld fehlt an allen Ecken und Enden. Aber statt erfinderisch zu sein, verfallen viele in Lethargie. Das Geld wird schon irgendwo her kommen. Der Bund wird’s schon richten.
Meine Hoffnung ist inzwischen, dass der Bund einen Sparkommissar an die Weser entsendet.
Noch ein paar Gedanken zur Innenstadt: Die ist inzwischen Anziehungsort für junge unbegleitete Flüchtlinge (mit nicht immer guten Vorsätzen). Jung-Gangster beherrschen Teile der Innenstadt, des Viertels und den Hillmannplatz.
Überfälle am helllichten Tag, sind bald täglicher Bestandteil des Polizei-Presseberichts. Eine Rolex am Handgelenk wird als Einladung zum Überfall missverstanden. Goldketten am Hals – besser nicht. Klappmesser gehören für einige zur Grundausstattung.
Vor diesem Hintergrund erscheint Carl Zillichs neuer Werbeansatz – doppeldeutig herausfordernd – „mutig“. Die 500.000 Euro werden mit leichter Hand ausgegeben – die stammen ja vom Bund…
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
Auflösung: „Rolex – her damit“ hat natürlich nix mit Kriminellen zu tun. Sondern ist die Aufforderung an Gutbetuchte, so ein feines Teil zu kaufen. „Betteln – aber klar“ ist keine Diskriminierung der unzähligen Bettler, sondern weist bloß darauf hin, dass das Land beim „Erbetteln“ mannigfacher Bundeshilfen geübt ist. Und „Messer – aber immer“ ist natürlich kein Hinweis auf Jung-Gangster. Sondern die Aufforderung, sich in unserer schönen Stadt mal ein besonders edles Messer für die Küche zuzulegen.
Lieber Axel Schuller ! Allmählich wird man müde, immer wieder auf die vielfältigen Missstände in dieser Stadt hinzuweisen. Es ändert sich solange nichts, solange die „Bremer“ (völlig unverständlich) die marode SPD mit den ideologisch verirrten Koalitionspartnern wählen,die ja diesen Senat und den Bürgermeister (der im Bundesrat auch nur Kopfschütteln verursacht) immer wieder ausbremsen.
Ich schäme mich zu sagen, dass ich aus Bremen komme. Ich bin zur Zeit am Bodensee im (K-Urlaub) und muss mir von vielen Kurgästen so manchen sehr kritischen Kommentar zu Bremen anhören. Besonders die Gäste aus Baden-Württemberg und Bayern beklagen (zu Recht ?) den völlig unrealistischen Länderfinanzausgleich ! Die von mir favorisierte Gründung eines Nordstaates (mit der Aufgabe der Eigenständigkeit Bremens !) sollte ernsthaft geprüft werden.
Axel Schuller, uneingeschränkte Zustimmung!
Keine große Sache, aber dennoch bezeichnend für Bremen: Ein Familienmitglied bekam im April einen Brief vom Bürgeramt, im Juli sei ein neuer Personalausweis fällig. Was für ein Service, dachten wir! Schwuppdiwupp auf die Homepage des Bürgeramtes gegangen und einen Termin gesucht. Bei ca. 2 Monaten Vorlauf sollte ein rechtzeitiger Termin zur Beschaffung eines neuen Personalausweises kein Problem sein. Wird sich das Bürgeramt bei Versendung seines Schreibens auch gedacht haben. Weit gefehlt: Der erste freie Termin wird Anfang September angeboten, also mit einem Vorlauf von 4 Monaten. 3 km von uns entfernt, in Lilienthal geht man für einen solchen Verwaltungsakt einfach direkt ohne Voranmeldung zur Gemeindeverwaltung wie einstmals in Horn-Lehe auch, als es dort noch eine in Reichweite befindliche Verwaltung gab.
Wie gesagt, kein großes Ding, aber symbolisch für den Schlendrian und das Laissez-Faire Bremens. Aus Bremen wegzuziehen bietet sich nicht nur wegen niedrigerer Immobilienpreise an, sondern ist auch eine Flucht vor einem miserabel verwalteten Gemeinwesen. Wie Herrn Detken ist es mir schon seit längerem peinlich zu gestehen, dass ich aus dem „failed State“ Bremen komme.
Wie geistreich dieser Blog ist, erkennt der Leser bereits daran, dass die Buchhandlung Geist gleich 2 Mal die Segel gestrichen hat. Wirklich schade ist aber, dass auch Leysieffer verschwunden ist, und nun -quasi posthum- auch noch zu Leisyffer mutiert ist.
Vielleicht liegt das aber auch daran, dass Bremen -laut Weser-Kurier, der den Imbisstester „Holle21614“ zu Wort kommen liess- Döner-technisch sogar vor Hamburg liegt. Bremen ist also mehr Döner- als Leysiefferland.
@Herrn Wenk: Ob man den Geistreichtum eines Blogs an einer solchen versehentlichen Doppelung erkennen kann? Weder den noch sein Gegenteil, würde ich meinen!
Merke: Wenn das Produkt einfach nicht gut ist, kann auch eine »freche« Werbekampagne nicht mehr viel retten. Weil: Die Zielgruppen merken schnell, dass mit dem Produkt etwas nicht stimmt und es einfach nicht gut ist. Bereits das Wording der Überschrift »Neuer Schwung durch FRECHE SLOGANS? Wie die City VORWÄRTSKOMMEN soll« des WK-Artikels zeigt, dass man in Bremen in der Reklamezeit stecken geblieben ist – und nicht verstanden hat, worin die Aufgabe von ganzheitlich angelegten Kommunikatonskonzepten liegen würde. Passt ins Gesamtbild dieser Stadt: Man verharrt irgendwo in den Denkweisen der Siebzigerjahre. Da nutzt auch eine »ungewöhnliche Kampagne« nichts, aber das »Projektbüro Innenstadt« hat sich wenigstens NACH KRÄFTEN BEMÜHT.
Ich war als Kind Hamburger. 1958 zog meine Familie nach Bremen. Im August 1968 habe ich als junger Mitarbeiter der Bremer Nachrichten Wilhelm Kaisen die Sonderausgabe zum 225 jährigem Jubiläum der BN im Rathaus in die Hand gedrückt. 1975 bezog ich ein eigenes Haus in Stuhr.
Auch dort kann man im Bürgeramt ohne Voranmeldung innerhalb von Minuten sein Auto anmelden oder den Antrag auf einen neuen Pass oder Personalausweis stellen.
Bremen ist mittlerweile ein trostloses Nest; von Bürgernähe meilenweit entfernt. Es ist einfacher,
die verbliebenen Innenstadtgeschäfte aufzuzählen. Da fällt mir neben der „bankrotten“ Galeria
nur noch Ansons , P & C, Stiesing, Wempe und Juwelier Meyer ein…. Und der übliche Einheitsbrei.
Als Umlandbewohner benutze ich gerne mein Auto. Da Bremer Politik Autofahrer aber bewusst ausbremst, ist die City für mich leider keinen Besuch mehr wert