“Voll daneben” – Bremens neue Werbekampagne / Lässt sich die City mit solchen Sprüchen retten?

02.06.2024 7 Von Axel Schuller

Haben Sie es auch gelesen? Bremens „Projektbüro Innenstadt“ um Carl Zillich, das die City aufpeppen soll, macht auf intellektuell. Die „Werbe“-Kampagne enthält Sprüche wie „Voll daneben“ und „Zappenduster“. Achtung: Die Initiatoren wollen  hintersinnig sein, das genaue Gegenteil dessen ausdrücken, was zu lesen ist. Na, da ergänze ich doch mal hintersinnig: „Rolex – her damit“, „Betteln – aber klar“, oder „Messer – aber immer“. Achtung: Alles natürlich doppeldeutig gemeint. Siehe unten.

Bei soviel Intellektualität kann sich die Wirtschaftsförderung mit ihrem bieder-freundlichen „Mein Bremen ist echt“ gehackt legen.

Außenstehende könnten glatt den Eindruck haben, die zwei städtischen Kampagnen – vom Projektbüro Innenstadt (Rathaus) und WFB (Wirtschaftsressort) – seien nicht aufeinander abgestimmt. Ach, was sage ich da bloß wieder… 

Die Innenstadt-Entwickler müssen über ihre bisherigen „Erfolge“ so verzweifelt sein, dass sie jetzt zu sehr „mutigen“ Werbe-Methoden greifen. Eine schneidige Agentur, ein 500.000 Euro-Etat – und los geht’s: doppelsinnig, hintersinnig, intellektuell. So spricht man heute Großstädter an. Oder vllt. doch nicht? 

Bremer haben wie alle Menschen Grundbedürfnisse. Sie wünschen sich Sicherheit, Arbeit, bezahlbare Wohnungen, gute Schulen, Gesundheit und eine florierende Wirtschaft (tut auch den Sozialkassen gut).

Zur Bremer Innenstadt. Touristen kann man mit unserer wunderbaren Historie meist „einwickeln“. Gut betuchte Einkäufer aus anderen Städten lassen sich damit nicht mehr beeindrucken. Die sind früher hergekommen, auch um etwas Besonderes – luxuriöse, witzige, ungewöhnliche Waren – zu kaufen.

Diese wichtige Kundschaft bleibt zunehmend weg. Fährt lieber nach Hamburg, Oldenburg oder auch zu Dodenhof mit seinen Luxus-Abteilungen. 

Woran liegt das?

Bremen pocht unverständlicherweise darauf, dass sich Menschen von Außerhalb ihren Aufenthalt in der Hansestadt erst einmal regelrecht „verdienen“ müssen. Sei es, durch Überwindung einer autofeindlichen Verkehrspolitik; sei es durch die Brutalo-Challenge, am Bahnhof einen Bettler-Drogen-Ring zu durchbrechen; sei es durch das „Hinnehmen“ einer zunehmend verdreckenden Stadt. 

Wer sich von dieser (für eine florierende City unbedingt notwendigen) besser gestellten Kundschaft trotz allem nicht „abwehren“ ließ, traf und trifft bei uns auf eine sterbende Konsum-Landschaft.

Sie halten das für übertrieben?

Dann schauen Sie mal, wer im Laufe der Jahre die Segel gestrichen hat.

Roland Moden, Dörrbecker Schreibwaren, Leisyffer, Juwelier Grüttert, L’Uomo, Timberland, Gold&Form Fedelhören, Meinecke Schuhe, Iselin Crass (Dessous), Buchhandlung Geist, Zimmermann am Wall, Peter Horn HiFi, Grashoff, Storm Bücher, Kiefert Bahnhofstraße, Herrenausstatter William, Buchhandlung Geist, usw.

Der Verlust namhafter Geschäfte wirkt auf qualitätsbewusste Käufer – sie bleiben weg. Auch eine Folge: Selbst ein über Jahrzehnte von Loriot und Besserverdienenden angesteuertes Top-Lokal wie „Grashoff“ musste schließen.

Die WFB um Marketinchef Oliver Rau will mit ihrer rührend-freundlichen Kampagne „Mein Bremen ist echt“ Bewohner zu Botschaftern der immer noch schönen Stadt machen. 

Die Hansestadt verfügt unbestritten über Vorzüge wie Übersichtlichkeit mit Großstadtangebot, viel Grün, radfahr-freundliches Umland, mehr High-Tech-Firmen und Weltmarktführer als viele Bremer wissen, Fußball-Bundesligisten, Tanz-Weltmeister, überwiegend freundliche Bewohner und, nicht zu vergessen: großzügige Mäzene.

Aber Bremen hat auch politische, strukturelle und finanzielle Probleme. 

Senat und Bürgerschaft beschäftigen sich mit der EU-Politik (Haha) oder noch lieber mit Klein-Klein, verlieren das Wichtige und das große Ganze aus dem Blick. Eine Vision für Bremen – Fehlanzeige.

In Flächenländern (mit deutlich größerer Qualitätsauswahl) hätten einige Politiker m/w vermutlich kaum eine Chance, in Landtag oder Landesregierung zu landen.

Und dann der Schlendrian in der Stadt. Mittelmaß wird wie Gott-gegeben hingenommen. Missstände ebenso. Die öffentliche Verwaltung kann über Jahre rummurksen – ja, ein bisschen Verärgerung. Das war’s aber auch. Geld fehlt an allen Ecken und Enden. Aber statt erfinderisch zu sein, verfallen viele in Lethargie. Das Geld wird schon irgendwo her kommen. Der Bund wird’s schon richten. 

Meine Hoffnung ist inzwischen, dass der Bund einen Sparkommissar an die Weser entsendet.

Noch ein paar Gedanken zur Innenstadt: Die ist inzwischen Anziehungsort für junge unbegleitete Flüchtlinge (mit nicht immer guten Vorsätzen). Jung-Gangster beherrschen Teile der Innenstadt, des Viertels und den Hillmannplatz.

Überfälle am helllichten Tag, sind bald täglicher Bestandteil des Polizei-Presseberichts. Eine Rolex am Handgelenk wird als Einladung zum Überfall missverstanden. Goldketten am Hals – besser nicht. Klappmesser gehören für einige zur Grundausstattung. 

Vor diesem Hintergrund erscheint Carl Zillichs neuer Werbeansatz – doppeldeutig herausfordernd – „mutig“. Die 500.000 Euro werden mit leichter Hand ausgegeben – die stammen ja vom Bund…

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

Auflösung: „Rolex – her damit“ hat natürlich nix mit Kriminellen zu tun. Sondern ist die Aufforderung an Gutbetuchte, so ein feines  Teil zu kaufen. „Betteln – aber klar“ ist keine Diskriminierung der unzähligen Bettler, sondern weist bloß darauf hin, dass das Land beim „Erbetteln“ mannigfacher Bundeshilfen geübt ist. Und „Messer – aber immer“ ist natürlich kein Hinweis auf Jung-Gangster. Sondern die Aufforderung, sich in unserer schönen Stadt mal ein besonders edles Messer für die Küche zuzulegen.